Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Fest des hl. Vinzenz von Paul, 27. September 2021

27/09/2021 


Die Predigt zum Anhören

Fest des hl. Vinzenz von Paul, 27. September 2021

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Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Was fehlt Ihnen in der Kirche am meisten? Gemeinschaft? Wünschen Sie sich mehr Stuhlkreise und mehr Agapen? Oder fehlt Ihnen Autorität am meisten? Dann wünschen Sie sich mehr Diktatur? Oder ist es die Frömmigkeit? Also mehr Medjugorie? Wollen Sie mehr Rechte? Also den synodalen Weg? Fehlen Ihnen Priester, die verheiratet sind (mit einer Frau)? Wollen Sie mehr Priester, die Zivil tragen oder weniger?

Darf ich Ihnen sagen, was mir am meisten fehlt? Der Elan. (Heute sagt man wohl „flow“, aber ich bin ja von gestern.) Mir fehlt das, was es einmal gab. Das war ungefähr 1580 bis 1660. Die Zeit, als der hl. Vinzenz von Paul lebte, den die ganze Kirche heute feiert.

Ich weiß, Epochen verallgemeinern, Epochen vergleichen darf man nicht. Ich weiß, dass die damals auch gestritten haben, dass es Morde gab und Kriege und, noch schlimmer, einen König. Und ganz schlimm: einen mächtigen Adel. Aber diese Zeit war einfach toll, und sie hatte das, was unserer Zeit fehlt. Sie hatte die Caritas des hl. Vinzenz, die Seelsorge des hl. Franz von Sales, die Klöster der Visitandinnen, die hl. Louise de Marillac und ihre barmherzigen Schwestern (das sind die mit den Hauben), die Priester, die Monsieur Olier ausbildete und die, die der hl. Vinzenz betreute, die Strenge der Abtei von Port-Royal, die Missionen des hl. Jean Eudes, dann die Feinsinnigkeit des Erzbischofs Fénelon, den Reformeifer der großen (und so jungen!) Äbtissinnen… Und alles das entsteht warum? Weil Frauen und Männer Gott entdecken. In ihrem Inneren.

Das meine ich mit Elan: universale Verbundenheit, euphorische Kraft. So gestaltet der Heilige Geist die Welt. Nicht mit der monatlichen Zeitschrift der katholischen Orden.

Wenn ich Ihnen jetzt sage, dass es damals einen Wettstreit der Heiligkeit gab, dass der Wunsch, heilig zu werden, etwas Selbstverständliches war, dann werden Sie befremdet sein. Die meisten Menschen lehnen die Heiligkeit rundheraus ab: nicht für mich. Bizarr. Übertrieben. Unrealistisch. Beängstigend. Also muss ich es anders angehen. Und sage: Damals war es völlig normal, dass Frauen und Männer, Laien und Geistliche, Aristokraten und Bürgerliche miteinander über Gott sprachen. Es geschah alltäglich, was heute bei einer Priesterkonferenz nicht ein einziges Mal geschieht. Sehr einfache Menschen sprechen heute vielleicht von Maria, Prediger sprechen von Jesus, – der eine Formel für Freundlichkeit und bedingungslose Liebe geworden ist, dem man also das Leiden, den Zorn, die Stille, die Wunder ausgetrieben hat. Aber wer spricht von Gott? Beim Abendessen? Beim Autofahren?

Wenn Elan Verbundenheit bedeutet, stecken wir in der Zeit der Ent-Solidarisierung, auch in der Kirche. Wenn jemand etwas vorgeworfen wird (vielleicht zu Recht), rücken alle von ihm ab. Die gemeinsame Zugehörigkeit zur Kirche, zum Leib Christi ist für die meisten nur Gerede. So sieht es aus, wenn der Elan fehlt.

Was ist das Geheimnis dieses Elans, der auch Vinzenz von Paul inspirierte? Ein Wort des Kardinals de Bérulle, der der Lehrer oder besser: Erwecker des hl. Vinzenz war, bringt es auf den Punkt. Bérulle sagt: „Zuerst muss man Gott anschauen, nicht sich selbst. Nicht deswegen handeln, weil man sich selbst sucht und auf sich achtet, sondern handeln, weil man auf Gott sieht.“ – Zuerst muss man Gott anschauen. Hier haben Sie die Beschreibung des Elends der heutigen Kirche. Das Jahrhundert des hl. Vinzenz zeigt Ihnen aber, dass die Kirche sich immer wieder von selbst reformiert.

Vinzenz wollte nur deshalb Priester werden, um der Armut seiner Familie zu entkommen, und dann hat ihn Gott vom Priester zum Heiligen geführt (durch andere Heilige!). Und zurück zur Armut seines Anfangs. Genau das, was er fliehen wollte, wird jetzt zum Auftrag.

Vinzenz hat sich gewandelt zu einem Mann mit Zartgefühl. Der spürt, was der Mensch empfindet, der vor ihm steht. Das geht nicht ohne eine gewisse Geringachtung für sich selbst. Wer sich selbst zu ernst nimmt, wird den anderen nicht sehen können. Vinzenz ist ganz innerlich und ganz tätig. Er weiß: Wenn das innerliche Leben fehlt, fehlt alles. Er wurde berühmt als ein Heiliger der Caritas, als einer, der materielle wie geistige Not linderte und noch dazu andere dafür begeistern konnte, dabei mitzutun. Aber nicht die Caritas hat aus ihm den Heiligen gemacht, sondern die Heiligkeit hat ihn liebevoll gemacht. Vinzenz achtet den Menschen – und gerade so erhebt er ihn. Er achtet den Menschen, weil er Gott anschaut.

Der Elan treibt an. Der Elan der Heiligkeit. Er macht zuerst vielleicht sehend: „Die Ernte ist groß.“ Wie auch nicht? Die Ernte, das ist die ganze Welt. Was geschieht, wenn keiner erntet? Die Frucht verrottet; die Welt hat nichts zu essen. Deswegen geht Monsieur Vincent zu allen. Zu den Armen und zu den Weisen, Mächtigen, Vornehmen. Die durchschnittliche Pfarre von heute geht weder zu den einen, noch zu den anderen. Sie bleibt bei den Pensionisten. Und die werden dann Funktionäre. Seien Sie ehrlich: Geht das Schwache, das Niedrige, das Verachtete mit auf dem Bibelweg? Zwei Dinge sollte der Pfarrer nicht tun, wenn er sich das Zutrauen seiner Leute erhalten will: mit dem Grafen Kaffee trinken und mit den schwarz-gefärbten, tätowierten jungen Frauen reden, die zu viele Kinder von zu vielen Männern haben und eh bald wieder wegziehen.

Jesus ist der, der durch alle Städte und Dörfer zieht. Da trifft man so manches, nicht wahr? Jesus tut das eine Notwendige. Das Einfache. Er verkündet, er hat Mitleid, er heilt. Also tut es Vinzenz auch. Ein einfacher und heiliger Mensch zieht dahin „wie ein Strom“, sagt er, „ohne Geräusch und voller Ruhe; ohne je zu versiegen.“ Vinzenz von Paul tat das, was die Situation ihm anzeigte. Der Wille Gottes ist jetzt.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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