Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

Aktuelles

Montag der 23. Woche im Jahreskreis, 6. September 2021

06/09/2021 


Die Predigt zum Anhören

(Lesungen vom Donnerstag derselben Woche)

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

„Man muss nicht essen, wenn man hungrig ist. Man muss auch nicht schlafen, wenn man müde ist.“ Sagte mein Novizenmeister. In einem Kloster, wo die Nachmittagssiesta heiliger war als die Muttergottes.

Das wird so, das kommt so mit den Jahren: Ich muss. Weil es nun mal so ist. Weil es alle machen. Weil sonst alles zusammenbricht. Weil es sich gehört. Weil ich ich bin. Deswegen muss es.

*

Sie wissen, wie das mit dem Bäumen ist. Es fängt an mit einer winzigen hellgrünen Pflanze, ganz weich, ganz biegsam, zart. Es endet mit Holz, hart, fest, stark genug, den Dachstuhl einer Kathedrale zu tragen. Nur (das dürfen Sie nicht vergessen): Dachstuhl ist, nachdem der Baum gefällt wurde. Solange er im Wald steht, dort, wo es still ist und der Wind geht und der Winter kommt, dann der Sommer, solange er dort steht, ist er beides: hart und zart. Dunkel und Hellgrün. Seien Sie keine gefällten Bäume! Das als erstes. Seien Sie beides. Seien Sie Menschen, die nicht alles Mögliche müssen. Die tanzen können.

Das war die Vorbemerkung.

Nun die Hauptsache. Sie wissen, wer da draußen umeinanderläuft, Montag zu Mittag. Besorger, Bürogeherinnen, Geschäfteschauer, Sandwichkäuferinnen, Mittagsleute, Zeitungsleser. Sehen Sie, ich bin ein Zeitungsleser. Ich kann einfach das große Blatt Papier umwenden, wenn mir was zu viel wird. Die Sandwichfrauen können weiterschauen, wenn es Schinken-Käse nicht gibt. Da draußen ist das so. Hier aber… hier bekommen Sie Montagmittag einen der größten Texte der Weltgeschichte vorgesetzt – und können nicht ausweichen. Sie müssten sich schon sehr bemühen, sich die Ohren zuhalten, damit Sie nicht hören: „Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen; segnet die, die euch verfluchen.“ Die ganze Welt kennt diese Worte. Die Geschichte, die Jahrtausende, die Kontinente: Alle kennen diese Worte. Und alle Großen haben darüber nachgedacht, darüber gesprochen, erklärt. Oder besser: zu erklären versucht. Denn keiner wird dieser Worte Herr. Ahnen Sie jetzt, mit welchen Gefühl einer an eine Predigt über dieses Evangelium heran geht? Überforderung, Entmutigung. Doch er muss. Und er weiß, was er Ihnen zumutet.

Sie wissen, dass da draußen nichts passiert. Nichts von Bedeutung. Okay, nicht nichts, aber verdammt wenig von Bedeutung. Sie wissen jetzt auch, dass Sie hier auf etwas treffen, das Sie nicht beherrschen können, das Sie nie ganz verstehen werden. Sie ahnen aber auch, dass das hier wahr ist. Und dass es Ihnen guttut. Sie werden hier nicht beschädigt.

Wer sich drückt, beraubt sich der Möglichkeit, über sich selbst hinaus zu kommen. Oder haben Sie gar keine Sehnsucht, Grenzen zu sprengen? Sprünge zu machen wie die kleinen Mädchen und Buben und die Böcklein? Kommen Sie in die Kirche, damit es bleibt, wie es ist?

Wer wirklich über sich hinauskommen will, braucht einen Punkt außerhalb. Nur ich selbst, nur mein Empfinden, meine Lebenserfahrung, meine Maßstäbe, das bedeutet vielleicht gutes Holz, aber sicher nicht lebendiger Baum. Seien Sie Wald und nicht Holzhandel.

Es gibt in der Geschichte der Seelenführung die Lehre vom „Agere contra“: Dagegen handeln. Ich bin hungrig, ich mache mir ein Schinkensemmerl. Das ist nachgeben. Ich muss. Das. Jetzt haben. Nein, muss ich nicht.

Die Heiligen sagen: Handle gegen das, was du meinst zu müssen. Gegen das, worauf du ein Recht zu haben denkst. Rechne damit, dass du dich täuschen kannst. Auch über dich selbst. Sogar dort, wo Instinkt und Lebensgefühl eindeutig zu sein scheinen.

Sie sind sicher, ein schlechtes Gewissen zu haben. Und schlechtes Gewissen ist gut. Moralisch. Aber schauen Sie genau hin: Bereuen Sie Ihr Tun wirklich oder nur weil Sie in den Augen der Welt oder den eigenen Augen nicht die Figur gemacht haben, die Sie gerne gemacht hätten?

Lassen Sie sich von anderen etwas sagen? Sogar dann, wenn es Ihnen nicht einleuchtet? Stellen Sie sich freiwillig der Kritik? Das alles zu tun, kann Stunden der Bitterkeit bringen und Konflikte. Aber auch etwas anderes: Bewegung. Freiheit.

Wenn es gut geht, dann macht dieses Evangelium Sie freier. Ich sage nicht: frei, ich sage nur freier. Das, was Sie hier hören, am Montagmittag, das macht, dass Sie fest sind und zart, hartes, stabiles Holz und frische Pflanze. Beweglich.

Man muss nicht schlafen, wenn man müde ist. Man muss nicht hassen, wenn andere einen hassen. Man muss nicht heimzahlen. Man muss nicht vergelten. Man kann auch beten für die; man kann lieben, man kann segnen. Sie können so viel! Sie können die Dinge anders machen. Sie können sich sagen: Muss ja nicht sein, dass ich die dumme Gans hasse, bloß weil sie mich hasst. Mal sehen, ob es da nicht mehr Möglichkeiten gibt.

Jesus nennt ein paar davon:

Seid barmherzig.

Richtet nicht.

Gebt.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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