23. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B), 5. September 2021
23. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B), 5. September 2021 Messe der Ordensritter Vesper am Nachmittag EINLEITUNG der Messe Blind. Taub. Stumm. „Öffne dich!“, sagt Jesus. Was habe ich nicht sehen wollen? Wem habe ich nicht zugehört? Welches gute Wort habe ich nicht gesagt? Was ist bei uns gelähmt? Worüber wird nicht gesprochen? PREDIGT Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Angenommen, es gäbe Gott, was hätte man dann von ihm? Was haben Sie von Gott? Glückliche Ankunft nach langer Fahrt? Guten Ausgang der OP? Gedeihliches Wetter und gelungene Kinder? Oder Frieden auf der Welt? Nicht einmal der Papst traut Gott das zu. Rettung aus Gefahr, wunderbare Heilungen: So etwas bringen die Leute mit Gott in Verbindung. „Maria hat geholfen!“, hängen sie an die Wand, wenn ein Tauber wieder hört und ein Stummer wieder verständlich reden kann. Wenn ein Tauber wieder hört, ist das natürlich toll für ihn. Aber auch für uns? Wenn wir den Tauben oder den Stummen nicht persönlich kennen, ist es uns ziemlich gleich, ob da einer mehr oder weniger ist, der mitredet. Was ich damit sagen will: Das Glück ist privat. Und der Glaube an Gott ist auch privat. Bei den Leuten. Nicht im Evangelium, nicht bei den Christen. – Die Leute können sehr gemütlich im Garten sitzen und Erdbeertorte essen, während Menschen vergast werden. Das geht, die Geschichte hat es bewiesen. Das Kunststück ist einfach: nichts wissen. Nicht daran denken. Keine Fragen stellen. Zum Beispiel die Frage: Was genau wird eigentlich bei einer Abtreibung getötet? Gott und die anderen: egal. Hauptsache, Gott hilft mir. Die Frage ist also: Geht dieses Evangelium mich etwas an oder nicht? Von Haus aus interessiert mich ja die Heilung irgendeines Tauben oder Stummen nicht. Schön für ihn, mehr nicht. Wenn die Heilung vor 2000 Jahren war, drunten im Orient, wo Irak, Afghanistan und Israel liegen, nimmt das Interesse noch mehr ab. Und wenn es sich um ein Wunder handelt, ist der Fall sowieso erledigt. Wunder sind unmodern, Wunder gibt es gar nicht. Sogar die Zeitung der Erzdiözese setzt in ihrer jüngsten Ausgabe das Wort „Wunder“ in Anführungsstriche. Und es wird ja diskutiert, ob man die Evangelien im Gottesdienst überhaupt noch vortragen soll. Zu schwierig, zu weit weg. Ich würde aus der Kirche austreten (wenn das überhaupt ginge), wenn am Sonntag kein Evangelium mehr vorgelesen würde! Ohne Evangelium und ohne Eucharistie keine Kirche. Ohne Jesus Christus sowieso nicht. Wo aber soll ich ihm begegnen, wenn nicht im gemeinsam angehörten Evangelium und der hl. Kommunion? Das ist Kirche. Also hören wir. „Da brachten sie ihm einen.“ Andere Menschen bringen den Kranken zu Jesus. Sie wurden auch gebracht. Diese Kinder wurden von ihren Eltern gebracht. Auch wir Erwachsenen wurden von anderen hierhergebracht. Irgendwer hat ihnen gesagt: „Geh am Sonntag mit in die Kirche!“ Oder: „Geh mal in die Malteser-Kirche.“ Irgendwer hat ihnen etwas über Jesus Christus gesagt: der Moment, in dem das erste Mal sein Name fiel. Sogar die, die „halt eines Tages hereingeschaut haben“, sogar die wurden von anderen gebracht: von denen, die diese Kirche in die Kärntnerstraße gesetzt haben. Oder von denen, die die Glocken läuten ließen. Verstehen Sie jetzt unser Motto „Jeder bringt einen mit!“? Geht Ihnen jetzt auf, was es bedeutet, wenn Eltern ihr Kind zur Taufe bringen? Und was es bedeutet, wenn sie es dann nie wieder bringen? Sind Sie den Menschen dankbar, die Sie zu Jesus Christus gebracht haben? Der im Evangelium wird von anderen Menschen zu Jesus gebracht. Ob unsere Eltern und Paten uns zur Taufe getragen haben oder ob wir als Erwachsene zum Glauben fanden: Ohne andere Menschen wäre das nicht geschehen. Nun aber nimmt Jesus den Mann „beiseite, von der Menge weg“. Jetzt ist dieser Mensch allein mit Jesus. Haben Sie solche Momente? Es braucht sie, denn die Begegnung mit Jesus ist auch etwas ganz Persönliches. Ihr katholischer Glaube muss beides kennen: Gemeinschaft und stille Einsamkeit. Machen Sie den Kindern Mut, „von der Menge weg“ zu gehen, hin zum stillen Jesus. Jesus tut jetzt Verschiedenes: Er berührt den Mann, er blickt zum Himmel auf (d. h. er betet), er seufzt. Kann sich einer ausmalen, was dieses Seufzen Jesu bedeutet? Er spricht, er heilt. Der Mann kann wieder hören und wieder verständlich sprechen. An diesem Punkt komme ich auf den Anfang zurück. Zu sagen: Fein, der Mann ist geheilt, schön für ihn, das griffe viel zu kurz. Wunder, Heilungen, Worte Jesu sind eben nicht privat. Denn sehen Sie: Der Mann kann wieder hören und verständlich reden. Das bedeutet doch: Einer, der völlig ausgebremst war, „behindert“, wenn Sie wollen, kann wieder kommunizieren. Er gehört nicht nur von Rechts wegen zur Gemeinschaft dazu (wie jeder demente alte Mensch, wie jeder Koma-Patient), sondern auch praktisch, aktiv. Er wird künftig mitreden. Das ist der tiefere Sinn dieser Heilung: Reparatur der Gemeinschaft. Und ein Zweites: die Befähigung, für das Reich Gottes zu arbeiten. Der Geheilte kann sich mit allen Sinnen für das Reich Gottes einsetzen. In jeder Taufe wird wirksam an dieses Evangelium erinnert: im sogenannten Effata-Ritus. Der Täufling wird befähigt und beauftragt (!), Gott zu hören und den Glauben zu bekennen. Damit das Reich Gottes wächst. Denn es wächst nicht an Bäumen und nicht in den Wolken, es wächst in Menschen. Wie ist es mit Ihnen? Sagt Ihnen Christus auch: „Öffne dich!“? Wächst das Reich Gottes in Ihnen? FÜRBITTEN Jedes Wunder der Heilung spricht von einer besseren Welt. Einer neuen Welt. Vater, stärke unseren Glauben an das Reich Gottes. Ich bin blind, du bist taub, sie sind stumm. Wir sehen nicht, wir hören nicht, wir reden nicht, wo wir reden sollten. Christus, heile uns. Wir sind getauft. In der Taufe erhielten wir den Auftrag, den Menschen das Wort Gottes zu verkünden. Heiliger Geist, erfülle die Christen. In der zweiten Lesung hieß es: „Macht ihr dann nicht Unterschiede und fällt Urteile?“ Die Christen damals haben gewertet, gerichtet, ausgegrenzt. Wir tun es immer noch. Unser Vater im Himmel führe uns in eine echte Gemeinschaft. „Und sogleich löste sich die Fessel seiner Zunge.“ Macht der Glaube die Menschen freier? Oder gefangener? Löst die Kirche Fesseln? Wir beten um Freiheit für die Menschen. Jesus hört die Bitten der Leute. Wir hören viele Bitten nicht. Wir beten um Aufmerksamkeit für die anderen Menschen. „Er hat alles gut gemacht.“ So endet das Evangelium. Wir beten um Hoffnung. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. 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