Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

Aktuelles

Montag, 7. Juni 2021, 10. Woche im Jahreskreis

07/06/2021 


Die Predigt zum Anhören

(Lesungen vom Donnerstag derselben Woche)

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Sehen Sie das? Auf dem Altar? Den Kelch? Warum liegt ein Tuch darüber? Weil die Malteserkirche altmodisch ist? Weil Priester gerne mit Tüchlein hantieren? Das Tuch, das „Velum“ heißt, zu deutsch „Schleier“ oder „Hülle“, liegt darüber, damit man den Kelch nicht sieht. Den Kelch, der das Blut Christi enthalten wird. Den heiligen Kelch.

Das Heilige wird verhüllt, damit wir es nicht anschauen. Uralte Geste der Religionen: verbergen.

Empörung! Sofort. Da führt doch eine gerade Linie zu den Pfaffen, die den Missbrauch verschleiern, nicht mit Tüchern, aber mit viel Papier, das sie dann geheim halten. Wir fordern Transparenz! Gut. Richtig. Aber die Forderung nach totaler Transparenz – des Staates, der Kirche, des Partners – ist ebenso töricht und widerlich wie die ihr zugeordnete Sucht, sich zu zeigen: jeden Tag ein neues Insta-Bild von mir. Totale Transparenz in Form von allgegenwärtigen Bildern: Das soll diese Welt heilen?

Der Mensch ist ein Geheimnis. Kein Algorithmus wird ihn je total erfassen. Und der Mensch braucht ein Geheimnis. Es ist seiner Würde und seiner Freiheit zugeordnet. Der tiefste Grund dafür ist wohl: Gott selbst ist ein Geheimnis. Nicht nur, denn er hat sich uns geoffenbart, aber vor allem. Alles, was wir von Gott aussagen können, können wir auch nicht von Gott aussagen. Gott ist in keiner Sprache und keinem Begriff zu fassen. „Der Herr aber ist Geist“, schreibt Paulus den Christen in Korinth.

Eine Welt ohne Geheimnis ist unmöglich und unmenschlich: So viel Lebenserfahrung erwarte ich von jedem, der ernst genommen werden möchte. Und Sie wissen um den Hintergrund: Sowohl die chinesische Regierung als auch die Internet-Profiteure haben – ausdrücklich und öffentlich – zum Sturm auf jedes menschliche Geheimnis geblasen. Und die meisten finden nichts dabei, diesen Mächten die Tore zu ihrem privatesten Leben zu öffnen…

Anderes Thema. Der Schleier steht heute für erstens Islam und zweitens Unterdrückung der Frau durch den Mann. Obacht! Auch katholische Nonnen tragen Schleier. Wird man den auch verbieten, wenn die Kirche nicht spurt? Ich kann mich noch an die langen Trauerschleier der Witwen erinnern. Ich habe das Bild immer verbunden mit einem erhabenen Sich-Entziehen. Der Schleier macht die Frau nicht zur Sklavin. Eher zur Herrscherin. Zum Geheimnis. Die Frau entscheidet, sich den Blicken zu entziehen. Nicht mehr verfügbar zu sein. Und der Tabernakel ist geschlossen; er hat keine Scheibe aus Glas. Die Klausur darf nicht betreten werden. Der Priester im Beichtstuhl ist (wenn der Mensch, der zur Beichte geht, es wünscht) nicht zu sehen, nur zu hören. Der Blick in das Tagebuch des Partners ist tabu. Es gibt Worte, die man nur flüstern darf. Weil sie zu köstlich sind. Und es gibt das Schweigen. Sogar das Schweigen der Blicke (s. Zelebration).

Ja, das ist eine Gratwanderung. Es ist ein Unterschied zwischen Geheimnis und Geheimhaltung. Und aus Angst vor der Gratwanderung sind wir in einer Kirche angelangt, die auf harmlose, platte „Offenheit“ setzt. Eine Komödien-Offenheit, denn jedes wirklich offene Wort ist auch weiterhin verpönt. Harmlose Plattheit also. Viele glauben daran. Und wenn das andere, das Verstörende, erscheint, gehen sie eben. Mit Gott und der Kirche zu brechen, ist ja ein Grundrecht.

Die Lesung aus dem zweiten Korintherbrief ist über die Maßen verstörend. In ihrem Gottesbild, in ihrem Menschenbild, in der Art, wie sie den Glauben vorstellt. Da ist tatsächlich die Rede von Hüllen und Verhüllung, auch von Verblendung. Und von der Enthüllung, die den Glanz der Herrlichkeit freigibt.

Ich lese und bin verstört. Aber auch erleichtert. Denn ich hatte geahnt, dass der Glaube ein Weg ist vom Verhüllten zum Offenbaren. Ein Weg des wachsenden Verstehens. Nicht ein Geheimwissen für irgendwelche Eliten, sondern das zunehmende Licht aller. Und damit stelle ich mir die Frage: Werde ich lichter, klarer, heller – oder immer finsterer? Und Sie?

Verstörend… Die Hülle ist auch Schuld, Ergebnis der Schuld. Und Verhängnis: „Wenn Evangelium dennoch verhüllt ist, ist es nur denen verhüllt, die verlorengehen.“ Der Unglaube ist nicht nur irgendeine Situation („ist halt so“), nicht nur eine Option („ich bin frei“), sondern der Unglaube ist auch Schuld.

„Sobald sich aber einer dem Herrn zuwendet, wird die Hülle entfernt.“ Und das bedeutet: „Freiheit.“ Wir wachsen in der Erkenntnis Gottes, aber seinen Plan mit jedem Menschen, mit jeder Nation zu kennen, das bleibt uns verwehrt. Wir hören nur den Apostel, der sagt: „Denn Gott hat das Denken der Ungläubigen verblendet.“ Und ich frage mich: Habe ich Glauben? Wird er bleiben?

Und die Gläubigen? Können das Glaubensbekenntnis aufsagen? Gehen in die Messe? Zahlen Kirchenbeitrag? Seien Sie einfach, aber nicht platt! Hören Sie, wie Paulus die Gläubigen beschreibt: „Er“ – Gott – „ist in unseren Herzen aufgeleuchet.“ – Damit wir erleuchtet werden „zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi.“ Wahre Erkenntnis Christi also. Sie verändert uns. „Wir spiegeln die Herrlichkeit des Herrn wider und werden so in sein eigenes Bild verwandelt, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit.“ Der Mensch wird Herrlichkeit vor der Herrlichkeit Gottes.

Und wo? Im Herzen und im Himmel. Beide aber sind den Blicken verborgen.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

Souveräner Malteser-Ritter-Orden

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