Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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7. Sonntag der Osterzeit, 16. Mai 2021

16/05/2021 


Die Predigt zum Anhören

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Wo ist Gott? – Früher sagten die Pfarrer: Gott ist im Himmel und sieht alles. Gott sieht alles, was ihr tut und er schreibt es auf in einem großen Buch für das Jüngste Gericht. Gott war Kontrolle. Heute ist Gott Nähe. „Gott ist immer ganz nahe bei euch“, sagen die Religionslehrerinnen; dann singen sie fröhliche Lieder von Hirten und Bienen, vom Beschützen und von Freunden, und die Eltern sind gerührt. Die Kirche ist etwas für gerührte Mütter und stolze Väter und kleine Kinder geworden. Die Kinder müssen unbedingt klein sein. Wenn sie langsam erwachsen werden, ist niemand mehr gerührt. Weil Nähe, Hirten, Beschützer, Regenbögen und nette Freunde in Ihrem echten Leben nicht vorkommen. Von Montag bis Freitag geht es um andere Dinge. Wie oft hören Sie das Wort „Nähe“ bei der Feuerwehr, im Gemeinderat oder im Meeting? Früher war Gott irgendwie eisig, heute ist Gott klebrig wie ein Kinderkeks. Welche Beziehung kann ein erwachsener Mann mit einem Gott haben, der vor allem nahe und nett ist? Was kann ein Mädchen, das gerade nur an Jungs denkt, mit einem netten alten Gott anfangen? Der Gott, von dem die Kirchen-Frauen und –Männer sprechen, packt niemanden. Die Kirche hat sich damit abgefunden, dass die meisten Menschen sich für ihren Job interessieren, ihr Auto, Geld, Sex, Kindererziehung, Hausbau, Hobbys; dass sie gern angeben, vor ein paar Sachen Angst haben und sich auf das Grillen im Sommer freuen. Das Wort „Gott“ fällt in keinem Büro, bei keinem Sportverein, bei keinem Mädelstreff. Sogar konservative Katholiken wie die Malteserritter interessieren sich mehr für den Papst, ihre guten Werke und Lourdes als für Gott. Was ist bloß passiert in der Zeit zwischen dem Evangelisten Johannes und heute?

Was war nochmal die Frage? Wo ist Gott? Im Menschen, so die Lesung und das Evangelium. In uns. Nicht bloß in der Nähe. Nahe ist mir mein Dackel. Gott ist nicht nahe wie ein Pfleger oder ein Therapeut oder die Kneipenfreundschaft.

Und wo ist Gott in uns? Im Körper? Reicht nicht, passt nicht. Wir haben keinen Sex mit Gott; Gott hat keine Hand, die zu meiner Haut passt. Das ist ja das Wüste am Zölibat… Gott ist Geist. Also ist er in unserem Verstand? Passt auch nicht. Da wäre Gott ja eher für die gescheiten Leute. Ist er aber offenkundig nicht. Die Apostel waren keine Universitätsprofessoren; die Frauen um Jesus waren vielleicht klug oder weise, aber keine Literaturkritikerinnen. Ist Gott im Herzen? Ist der Glaube also für die Sentimentalen, für romantische Sonnenaufgänge in den Bergen und Blumenbilder in kleinen Kalendern?

„Großer Gott, wir loben dich!“ Das singen Sie doch gern. Sie gewinnen, wenn Sie genau auf die Worte hören. Großer Gott. „Himmel, Erde, Luft und Meere…“ Die Elemente sind Gott zugeordnet. Und die „Throne, Herrschaften und Gewalten“, singt die Liturgie. Denken Sie groß von Gott. Dann wird es Sie umhauen zu kapieren, dass dieser große Gott in Ihnen ist, in ihrem Lebenskern – und Sie ihn trotzdem nie fassen. Eine uralte jüdische Schrift beschreibt den riesenhaften Gott: „Der erste Mensch aber und seine Generation / saßen am Eingang des Gartens Eden, / um das Aussehen der Gestalt des Glanzes der Göttlichen Gegenwart zu betrachten, / denn der Glanz der Göttlichen Gegenwart ging von einem Ende der Welt zum anderen / 65.000 mal heller als das Sonnenrad…“

Wo ist dieser unendliche Gott, und wo sind wir? Das Evangelium heute gibt eine Antwort, die mich selbst überrascht hat. Da sagt Jesus: „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen.“ Wir leben im Namen Gottes. Wie in einem Raum.

Der Name bringt alles auf den Punkt. Der Name ist der Mensch selber. Wenn ich rufe „NN“ denken alle an diesen einen, einzigartigen Jungen. Im Namen Gottes sein, bedeutet also: in dem sein, was er wirklich ist. Unvorstellbar? Genauso muss es sein!

Und welchen Namen gibt Jesus Gott? „Heiliger Vater.“ Das verbindet zwei Elemente, die sich ausschließen: Heiligkeit und Nähe. – Sie erinnern sich: Wir nennen Gott in der Messe den „Quell aller Heiligkeit“. Heiligkeit bedeutet: völlige Andersheit. Unfassbarkeit. – „Vater“ aber bedeutet genau das Gegenteil: Nähe. Ihr Vater hat Sie gezeugt. Geht mehr Nähe? Der riesenhafte, unerkennbare Gott will uns so nahe werden wie ein Vater. Dazu ist der Sohn gesandt, dazu ist er in den Himmel aufgefahren. Was wie eine Entfernung aussieht, ist in Wahrheit eine Annäherung. Aber eben nicht bloß Nähe im Kindergarten-Sinn. Bei der Gabenbereitung gibt der Priester einen einzige Tropfen Wasser in den Wein: Bild für den Menschen, der in Gott eintaucht. Solche Nähe.

Die Forscher haben herausgefunden, dass der Evangelist Johannes aufbaut auf einen urchristlichen Katechismus. Ganz am Anfang wurde der christliche Glaube zusammengefasst in zwei großen Forderungen: Heiligung und geschwisterliche Liebe. Die erkennt man an der Einheit. Diese Einheit unter uns, wo kommt die her? Aus der Einheit zwischen Gott-Vater und Gott-Sohn. Heiligkeit kommt vom heiligen Gott und führt zur Einheit einer Gemeinde.

Das heutige Evangelium hat solche Kraft! Es zeigt uns eine wirklich neue, wirklich weite Perspektive. – Vielleicht hat man nicht immer den Sinn, so zu denken. Oder man ist in eine Sünde verstrickt, die den Sinn für Gott abschneidet. Oder man ist zu selbstbewusst: Wer sich selbst sehr wichtig nimmt, wie soll der Platz machen für Gott? Oder das Leben ist versumpft in Langeweile, Kleinmut und Spießigkeit, die nach der ersten großen Liebe nichts Großes mehr denkt. Es gibt echte Hindernisse für dieses Evangelium. Aber verschließen Sie sich nicht von vornherein gegen seine Gedanken. Ich versichere Ihnen: Man kann auch in der Küche stehen, der Mann ist krank, der Handwerker ist nicht gekommen, die Versetzung des Kindes ist gefährdet oder der Tag war im Gegenteil besonders schön, – und sich trotz allem erinnern: Ich bin in Gott wie ein Tropfen Wasser im Kelch voll Wein.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

Souveräner Malteser-Ritter-Orden

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