Montag der 7. Osterwoche, 17. Mai 2021
Montag der 7. Osterwoche, 17. Mai 2021 (Lesungen vom Donnerstag derselben Woche) Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Die Kirche ist wie die Lesung ohne das Evangelium. Geschrei, Meinung, Gewalt. Wollen Sie so eine Kirche? Sie wollen die Kirche, die Sie kennen. Geschrei und Spaltung: Viele lieben das regelrecht. Der große Kirchen-Kick. Ich verstehe gut, dass man das will, was man kennt. Aber es wird schief gehen. Sie brauchen die Kirche, die Sie nicht kennen. Die Kirche des Evangeliums. Wenn Sie das Evangelium nicht zur Lesung hinzunehmen, bleibt die Kirche so, wie Sie es kennen. „Und die Versammlung spaltete sich.“ Der Evangelist Johannes liest sich nicht leicht. Und so ist Ihr erster Reflex, dieses Evangelium abzutun: zu schwierig, nicht im wirklichen Leben, nur für besonders erleuchtete Seelen oder solche, die sich dafür halten. So kommt es, dass dieses Evangelium nicht die geringste Rolle spielt im konkreten Leben der Kirche. Wer davon spricht, den hört man an (Katholiken sind manierlich), aber kaum hat er den Mund zugemacht, macht der nächste ihn auf und fragt: Und wie wird das jetzt mit dem Besitz der Pfarre? Hat der Papst das wirklich gesagt? Wieso dürfen die Frauen nicht …? Wichtige Fragen, aber der Beweis ist doch längst erbracht, dass die wichtigen Fragen auf die bekannte alte Art nicht zu lösen sind. Wir treten auf der Stelle. Von der Lesung lernen wir, was wir längst wissen: Streit gab’s immer, Verkündigung ist mühsam und am Ende bekommt man auf die eine oder andere Weise den Kopf abgeschlagen. Die Lesung, das ist der geerdete Glaube. Gut. Aber Sie wissen: Erde ist auch Dreck. Das Evangelium ist von einem anderen Kaliber. Da hören wir, ein paar Tage nach Christi Himmelfahrt: „Sie sollen meine Herrlichkeit sehen.“ Macht Sie das neugierig oder sind Sie schon weg? Ich bin sicher: Schon aus Pflichtgefühl müssen wir uns diesen seltsamen Worten stellen. Sie sind ja eine Botschaft! Also: Jesus in seiner Herrlichkeit. Jedes Kind würde fragen: Und was macht Jesus da, „zur Rechten des Vaters“? Das Evangelium gibt die Antwort: Er bittet für uns. Worum bittet Jesus? Um Einheit. „Alle sollen eins sein.“ Wir hätten vielleicht lieber, er bäte darum, dass wir gesund bleiben. Aber wird nicht jeden Tag klarer, wie wichtig Einheit ist? Im Land und in der Kirche? Einheit aber entsteht wie? Mit einem „Vertragt’s euch halt!“? Das passt zu Kaiser Ferdinand dem Gütigen, aber nicht zu Christus. „Wie du, Vater, in mir bist… sollen auch sie in uns sein.“ Sie sollen in Gott sein. Die Einheit eines Ordens z. B. käme also aus der Einheit von Gott-Vater und Gott-Sohn. Wie? Als Vorbild? Haltet zusammen, weil auch die Dreifaltigkeit zusammenhält? Das wäre Sportlehrer-Quatsch. Die Einheit kommt aus einer ganz anderen Quelle. „Ich habe ihnen deinen Namen bekannt gemacht“, damit du in ihnen bist „und damit ich in ihnen bin.“ Jesus hat uns also informiert von Namen Gottes? Nein. Es geht weder um ein Mehr an Information, noch um irgendeine Form von Nähe. Nahe ist mir mein Dackel. Gott ist nicht nahe wie ein Therapeut oder die Kneipenfreundschaft. Wo ist Gott? Nicht in der Nähe. Im Menschen, so das Evangelium. In uns. Und wo ist Gott in uns? Im Körper? Reicht nicht, passt nicht. Wir haben keinen Sex mit Gott; Gott hat keine Hand, die zu meiner Haut passt. Das ist ja das Wüste am Zölibat… Gott ist Geist. Also ist er in unserem Verstand? Passt auch nicht. Da wäre Gott ja eher für die gescheiten Leute. Ist er aber offenkundig nicht. Die Apostel waren keine Universitätsprofessoren; die Frauen um Jesus waren vielleicht klug oder weise, aber keine Literaturkritikerinnen. Ist Gott, dritte Möglichkeit, im Herzen? Ist der Glaube also für die Sentimentalen, für Blumenbilder in kleinen Kalendern? „Großer Gott, wir loben dich!“ Das singen Sie doch gern. Großer Gott. „Himmel, Erde, Luft und Meere…“ Die Elemente sind Gott zugeordnet. Und die „Throne, Herrschaften und Gewalten“, singt die Liturgie. Eine uralte jüdische Schrift beschreibt den riesenhaften Gott: „Der erste Mensch aber und seine Generation / saßen am Eingang des Gartens Eden, / um das Aussehen der Gestalt des Glanzes der Göttlichen Gegenwart zu betrachten, / denn der Glanz der Göttlichen Gegenwart ging von einem Ende der Welt zum anderen / 65.000 mal heller als das Sonnenrad…“ Irgendwo in der Religion muss es das Unvorstellbare geben, sonst reißt sie nichts. Denken Sie groß von Gott. Und dann noch größer. Es wird Sie umhauen zu kapieren, dass dieser große Gott in Ihnen ist, in Ihrem Lebenskern – und Sie ihn trotzdem nie fassen. Und welchen Namen Gottes macht Jesus bekannt? „Heiliger Vater.“ Das verbindet zwei, die sich ausschließen: Heiligkeit und Nähe. Denn Heiligkeit bedeutet in der Bibel: völlige Andersheit. Unfassbarkeit. „Vater“ genau das Gegenteil: Nähe. Der riesenhafte, unerkennbare Gott will uns so nahe werden wie ein Vater. Nicht Nähe wie in der vollen U-Bahn. Bei der Gabenbereitung gibt der Priester einen einzigen Tropfen Wasser in den Wein: Bild für den Menschen, der in Gott eintaucht. Solche Nähe. Sie hören „Kirche“ und denken: Pfarrer, Bauten, Reformen, Parteien. Das ist die Nummer sicher. Das heutige Evangelium zeigt Ihnen eine wirklich neue, wirklich weite Perspektive. Vielleicht hat man nicht immer den Sinn, so zu denken. Oder man ist in eine Sünde verstrickt, die den Sinn für Gott abschneidet. Oder man ist zu selbstbewusst: Wer sich selbst sehr wichtig nimmt, wie soll der Platz machen für Gott? Oder das Leben ist versumpft in Langeweile, Kleinmut und Spießigkeit. Es gibt echte Hindernisse für dieses Evangelium. Aber verschließen Sie sich nicht von vornherein, immer wieder gegen seine Gedanken. Ich versichere Ihnen: Man kann mitten im Tag stehen – und sich erinnern: Gott ist in mir und ich bin in Gott wie ein Tropfen Wasser im goldenen Kelch voll Wein. Dann geht der Atem anders. Das Geschrei verstummt. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören