Montag der 28. Woche im Jahreskreis, 14. Oktober 2019
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Stellen Sie sich vor: vier Mandarinen. Eine für Gott, eine für Christus, eine für Gerechtigkeit und eine für Liebe. Die werfe ich Ihnen zu; Sie müssen fangen. Und dann damit jonglieren. Und zwar elegant! Wer es schafft, ist Sieger. Und damit doch nicht mehr als der Pausenclown… So ist Theologie. Sie muss Begriffe zueinander bringen, wahr sein und auch noch harmonisch. Fast aussichtslos. Warum tut man sich das an? Um zu verstehen. Nicht Gott verstehen oder die Geschichte. Das wäre zu hoch gegriffen. Einfach verstehen, was wir reden. In unseren Gottesdiensten z. B. Ohne dieses Verstehen löst der Glaube sich auf. Er wird völlig beliebig. Das ist es, was wir gerade in der Kirche erleben. Eltern, die ihr Kind taufen lassen, aber gar nicht wissen wollen, was Taufe bedeutet. Menschen, die zur Kommunion gehen, aber nie darüber nachdenken, was sie da tun. Leute, die rufen „Frauenpriestertum!“, aber nie fragen: Was bedeutet Priestertum eigentlich? – Also: über Jesus Christus nachdenken. Der sagt: „Ich bin mehr als Salomo und mehr als Jona.“ Also mehr als Weisheit, mehr als königliche Macht und mehr als prophetische Rede. Das Wort Jesu findet sein Echo in dem, was Sie reden. „Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.“ Die Welt! „Seht an das Lamm Gottes, das wegnimmt die Sünde der Welt.“ Die Sünde aller Menschen! Peter Handke schildert den Tod Jesu mit eigenen Worten: „Zur gleichen Zeit wurde in Jerusalem ein Erdbeben von mittlerer Stärke verzeichnet. Es ereigneten sich geringe Sachschäden.“ Große Behauptungen der Christen, Tag für Tag – und im Endeffekt nur „geringe Sachschäden“: Ist das die wahre Bilanz des Christentums? Hat das Christentum die Welt verändert? Erlöst? Die Ordensritter rufen: die Caritas! Unser Dienst an den Armen! Andere werden rufen: die Heiligen! Und andere: die Kunst! Alles schön und gut, – aber was ist das vor dem ungeheuren Anspruch, den wir in den Evangelien finden? „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben! Ich, Jesus, aus Nazareth.“ Wie kann ein einziger die ganze Welt erlösen? Und wo ist die erlöste Welt? Ist sie nur im Inneren? Im Herzen des Gläubigen? Ist die Erlösung unsichtbare Gnade? – Funktioniert nicht, dieser Gedanke. Was soll das für eine Erlösung sein, die nie konkret wird? Was nützt die Gnade im Herzen, wenn der eigene Körper oder der unserer Freunde sich in Krankheit und Schmerzen windet? Was ist das für eine erlöste Welt, in der Menschen verhungern? Jesus heilt Kranke! Er ist gekommen, um das Gesetz zu erfüllen. Das Ziel der Gebote Gottes ist es aber, gerechte Verhältnisse zu schaffen. Reine Innerlichkeit reicht nicht. Ist Erlösung erst im Jenseits? Funktioniert auch nicht, denn Jesus hat keine Predigten über das Jenseits gehalten, sondern das Reich Gottes ausgerufen. Hier. „Das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ Vertröstung auf später funktioniert nicht. Bedeutet Erlösung: Einer leidet für viele, stellvertretend? Schwer zu verstehen. Noch schwerer zu akzeptieren für uns moderne Menschen. Ein anderer leidet für mich? Und dadurch wird alles gut? Das ist uns fremd. Und warum überhaupt dieses Leiden? Die Antwort der Theologen lautete jahrhundertelang: Die unendliche Majestät Gottes wurde durch die Sünde der Menschen unendlich beleidigt. Nur durch ein immenses Opfer kann das gut gemacht werden. Das Opfer des Sohnes. Es ging also um Gerechtigkeit. Ein Gott, der blutige Opfer fordert, damit er versöhnt werden kann: klar, dass da viele Christen lieber Maria verehren als solchen Gott. Nur: Im Evangelium schildert Jesus seine Aufgabe nicht als einen Ausgleich an Gerechtigkeit, sondern als Liebe. Und als Freudenbotschaft. „Blinde sehen, Lahme gehen…“ (Mt 11,2). Das Kreuz ist kein Ausgleich zwischen Soll und Haben. Was am Kreuz geschieht, ist totale Liebe. Ein Leben, das ganz für die anderen da ist. Jesus vertraut seinem Vater radikal. Er vertraut darauf: Gott will handeln. Er will das Glück, die Befreiung der Welt. Wer sagt: Irgendwann wird Gott handeln, aber nicht heute, lebt im Misstrauen. Gott gibt heute schon das Heil. Wir müssen es nur zulassen. Wenn der Mensch sich Gott öffnet, wird Unmögliches möglich. Dann fängt die Welt an, sich zu verwandeln. Diese Verwandlung geschieht nicht magisch, sondern indem Jesus Jünger sammelt. Sie lernen von ihm Vertrauen, Versöhnung, Wegschauen von sich selbst, Hinschauen auf Gott. Doch Jesus scheitert. Am Ende sind alle geflohen. Dann aber kommen Ostern und Pfingsten: Die Jünger sammeln sich wieder. In ihrer Versammlung geschieht Vergebung. „Der Friede sei mit euch.“ Jetzt verkünden sie Jesus als den, der im Recht war. Sie spüren: Unsere Umkehr, unsere neue Sicht auf Jesus ist das Werk Gottes. Jetzt ringen sie um Einmütigkeit. Aus ihr heraus gründen sie Gemeinden. Die Kirche entsteht. Der Anfang war der Tod eines Einzelnen. Jesus war der Einzige, der die Lösung Gottes für die Welt gefunden und in absoluter Hingabe gelebt hat. Insofern sind wir durch ihn allein erlöst. Und doch brauchte es die lange Glaubensgeschichte Israels, damit Jesus überhaupt möglich wurde. Und Jesus braucht ein Volk, die Kirche, damit das, was er gelebt hat, die ganze Welt erreicht. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.