Hochfest Johannes der Täufer, 24. Juni 2019
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Johannes. Nicht der, der an der Brust des Herrn liegt am letzten Abend. Nicht der, den Jesus liebte. Der Andere. Unser Patron ist der Vorläufige. Der Fragende. „Bist du es?“, fragt der Jesus. „Bist du der, der kommen soll?“ Unser Patron ist der in der Wüste. Der am Ufer. Der, dem Herodes zuhört und darüber unruhig wird. Unser Patron ist der, dem man den Kopf abschlägt, einfach so; der Tanz eines Mädchens reicht. Jesus wird noch ein paar Mal von ihm sprechen. Aber mehr ist da nicht. Er ist immer nur: der Vorläufer. „Der Kleinste im Himmelreich ist größer als er.“ Fels der Kirche wird ein wackliger Fischer. Mit der Gewalt zu binden und zu lösen im Himmel und auf Erden. Ein anderer Fischer wird der Lieblingsjünger des Herrn und der Evangelist, der am weitesten schaut. Zwölf Juden werden die Grundsteine der Kirche: die heiligen Apostel. Johannes ist immer außen vor. Die, die nie ganz dabei sind, die letztlich nicht zählen: Auch die gibt es in der Kirche. Wie es im Alten Bund Mose gab, den großen Führer, der nicht mit durfte hinein ins Heilige Land; der an der Grenze sterben musste. Es gibt Existenzen am Rand. Männer und Frauen, die nur die Vorhut sind oder die Nachhut in der großen Schlacht Gottes. Der Vorläufer: kein schöner Titel, eigentlich. Der Vorläufer, das Vorläufige… Er ahnt etwas Richtiges, aber die Vollendung bleibt aus; das Maß gibt ein anderer. Kann es sein, dass das Fest des Täufers uns einen Platz zuweist, den wir uns nicht wünschen? Können Sie damit umgehen, nicht entscheidend zu sein? Es ist schwer, nicht wahr? Die Wahl des Patrons ist auch die Wahl des Platzes in der Kirche. Dieses Fest zu feiern, bedeutet, die Wahl der Vorfahren zu bestätigen. Wir wählen den Vorläufer. Einen Mann, der stark ist und dennoch von sich sagt: Ich bin nicht wichtig. Sein Leben zeigt, dass das keine Floskel ist. Aber mein Leben? Ihr Leben? „Ich bin nicht wichtig.“ Das wird nicht wahr, wenn man es einmal im Jahr, am Feiertag sagt. Das muss man immer wieder sagen, leise, zu sich selbst, laut, vor den anderen. Damit sie einen daran erinnern: Du hast es selbst gesagt, – also tritt zur Seite! „Illusionen“, das ist ein schönerer Name für Lebenslügen. Die Betrachtung der Geschichte nimmt uns die Illusionen über die Kirche, über den Orden und über uns. Wer brach damals, vor 900 Jahren auf ins Heilige Land? Ganz Fromme und gar nicht Fromme. Vornehme und Abenteurer. Arme, die endlich reich werden wollten. Und Reiche, die bereit waren, arm zu werden wie Johannes. Und alle waren sie Ritter. Durchwachsen wie die Kirche durchwachsen ist. Die Edlen unter ihnen trafen auf die raue Wirklichkeit; die Haudegen trafen auf den Herrn, der demütig ist und sanft. Auf die Kranken. Alle zusammen trafen sie auf den Täufer. Ihn wählen sie zum Patron, wohl eher nebenher, ohne viel zu überlegen. Aber genau das, was wir nebenher tun, holt uns ein. Das Zufällige wird der Auftrag. Und so, mit diesem Patron, stehen die Ritter nun in der Kirche, seit damals. Die Kirche: Die Apostel streiten, wer von ihnen der größte sei. Martha steht gegen Maria. Paulus gegen Petrus. Die Priester gegen die Laien. Früher hat man viel geschrieben über die Ordnung der Kirche. Wer hat den höchsten Rang, welcher ist der vornehmste Orden? Das hat man wirklich diskutiert! Man kann nach Macht und Sichtbarkeit ordnen und sich vor den Bischöfen verbeugen. Man kann nach Alter ordnen, nach Gelehrsamkeit oder nach Strenge der Regel. Die Benediktiner sind die nobelsten, die Dominikaner die gescheitesten, die Franziskaner die ärmsten; die Jesuiten sind eh die besten, weil sie checken, wie es läuft. Und die Pfarrer finden, sie machen die Drecksarbeit, während die Ordensleute nur ihre Roben tragen… Und die Frauen beobachten das Männergezänk – und empören sich. Die Zeiten, wo sie nur still zu dienen hatten, von vornherein am letzten Platz, sind vorbei. Nun stehen auch noch Frauen gegen Männer in der Kirche. Wer ist der Beste? – Dieser dumme Streit kann zum Segen werden. Vorausgesetzt, man stellt ihn auf den Kopf. Dann geht es mit einem Mal nicht mehr um die Frage: Wer sind die vornehmsten, sondern um die ganz andere Frage: Kann ich zurücktreten? Kann ich Johannes? Zurücktreten, ganz ruhig, kann der, der weiß, dass er hat, was er braucht. Jeder hier hat die Gnade bekommt, die ihn retten kann (was er daraus macht, ist etwas anderes). Jeder hat, was er zum Heil braucht. Aber alle wollen mehr, anderes. Gesundheit, Frieden, Ansehen, nicht die heilsnotwendige Gnade, sondern besondere Gnaden. Die, die auffallen und auszeichnen vor den anderen: Wunder, Begabungen, Spektakel. „Nur eines erbitte ich vom Herrn: im Haus des Herrn zu wohnen alle Tage meines Lebens“, heißt es in der Schrift. „Nur eines erbitte ich vom Herrn…“ Ja, was wäre das, das Eine, das Sie erbitten? Wäre es die Heiligkeit? Warum ist heilig keine reale Option für Sie? Warum dient die Heiligenverehrung dazu, die Verantwortung für die eigene Seele auszulagern? Reicht ja, wenn Johannes heilig ist und Antonius und Therese, dann müssen wir nicht heilig werden… Und so geht der Kampf nur noch um Manieren und Hilfswerke, aber der große Kampf um die Seele bleibt ungekämpft. Wird schon gut gehen… Johannes ist der Vorläufer. Er akzeptiert das. Dieser Mann ist das Nicht-mehr-scheinen-als-sein in Vollendung. Sein Weg ist hart. Johannes wird nicht belohnt, nicht in dieser Welt. Am Ende ist er ein Gescheiterter. Unser Patron. An dem man lernen kann, in der Reihe zu stehen, statt herauszuragen; sich zu bescheiden; zu akzeptieren, dass man nicht der Beste ist noch sein wird; dass man vergessen werden wird. Wir feiern den Patron unseres Ordens, dieser Kirche – und lassen ihn dennoch stehen. Dieses Fest ist ein Gruß und ein Abschied zugleich. Johannes ist nur der Vorläufer. Nach ihm kommt ein ganz anderer. Unsere Bedeutung kommt von ihm. Allein von ihm. Von Christus. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.