Fronleichnam 2019
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Die Frau, die damals am Fronleichnamstag in Mailberg einen Stein aufhob und nach dem Allerheiligsten warf, sie hatte Recht. In dem Sinn, dass sie verstanden hatte: Das ist das Heilige. Nach einem Stück Brot wirft man keinen Stein. Ob es die Wut der Sünder war oder die Reaktion einer Gekränkten (denn die Kirche hat gekränkt!) oder bloß freche Dummheit, ist letztlich gleich. Heilig oder nicht heilig: Darum geht es. Ist das Brot? Ein „Jesus-Keks“, wie neulich ein schicker Fernsehmoderator sagte? Oder ist das ER, Christus? Das ist die Grundfrage an Fronleichnam. Man kann all diesen (fast verrückten) Aufwand treiben aus Folklore, als Brauchtum, der Gemeinschaft wegen, aus Augenlust und Sinnenfreude, – aber das alles wird nicht weit tragen und nicht tief gehen. Was wird sein, wenn der Priester, der alle antreibt (und nervt) einmal nicht mehr ist? Was, wenn die Gegner nicht mehr träge daheimbleiben, sondern aufstehen, verbieten und Steine werfen? Fronleichnam ist nicht nur das Fest schönen Brauchtums, sondern auch das Fest großer Märtyrer. Der hl. Tarcis z. B. Ein Junge in Rom, der die Kommunion zu einem Kranken bringen sollte. Die Halbstarken auf der Straße bemerkten, dass er etwas Kostbares verbarg und wollten es ihm wegnehmen. Er gab das Allerheiligste, die Hostie nicht heraus, – da schlugen sie ihn tot. Tarcis ist der Patron der Ministranten. Oder die sechzehn Ordensfrauen in der Nähe von Paris, die täglich zur Messe gingen, obwohl das zur Zeit der Französischen Revolution lebensgefährlich war. Sie konnten nicht auf die hl. Kommunion verzichten. Jesus aber hatte die Kommunion an die Messe gebunden und die Messe an die geweihten Priester. Unverständlicher, unerhörter, anbetungswürdiger Wille des Herrn! – Die Frauen wurden festgenommen. Auf dem Weg zum Schafott sangen sie das Salve Regina, immer weiter, mit immer weniger Stimmen, bis auch der Kopf der letzten Nonne abgeschlagen war. Die Menge, die zum Gaffen gekommen war, wurde ganz still… Also ein Fest des Glaubens. Er ist da. – Ich glaube! Die ersten, die den Glauben verraten oder aufs Spiel setzen, sind die Priester selbst, die ohne Ehrfurcht, eilig die Messe feiern, plaudern, obgleich das Heilige in der Nähe ist. Sie sind ansteckend wie früher die Pest. Wer verteidigt den Glauben? Ich setze (und weiß selbst nicht recht wie) meine Hoffnung auf die Kinder. Vielleicht ist da eines Tages ein Kind oder zwei oder drei, die ganz von selbst kommen und still vor der Monstranz knien und Jesus anbeten. Oder Erwachsene, die wie Kinder werden können. „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder…“ Erwachsene, die ihre lang gewohnten Vorurteile lassen; die einfach werden und sich erinnern an das gläubige Kind in ihnen, an die Kinder der Geschichte, die in ihnen weiterleben. Wie jenes Kind, das mit seiner Schwester auf einem hohen Balkon steht und hinunterschaut auf die menschenleere Gasse. Oben, ganz am Ende wird sie hell von der Morgensonne. Die Kinder warten auf etwas. Plötzlich stößt der Junge das Mädchen an und ruft: „Sie kommen! Sie kommen!“ Da sieht man die Prozession ums Eck biegen. Es ist „Gott-Fest“, Fête-Dieu, wie die Franzosen sagen. „Umgang“ sagen Sie hier. „Corpus Domini“, „Leib des Herrn“ die Italiener (wir Katholiken haben ein Leib-Fest!). Gleich kommt der Himmel, der aller Heiligste schützt; er wird nicht anhalten, nicht warten. Er wird vorüberziehen, langsam, feierlich. Jetzt! Die Kinder werfen Blumen vom Balkon, mit vollen Händen; gesammelt wie Kinder sind, wenn sie spielen. Da hält der Junge in der Bewegung inne und flüstert der Hostie drunten zu: „Nimm mich!“ Er sagt es Jesus. Er sagt, was ein Kind nicht sagt; was kaum ein Mann seiner Frau sagt. Und was dennoch das Einzige ist, letztlich, das hier zu sagen ist: „Nimm mich, Herr und lass mich nicht mehr los, denn ohne dich gehe ich verloren.“ Hier wird Fronleichnam endlich Glaube. „Herr, ich bin nicht würdig… aber sprich nur ein Wort, und meine Seele wird gesund.“ Nur ein Wort. Welches? Der Herr zieht nicht einfach vorüber. Es ist, wie wenn er stehen bliebe, vor jedem einzelnen hier und ihm sagte: „Du!“ Werden Sie ihn hören? Ihn ansehen? Was werden Sie ihm antworten? Sie, die Männer? Sie, die Frauen? Es gibt nur eine Antwort, früher oder später. „Du, Herr?“ Der Glaube des Fronleichnamsfestes, das sind zwei, die sich ansehen. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.