Montag der Zweiten Fastenwoche, 18. März 2019
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Ende der Illusionen. Reue. Und dann? Die Lesung sagt nicht, wie es weiter geht. Wie wird Gott reagieren auf die Reue der Menschen? Keine Antwort. Es ist seine Sache. Die Antwort kommt erst später. Jesus gibt sie: „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!“ Zwischen der Lesung und dem Evangelium kann viel Zeit stehen. Die Zeit gehört Gott, nicht uns. Irgendwann im Leben wird jeder schuldig. Dennoch fragen die meisten: „Schuld? Ich soll schuldig sein? Da ist Schwäche, aber keine Schuld!“ Da sind so viele gute Gründe: „mein Charakter, meine Geschichte, das Verhalten der anderen…“ Da sind so viele Argumente. „Das ist doch nicht wirklich schlimm. Echte Schuld ist da nicht. Ich habe nur Fehler gemacht.“ Ich bin der Meinung: So argumentieren Kinder. Ein souveräner, erwachsener Mensch nicht. Er weiß um seine Verantwortung. Und um seine Würde. Er kann sagen: „Ich bin schuldig.“ „Ich – nicht die anderen.“ Es gibt den Punkt, wo es nicht mehr um die anderen geht. Nicht darum, ob sie Mitschuld haben. Ob sie ’s auch tun. Nicht darum, dass es, wenn ich ’s nicht tue, ein anderer tut. Oder darum, dass es ja niemanden stört, was da geschieht. Es geht um meine Schuld. Der Schuldige stellt sich seiner Tat. Allein. Das ist der Anfang. Die Schuld erkennen, ohne Drumherum. Alle Argumente, vor allem die zu unseren Gunsten, sind immer erst das Zweite. Das Erste ist: Ich war es. Ich habe dir ein Leid getan. So, allein, tritt der Schuldige vor den anderen hin. Aber die meisten interessieren sich gar nicht für den anderen. „Ja, stimmt, das war nicht gut. Da war ich nicht gut. Obwohl ich mir ’s doch vorgenommen hatte, mich zu bessern. Ich muss immer wieder das Gleiche beichten. Mit tut es leid.“ Achten Sie auf die Sprache: Ich, ich, ich… Das ist nicht Reue, sondern Ärger über sich selbst. Gekränkte Eitelkeit. Ich wäre gern tadellos, habe es aber wieder nicht geschafft. Wer sich über sich selbst ärgert, bleibt bei sich. Liebe aber führt zum anderen hin. Reue gehört mit Liebe zusammen. Ohne Liebe ist die Reue nichts als Eitelkeit. Daniel spricht die Schuld an. Aussprechen ist wichtig. Bekennen. Der Schuldige hört sich selbst, der andere kann es hören. Die Schuld wird so der Öffentlichkeit übergeben, sie wird aus meiner Verfügungsgewalt entlassen. Die Illusion ist beendet, die Schuld ginge nur mich etwas an. Die Illusion, ich könne Herr der Lage bleiben, findet ein Ende. Wer an anderen schuldig geworden ist, muss auch vor die anderen hintreten. Der Priester im Beichtstuhl vertritt die anderen. In der Reue geht es um den, dem ich etwas angetan habe. Mein Schmerz gilt ihm, nicht mir. Weg von mir! Hin zum anderen! Das ist die Grundbewegung der Reue. Das ist Umkehr, buchstäblich. Schuld bedeutet immer: „Ich! Um mich geht es, um meine Interessen, meinen Besitz, mein Wohlfühlen, meine Macht!“ – Reue kehrt das um: „Du!“ Die Lesung aus dem Propheten Daniel schildert Menschen, die Bestandsaufnahme machen, Bilanz ziehen, mit Illusionen aufräumen, bekennen, sich dem anderen – Gott – zuwenden. Von der Antwort des anderen ist keine Rede. Die Lesung bietet keine Auflösung an. Am Ende ist nicht alles wieder gut. Der andere entscheidet, wann und wie. Unser Bekenntnis und unsere Reue geben uns kein Recht auf Antwort jetzt! Es gibt kein Recht auf Vergebung. Dann ginge es ja nur wieder um uns. Der Gekränkte entscheidet, ob und wie und wann er auf uns eingeht. Wir wissen, dass Gott lieber vergibt als bestraft, dass er dem Verlorenen entgegengeht. Aber es bleibt seine Sache. Versöhnung misst sich nicht am guten Gefühl oder an der wiederhergestellten Sympathie, sondern am neuen Handeln. Die Beichte ist schön, wenn man sich nachher gut fühlt, – aber darum geht es nicht. Die Beichte ist ein Schritt auf den anderen zu. Ihm soll es gut gehen durch die Versöhnung. Für uns, die Schuldigen, bedeute Beichte nicht Wohlgefühl, sondern Umkehr. Beichte bedeutet: Die Abhängigkeit vom anderen wieder leben. Neue Beziehung. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.