Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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32. Sonntag im Jahreskreis (B), 11. November 2018 – Der Moment –

11/11/2018 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Als am 28. Juni 1914 die Nachricht von der Ermordung des Erzherzog-Thronfolgers und seiner Gemahlin in Wien eintraf, da blieb die Stadt nicht stehen; es wurde nicht still. In den Caféhäusern wurde weiter bestellt und das Bestellte gebracht. Ob die jungen Ober, ob viele der Gäste ahnten, dass da die Nachricht ihres eigenen Todes gekommen war? Die meisten von ihnen überlebten die nächsten vier Jahre nicht.

Wir wissen es alle: Es gibt ihn, den einen Moment. Der alles sagt, der entscheidet.

Es gibt die Momente, die so schön sind, dass wir sie ein Leben lang immer wieder zu uns holen möchten. Doch das geht nicht. Sie sind fort. Sie waren nur einmal. Es gibt die Momente, deren Schrecken uns in Eisen legt, so fest und hart, dass wir in ihrem Griff vergessen, wer wir sind. So schön – und fort. So schrecklich – und immer da. Ist das der Grund dafür, dass wir am liebsten nicht mehr denken möchten, nicht bemerken? Dass wir hinüberdämmern in immer neue Tage, die sich alle gleichen? Dass wir laufen und wursteln? Dass Wachheit weh tut und Entscheidungen uns zu fesseln scheinen? Wollen deshalb so viele Menschen einfach treiben wie schlafend: weil da der eine Moment ist?

Jeder Gottesdienst hat auch etwas Schmerzhaftes. Jede Messe ruft: Wach auf! Es ist anders, als du immer gedacht hast! Stelle dich dem Tag! Geh ans Werk! – Alle die Texte, die die Lektoren vortragen, wollen das Gleiche: aufwecken, uns lehren, den Moment zu erkennen. –Eine Lektorin, ein Lektor muss bereit sein, Schmerzen zuzufügen, sich und anderen, Irritationen auszulösen. Wenn einer sich innerlich distanziert von dem, was er vorträgt, ist die Chance verloren und der Auftrag des Momentes nicht angenommen.

Der eine Moment. Für die Witwe aus der ersten Lesung ist es der letzte. „Das wollen wir noch essen und dann sterben.“ Das letzte Mal. – Im Evangelium eine andere Witwe. Sie setzt in einem einzigen Moment alles aufs Spiel: „Sie aber, die nur das Nötigste zum Leben hatte, opferte alles, was sie besaß.“ Und schließlich der Hebräerbrief. Immer wieder: „ein einziges Mal.“ – „Und wie dem Menschen bestimmt ist, ein einziges Mal zu sterben, und dann das Gericht folgt.“ – „Jetzt aber ist er am Ende der Zeiten ein einziges Mal erschienen, um durch sein Opfer die Sünde zu tilgen.“ – „So wurde auch Christus ein einziges Mal geopfert…“ – „um jetzt für uns vor Gottes Angesicht zu erscheinen.“ Jetzt.

Wir hören das, und uns kommt der Sinn für das, was jetzt geschieht. Für die eine Chance. Für das, was Christus getan hat. Und was das mit uns hier zu tun hat.

Christus wurde „ein einziges Mal geopfert, um die Sünden vieler wegzunehmen.“ Was ist damit gemeint? Der eine Moment am Kreuz. Der Moment, in dem Jesus sein Leben verschenkt, an seinen Vater. Der Moment, in dem dieser Vater sieht: Da ist einer, ein einziger!, der wirklich liebt. Da erfasst die Liebe zwischen Gott und diesem einen Menschen die ganze Schöpfung – und rettet sie. Das ist der Moment, der ausreicht, um eine ganze Welt zu erlösen. Alles läuft auf diesen einen Moment hin. Die ganze Geschichte Israels, das Ja Marias, jeder Weg Jesu, jedes Wort, jede seiner Taten, der Abend des Letzen Mahles, der Weg hinauf zum Kreuz… wie wenn alles immer drängender würde, immer fragloser, immer absoluter, wie wenn das Universum den Atem anhielte… JETZT. Versöhnung! Friede.

Verglichen mit diesem Moment ist der Urknall ein Windchen. Denn in diesem einem Moment am Kreuz wird weggenommen „die Sünde der Welt“.

Und wir? Jede Messe setzt diesen einen Moment gegenwärtig. Der Moment der Wandlung ist der Moment, genau der Moment, in dem Jesus stirbt. Hier, in dieser Kirche, voller Liebe. Und voller Macht. Es gibt in Wahrheit nur eine einzige Messe: die am Kreuz. Geht Ihnen jetzt auf, was die Messen bedeuten, die Sie mitfeiern? Sie sind dabei.

Vielleicht ist wirklich vieles von dem, was wir tun und reden und erleben ohne Belang. Vielleicht ist wirklich vieles sinnlos, kann so sein oder auch so. Sicher gibt es Dinge, die wir wieder und wieder tun können oder müssen. Aber manches ist nur ein einziges Mal (Vater werden, das erste Verbrechen, der Fall Konstantinopels). Diese Momente bleiben. Viele Augenblicke des Ehebruchs können den einen Moment der Ehe nicht aufheben. Ein gesagtes Wort bleibt gesagt für immer. Diesen Wein kann ich nur einmal trinken, dieses Lied nur jetzt singen. Christus kann sich nur einmal opfern. Denn was er da tut, ist vollkommen; es reicht für alle, nichts fehlt. Ein einziger Moment, der alles umkehrt.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

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