Fest des Hl. Josaphat Kunzewitsch, 12. November 2018
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Ich will weg von euch. Ich will weg von hier. Ich will zu euch. Dort will ich hin. Und sie wollen dich nicht gehen lassen und dort wollen sie dich nicht aufnehmen. Mitten in die Ruhe derer, die finden, alles sei gut – weil es doch immer so war – mitten in die Ruhe hinein ruft einer: Ich muss weg! Nicht hier ist es gut, sondern dort. Das ist die Geschichte des hl. Josaphat Kunzewitsch, der aufwuchs in der orthodoxen Kirche der Ukraine und endete als katholischer Erzbischof. Sein Fest ist ein Fest der Einheit – Sie merken es an den Lesungen – und erzählt doch von einem Bruch. Es ist das Fest einer Ankunft, aber auch das Fest eines Abschieds. Es spricht von der Herrlichkeit Christi – „Sie sollen meine Herrlichkeit sehen“, betet Jesus –, aber diese Herrlichkeit wird beleuchtet von einem Mord. Am 12. November 1623 wurde der Erzbischof von Polozk mit Äxten in Stücke gehauen. Von Christen. Orthodoxe Christen töten katholische Christen. Muslime in Pakistan sind wild entschlossen, eine Christin zu töten. Männer, die an Gott glauben, wollen eine Frau hinrichten, die an Gott glaubt. Die Menschen sollen die Religion achten und lieben? Warum sollten sie das? Das heutige Fest würde diese Frage stellen, – wenn sie die Zeitungen nicht sowieso schon täglich stellen würden: Warum sollten die Leute die Religion lieben? Josaphat wurde umgebracht, weil er für die Einheit mit dem Papst in Rom stand. 1643 wurde er seliggesprochen, 1867 heilig: als Märtyrer der Einheit. Klingt schön. Schöner als es in Wirklichkeit ist. In Wirklichkeit sind da die Konflikte der Kirche, die Schuld der Christen, Fragen, die wir nicht hören wollen. Die Frage vom Unterschied. Gibt es einen Unterschied zwischen gut und schlecht? Mehr oder minder? Wahr oder falsch? Gibt es irgendwo die Fülle und woanders den Mangel? Wir hoffen, da sei Einheit; die Leute behaupten Gleichheit: Alle Religionen verehrten doch einen Gott, alle verteidigen die Würde des Menschen. Zwischen Protestanten, Reformierten, Orthodoxen und Katholiken ist doch kein großer Unterschied. Nur Kleinigkeiten, nur Gewohnheiten, nur Kultur und menschliche Schwächen halten die große Einheit auf: So der Konsens. Und da begegnen wir dem hl. Josaphat. Wir begegnen Einheit und Brüchen, Frieden und Gewalt. Wir begegnen dieser Welt. Wenn alles gleich gut ist, wenn es die Kategorien von Wahr und Falsch gar nicht gibt, wenn in allen Konfessionen die gleiche Fülle ist, wenn alle gleich nah an Christus sind, dann waren die Sehnsucht und das Opfer dieses Heiligen ein Irrtum. Dann hätte er bei denen bleiben können, statt zu den anderen zu ziehen. Dann gibt es keinen Abschied und keine Ankunft und kein Problem. Mag schon sein, dass mein Charakter mich dafür disponiert, eher das Problem zu sehen als die Lösung. Ganz sicher ist es Ihr gutes Recht, es friedlicher anzugehen. Doch der Unterschied zwischen uns hebt die Fragen nicht einfach auf. Also frage ich: Wenn die Ökumene wirklich ein Anliegen ist, warum fangen sie dann nicht damit an, das Geld der Kirchen zusammenzulegen? Protestanten und Katholiken haben alles gemeinsam. Solange diese Idee allen nur absurd erscheint, die Idee aber völlig richtig, dass einer, der das Amt des Priestertums ablehnt, die Verehrung und die Fürbitte der Heiligen ablehnt, das Gebet für die Toten ablehnt, das Papsttum ablehnt, die wirkliche, dauerhafte Gegenwart Jesu in der Eucharistie ablehnt, dass so einer also die Kommunion mit uns zusammen empfangen solle, solange werde ich sagen: Da ist ein Problem. Und solange werde ich lehren: die heilige Kirche, der geheimnisvolle Leib Christi ist nicht identisch mit der römisch-katholischen Kirche. Schon deswegen nicht, weil die Menschen in ihr sündigen. Die heilige Kirche ist mehr als die römisch-katholische Kirche. Aber in der Ordnung des Sichtbaren, in dieser Welt ist die Kirche mit dem Papst und den Bischöfen der Fülle am nächsten. Deswegen war der Weg des hl. Josaphat richtig. Den ersten Platz in meinem Weltbild hat das Unsichtbare. Nur dort ist das Absolute. Alles andere: Politik, Wirtschaft, Strukturen ist relativ, ist das, was vergeht. Das Eigentliche, das Wahre ist woanders. Dieses leuchtende Woanders lässt uns diese Welt hier ertragen. In dieser Welt, die das Relative absolut setzt und das Absolute relativiert, in dieser Welt sind wir allein. Und wissen: Die Kirche ist ewig. Und neu. In einer alten Welt war der hl. Josaphat neu. „So sollen wir alle zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, damit wir zum vollkommenen Menschen werden und Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen.“ Wie sollen wir die schönen Ideen unseres Glaubens verbinden mit der schaurigen Realität des Christentums? Vor dieser Frage bleibt Ratlosigkeit. Wir verstehen nicht, auf welchen Wegen Gott seine Kirche führt. Aber wir ahnen: Gott handelt in Menschenleben. In der Liturgie und der Spiritualität blieb Josaphat ganz ostkirchlich. Aber da kam hinzu die Sehnsucht nach der Einheit mit Rom. Eine Art Instinkt der Wahrheit, der über alles Fremde und Empörende in der Kirche hinwegträgt. Wir hier beschäftigen uns in der Kirche mit Struktur-Problemen und hoffen auf geschickte Kompromisse, Traditionen, Absprachen, gemeinsame Interessen. Und dann kommt ein Festtag wie der des hl. Josaphat, der uns Heiligkeit und Einheit zeigt. Heiligkeit ist nicht unrealistisch. Christus „in seiner vollendeten Gestalt darstellen“ ist ein Ziel. Der Weg dahin ist schlicht: „Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe, und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren.“ Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.