Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Dienstag der 19. Woche im Jahreskreis (gehalten Montag, 13. August 2018)

13/08/2018 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Mögen Sie Mutproben? Ich nicht. Die allerfrüheste Mutprobe, an die ich mich erinnere, war: „Mund auf, Augen zu!“ Bei dieser Parole war ich sofort in einem ganzen Wirrwarr aus Gefühlen: Aufregung, Lust auf etwas Gutes (was damals hieß: möglichst Süßes), Spannung, Wagnis, Risiko, ein wenig Schiss. Und, damals noch, Vertrauen. Heute, nachdem die Welt mich schon viele Jahre in der Kur hatte, würde ich keinem mehr trauen, der mir sagt „Mund auf, Augen zu!“ Das Vertrauen nimmt ja nicht zu, wenn man älter wird. Man ist doch erwachsen, und das bedeutet: ein Wesen auf der Hut. Wir sind so vorsichtig, wir Erwachsene. Sogar mit Gott.

Kinder sind anders. Kinder sind zuerst einmal tollkühn. Sie vertrauen ihren Eltern und Schäferhunden und Fahrrädern. Ängstlich werden sie erst, wenn die Erwachsenen lange genug auf sie eingeredet haben, mit panischer Miene.

„Amen, das sage ich euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen.“ Das sagt Jesus. Auf der Rangliste der nicht ernst genommenen Worte Jesu steht dieses weit oben. – 2000 Jahre Evangelium, Milliarden von so genannten Gläubigen, ein christliches Abendland, und doch nimmt nur eine Minderheit wirklich ernst, was Jesus sagt. Ist das nicht seltsam? Aber so fragt ja nur ein Kind. Erwachsene sagen: Wo kämen wir denn hin, wenn man wörtlich nähme, was Jesus sagt? Und damit ist der Fall für die Erwachsenen erledigt; sie leben ihr Leben einfach weiter. Ein Kind hört, geht Sandkuchen backen und denkt dabei nach über das, was der Mann gesagt hat. Wie meint Jesus das?

Werden wie die Kinder… Klein werden wir nicht mehr, wachsen werden wir nicht mehr, lernen müssen wir nichts mehr, wir Erwachsene. Allenfalls noch Italienisch für den Urlaub. So meinen es jedenfalls viele Erwachsene, Männer vor allem, die mit spätestens mit 40 zu vollendeten Kreaturen herangereift sind.

Kinder aber sind klein, sie wachsen noch, sie lernen ständig dazu. Kinder sind abhängig; sie brauchen die Großen, die sie beschützen, ernähren, leiten. Wir Erwachsene fänden es toll, niemanden zu brauchen. Das ist geradezu unser Ideal. Kinder finden es normal.

Kinder lieben. Ihre Eltern meistens; ihr Stofftier immer, bedingungslos. Kinder finden Liebe nicht peinlich. Wir Erwachsene schon eher. Kinder werden nicht beachtet. Also, nicht wirklich. Selbst das entzückendste Kind verliert seine Macht, wenn die Eltern die Scheidung verhandeln. Dann hat ein Kind nichts mehr zu sagen. Kinder sind wagemutig. Das Kind – das jedenfalls, das vertraut – traut sich alles. Kinder stellen Fragen. Kinder kennen Einsamkeit; sie brauchen Trost; sie brauchen Nähe. Kinder haben ganz verrückte Wertvorstellungen. Ein kleiner Laubfrosch ist viel kostbarer als das 80.000-€-Auto des Vaters. Für Engel der Nächstenliebe halte ich Kinder nicht. Die müssen sie lernen von uns.

Diese kurze Zusammenstellung reicht und Sie merken: Wenn wir ein wenig umdächten, hätte das alles durchaus Platz in unserem Erwachsenen-Leben. Wir könnten es einfach akzeptieren, wenn jemand uns nicht beachtet oder nicht ernst nimmt. Wir könnten damit leben, dass wir andere brauchen. Es sogar gut finden. Wir könnten viel unbekümmerter lieben als wir es vielleicht tun. Wir könnten Trost brauchen und spielen mit den Werten. Wir könnten tolle Dinge wagen, nicht aus Blödsinn, sondern weil wir uns erinnern, dass da ein Grund ist, dem Leben zu vertrauen.

Auf den ersten Blick hat das Evangelium mit der Lesung nichts zu tun, das Kind nichts mit dem Propheten. Aber dann: Wird hier vom Propheten nicht genau das Vertrauen des Kindes verlangt? „Sei nicht widerspenstig… Öffne deinen Mund und iss, was ich dir gebe.“ – „Mund auf, Augen zu“, erinnern Sie sich? Und dann muss der Prophet Papier essen. Sie werden zugeben: Ein Kind würde sich das eher trauen als wir. Und siehe da: „Ich aß es, und es wurde in meinem Mund süß wie Honig.“ Der Mensch hat vertraut, er hat etwas gewagt – und es ging gut.

Der Prophet hat sich (und darum geht es hier) das Wort Gottes angeeignet im buchstäblichsten Sinn. Der Prophet ist der, der sich vom Wort Gottes ernährt; der von ihm lebt; der die Distanz überwunden hat, die andere aufbauen und erhalten mit ihrer Kritik, ihrem Zweifel und ihrer Trägheit.

Und Sie? Denken Sie: ein Prophet? Im Alten Testament? Im 6. Jahrhundert vor Christus? Was soll mir das? Ich verstehe, dass Sie zuerst so denken. Aber dann muss ich Sie daran erinnern, dass Sie in Ihrer Taufe zu Propheten und Prophetinnen gesalbt wurden. „Geh und sprich mit meinen Worten zu ihnen!“ Sie müssen reden. Sie müssen von Gott reden. Sie müssen sich trauen.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

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