Erster Adventsonntag (B), 2./3. Dezember 2017
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Hl. Geistes Wie still es wäre, mit einem Mal, wenn alle nichts täten. Einfach nichts. Nur atmen, nur spüren, wie das Herz schlägt. In den Tagen bis zum Fest wird man uns mitteilen: Dann und dann ist Weihnachtsfeier im Büro. Und dann in der Schule. Und dann im Verein. Es wird uns gesagt werden: Geh einkaufen! Rufe Mutter an! Koche, verpacke, backe, verschicke, schreibe, rede, höre einmal zu! Mach! Tue! Und in diesen Wirbel mischen sich noch die Kirchenleute. Sie sagen: Du machst es falsch; du musst das anders machen mit dem Advent. Du musst den Armen was spenden, mal was mit den Kindern machen, deine alten Verwandte besuchen, mehr beten, Adventkonzert hören… Ich sage Ihnen etwas anderes: Tun Sie einfach nichts. Die Kirche manövriert sich alle Jahre neu in ein Dilemma. Sie will dazu gehören zum Leben der Menschen – und es dennoch anders machen. Sie versucht jedes Jahr, ein Gegen-Programm zum Vorweihnachtsrummel anzubieten. „Besinnlichkeit“ oder so. Wissen Sie, wie lästig das ist, wenn man ständig etwas anpreisen muss, was keiner wirklich haben möchte? Als hätten wir Truthahn zu verkaufen, der nahe am Verfallsdatum ist. Ich denke immer öfter: Das ist der falsche Weg. Nichts tun, das wäre etwas Neues. Übrigens, gleich hier: Fernsehen und Chips mampfen ist nicht nichts tun. Zocken auch nicht. Tun Sie nichts, immer wieder in diesen drei Wochen. Stehen Sie am Fenster und schauen hinaus. Sitzen Sie da. Nicht vor dem Fernseher oder dem Rechner, sitzen Sie einfach da. Stehen Sie in der Schlange, warten Sie im Stau, sitzen Sie in der langweiligen Messe, schauen Sie in den Postkasten, Tag und Tag. Warten Sie. Die Momente, die die meisten gerne wegwerfen würden, sind Gnadenmomente. Glauben Sie wirklich, Gott liebt uns nur dann, wenn wir etwas tun? Glauben Sie denn, Gott selbst ist emsig, ständig am Bewirken, Leiten, Ordnen, Schaffen? Gott ist selig in sich selbst, sagen die Heiligen. Was sind Sie für ein Mensch? Immer tätig? Oder einer, der manchmal einfach vor sich hinschaut? Der nichts tut. Was tun Sie am Hochstand? Grübeln? Planen? Und in schlaflosen Nächten? Sich ärgern, sich sorgen? Große, dramatische Zusammenbrüche sind selten. Meistens geht das Leben vor sich und dahin, und die Menschen hadern still damit, dass die Zeit vorbei ist, immer weniger wird. Manche werden dann nervös und proben den Ausbruch. Klassisch: die junge Geliebte, das fette Auto, soziales Gewerkel… Ist das wirklich die Lösung? Unsere Welt ist ausgerichtet auf Output: Projekte und Ergebnisse, Abhaken von Zielen. Und irgendwann beschleicht Dich das Gefühl: Alles austauschbar, alles sinnlose Wiederholung des immer Gleichen. Die Erfüllung unserer Wünsche macht genauso unglücklich wie die Nicht-Erfüllung. Die Leute sind verzweifelt. Alles ist abgegriffen: „Wie ein schmutziges Kleid ist unsere Barmherzigkeit“, heißt es in der Lesung. Sie sind matt, lethargisch: „Keiner rafft sich auf“, sagt der Prophet. Sie sind „wie Laub“, das welkt und das „der Wind“ fort trägt. Aber es gibt eine Lösung, eine adventliche sogar: Dinge tun, die kein Ergebnis brauchen. Wir sind doch mehr als das, was wir erledigen! Wir kommen von Gott, und Gott ist nicht der große Erlediger, sondern der Seiende. Gott ist. Wie ein Spaziergang im Schnee. Hören Sie Musik, – aber ohne zu prüfen, ob sie gut gespielt ist. Schauen Sie ein Bild an, – aber ohne zu fragen, was es kostet und ob es Ihnen gefällt. Sitzen Sie einfach in Ihrer Kirche. Seien Sie mit Ihren Freunden – ohne durchgeplante Zeit. Beten Sie. Beten heißt: Da sein und Gedanken wegschicken. Nichts mehr tun. Irgendwas tun, das können alle. Nichts: Das ist schwierig. Aber wovor haben Sie Angst? Nichts tun: So lernen Sie zu warten. Was tut der, der wartet? Nichts. Die Menschen im Evangelium tun nichts; sie warten (Maria, die zehn Jungfrauen, die Jünger und Jüngerinnen vor Pfingsten). Es ist ein großer Unterschied, ob man im Leben steht und sagt: Es kommt nichts mehr! Oder ob man fühlt: Da wird noch etwas kommen! Advent bedeutet Zukunft. Nahe Zukunft. Mein Leben ist noch nicht zu Ende und die Geschichte der Welt auch nicht. Es wird nicht alles bleiben, wie es ist. Wer Jesus in eine ferne Zukunft verlegt, überlässt die Welt von heute sich selbst. Er rechnet nicht mehr damit, die Gegenwart verändern zu können. Er resigniert. Er verwaltet. Das, was heute Notwendig ist, kann nur getan werden, wenn man mit der Zukunft rechnet. Liebe geht nicht ohne Hoffnung. Nur wer hofft, kann sich einsetzen. Der Anfang der Hoffnung aber ist im Warten. Und Warten ist zuerst einmal: nichts tun. Wer wartet, der hat Hoffnung, nicht wahr? Er hebt die Augen: „Ad te levavi animam meam.“ Er ist aufgeregt: „Benedictus qui venit…!“ Wer wartet, ist ausgerichtet auf den, den der kommen wird. Wer ist das? Wen erwarten Sie? Nichts tun. Warten. Und plötzlich geschieht etwas. Etwas, das dich verändert. Etwas, das du nie mehr vergessen wirst. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.