Fest der Bekehrung des Apostels Paulus, 25. Jänner 2016, Malteserkirche
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes
„Er stürzte zu Boden.“ – „Die Bekehrung Pauli“: Von dem Ross, das die Maler uns gerne zeigen, ist in der Bibel keine Rede. Aber die Künstler haben etwas Richtiges erfunden: den Sturz von oben tief hinunter. Im entscheidenden Moment ist Paulus oben: Christenjäger von Amts wegen. Ein Mann mit Autorität und Gewalt und festen Überzeugungen. Doch er stürzt – und ist, von einer Sekunde auf die andere, blind, verwirrt, hilflos.
Jedes der Feste der Kirche stellt uns eine Frage. Die heute lautet: Was meinst du, macht Gott mit den Menschen? Was denkst du, wird Gott mit dir machen?
Die meisten meinen: Gott macht gar nichts. Vielleicht beobachtet er uns; vielleicht nicht. Andere sagen, Gott schütze und helfe uns. Wieder andere – oft solche, die das Leben schlägt – meinen zu spüren, dass Gott es ist, der sie schlägt, aus heiterem Himmel und ohne Grund, grausam und unberechenbar. Dann fragen sie: „Wieso ich? Was habe ich getan?“
Was macht Gott mit den Menschen? Die „erhabene Muttergottes und allerseligste Jungfrau Maria“ selbst ist es, die eine klare Antwort gibt: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron, er erhöht die Niedrigen“, singt sie in ihrem prophetischen Lied. Er „stürzt die Mächtigen vom Thron“, das ist wahrlich nicht nur politisch gemeint. Aber auch. Betrachten Sie das Ende der Diktatoren…
Die Prophezeiung der Gottesmutter erfüllt sich auch an Paulus. „Er stürzte zu Boden.“ Eine völlige Wende. Der, der das Judentum rein erhalten wollte, geschlossen in sich, mit Gewalt, der wird zum Apostel der Völker. Der Gott, dem Paulus dienen will, nimmt dessen Dienst nicht an. Aller Eifer umsonst. Alles in Frage gestellt. Ein ganzes Leben, alle Überzeugungen, alle Leistungen, alle Verbindungen. – Spüren Sie das Befremden der anderen ob dieser Bekehrung und die erste Einsamkeit des Gestürzten? Alles wirft Gott in den Dreck in diesem Moment.
Was macht Gott mit den Menschen? Was denkst du, wird Gott mit dir machen?, das war die Frage. Gott gestaltet den Menschen. Gott macht den fanatischen Christenhasser zum Verkünder des Evangeliums Christi. Die Energie des Paulus bleibt erhalten – Paulus wird ja kein anderer Mensch – , aber sie wird verwandelt: vom Bösen ins Gute hinein. Das ist die Chance des Lebens. Denn einen Thron baut sich jeder, im Lauf des Lebens. Des einen Thron ist seine Frömmigkeit, des anderen seine Intelligenz, des dritten seine Herkunft, des vierten sein Geld, des fünften seine Beförderung. Und dann schlägt uns Gott vom Thron. „Er stürzte zu Boden.“
Manchmal reicht der natürliche Lauf der Dinge. Das Alter allein hat allerhand Macht, uns von unserem Thron zu werfen… Manchmal greift Gott massiv, beinahe sichtbar ein. Wie bei Paulus. Das Problem ist: den Moment zu erkennen. Gott handelt nicht immer laut…
Das Ziel Gottes ist immer dasselbe: Verwandlung und Verfügung. Die Anlagen, die wir haben und die uns ins Böse kippen lassen können, diese Anlagen zu heiligen. Da hat einer eine große Fähigkeit zu lieben in sich, zu lieben mit Haut und Haar. Ein solcher kann kippen und zum Wüstling werden. Oder seine Liebe wird geläutert und er wird ein Heiliger der Gottesliebe. Eine andere hat ein Talent zum Organisieren und Führen. Sie kann zur Tyrannin ihres Büros oder ihrer Familie werden – oder zu einem Engel der Armen.
Hier wird klar, wozu es eigentlich eine „Bekehrung“ braucht. Es geht nicht um Selbstoptimierung. Wie werde ich gebildeter, netter, angstfreier, reicher, schöner, fitter… – interessiert Gott nicht! Gott interessiert, was einer für sein Reich tun kann. Die Bitte des Vaterunser „Dein Reich komme“ braucht als Ergänzungsstück meine Erkenntnis: Das, genau das kann ich, genau ich für das Reich Gottes tun. Wozu also Bekehrung? Weil die Richtung, die Richtung des Lebens wichtig ist. Lebensrettend. Für einen selbst und andere. Hätte Gott Paulus nicht vom Thron geschlagen – wie wäre es weiter gegangen? Paulus wäre ein mordender Fanatiker geblieben, ein früher Vorläufer der jungen IS-Mörder von heute.
Und wir? Das Gebet dieses Festtages bringt es auf den Punkt: „Gib uns die Gnade, uns deinem Anruf zu stellen.“
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