Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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26. Sonntag im Jahreskreis (B), 27. September 2015 – Macht und Verantwortung: die Propheten –

06/10/2015 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Mose. Eine der ganz großen Gestalten der Geschichte. Befreier, Führer eines Volkes, Gesetzgeber, Mittler zwischen Gott und Menschen. Ein Berufener. Erfüllt vom Geist Gottes. Ein Prophet. Und so anders als die meisten derer, die Geschichte gemacht haben. Warum anders? Weil er nicht klammert an seiner Macht. Weil er nicht immer noch mehr will.

Der Stelle aus dem Alten Testament, die heute gelesen wurde, geht im Buch Numeri („Buch der Zahlen“) etwas voraus, was Sie unbedingt kennen sollten. Da sagt Mose zu Gott: „Ich kann nicht mehr allein für dieses ganze Volk die Last tragen! Sie drückt mich zu sehr!“

„Ich kann nicht mehr allein die Last tragen!“ – Sie kennen das. „Ich kann nicht mehr allein die Last tragen für diese Ehe (diese Familie, diese Gemeinde, diese Firma)!“ Da geht es um einen Menschen, der Verantwortung für andere hat – und sich überfordert fühlt. Gott erhört ihn: Er wird Mose 70 Männer zur Seite stellen. „Sie werden dann mit dir die Last des Volkes tragen…“ (11,17). Mose klammert also nicht an seiner Macht; er überschätzt sich nicht. Er ist ein Mann, der um Hilfe bitten kann.

Es geht bei alldem um „das Volk“. Übersetzt: um die öffentlichen Dinge, um das Gemeinwesen, die „Politik“. Um die Dinge, um die es auch bei uns in der Pfarre geht: Wie kann es weitergehen? Wer führt? Wer hilft? Wer hält alle zusammen? Wo wollen wir hin? Solche Dinge. Dafür braucht es die 70 Helfer. Wie findet man die? Was brauchen die, die sich für die Gemeinde engagieren wollen? Hier ist die Bibel ganz klar: Wer führen will, braucht den Geist Gottes.

Und jetzt kommt das eigentlich Spannende dieser Lesung. Da war erst Mose. Jahrelang hat er die Aufgabe alleine erfüllt. Dann kommen 70 dazu. Und schließlich ruft Mose: „Mache doch jemand das ganze Volk zu Propheten, dass der Herr seinen Geist auf sie legt!“ Ausweitung also. So wird Kirche.

Das gefällt nicht allen. Die Geschichte berichtet von Widerstand. Josua will nicht dulden, dass die Regeln nicht eingehalten werden. Er verteidigt die alte Ordnung. „Die dürfen, jene dürfen nicht!“ – „Bis hierher und nicht weiter!“ – Mose, der Prophet ist es, der alles weit macht und noch weiten will. Er weiß: Die Ordnung bleibt ja; sie wird nur anders. Mose bleibt der Führer, aber anders als vorher. So ist die Kirche: stabil und in Bewegung.

„Mache doch jemand das ganze Volk des Herrn zu Propheten, dass der Herr seinen Geist auf sie legt!“ Wer ist das Volk des Herrn? Wir. Alle Getauften. Wann hat Gott seinen Geist auf uns gelegt und zwar auf jeden hier? In der Taufe und in der Firmung. Was fehlt jetzt noch? Dass wir das realisieren. Im Sinn von Merken und im Sinne von Umsetzen.

Es geht also um die Frage nach Ihrem Glauben: Glaube ich überhaupt, dass Gott etwas sagt? Noch dazu durch andere Menschen? Glauben Sie, dass Gott ein Ziel hat für diese Welt? Spüren Sie, dass Sie einen Auftrag haben? Glauben Sie, dass Sie Prophet sein sollen oder Prophetin? Haben Sie schon einmal um Glauben gebetet?

Was ist ein Prophet? Ein Zeuge Gottes. Ein Mensch wird erfüllt mit dem Heiligen Geist und redet dann nicht mehr Eigenes, sondern was Gott ihm eingibt. Man kann nicht Gottes Wort reden, wenn man nicht Gottes Geist hat. Man kann nicht Gottes Wort reden, wenn man nicht zuvor gehört hat. Das gilt für einen Vater und eine Mutter genauso wie für einen Pfarrer… Mose konnte seine riesige Aufgabe erfüllen, weil der Geist Gottes in ihm war: Er befreit das Volk; er ist Mittler zwischen Gott und dem Volk. Er ist der erste Prophet. Dann die 70 Männer. Dann noch mehr.

Und heute? Was hätten Propheten heute zu tun? Das Alte Testament gibt uns eine Menge Anhaltspunkte. Propheten und Prophetinnen reden von Gott. Mal zornig, mal zärtlich. Mal handfest, mal in Visionen. Reden Sie von Gott! Propheten reden nicht in eigenem Namen. Sie erkennen, dass sie eine Berufung haben. Elisabeth und Anna sind Prophetinnen, weil sie den Messias erkennen. In der Urkirche gab es immer wieder Propheten. Sie „ermutigten und stärkten ihre Brüder durch ihr Wort“. Propheten sehen mehr als andere. Sie sehen anders. Sie sind die Opposition. Papst Franziskus hat neulich gepredigt: „Ich bitte euch, Revolutionäre zu sein! Schwimmt gegen den Strom! Ich bitte euch, gegen die Resignation zu rebellieren, gegen den Irrtum, wir könnten keine Verantwortung übernehmen und seien unfähig zur Liebe.“

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

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