Vierter Sonntag im Jahreskreis (B), 1. Februar 2015
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes
„Ich wünschte, ihr wäret ohne Sorgen“, schreibt Paulus den Christen. Das bedeutet: Die Leute haben Sorgen. Und noch dazu (das wird im Folgenden klar) die falschen Sorgen; jedenfalls in den Augen des Apostels. Diese Christen sorgen sich „um die Dinge der Welt“ und die Männer, wie sie den Frauen gefallen und die Frauen, wie sie den Männern gefallen.
Sie spüren es beim Hören der Zweiten Lesung: Paulus sieht das Eheleben skeptisch. Es lenkt zu sehr ab, scheint ihm. Die Unverheirateten haben es leichter, sich auf Gott zu konzentrieren, scheint ihm. Da ist etwas daran, das lehrt die Erfahrung. Auf den ersten Blick. Eine Mutter mit drei Kindern wird anders beten als eine Nonne im stillen Kloster.
Der zweite Blick allerdings zeigt, dass Unverheiratete genauso viel Blödsinn im Kopf haben können wie Verheiratete und dass viele Verheiratete, eben indem sie verheiratet sind und Familie haben, viel näher bei Gott sind als manche Priester, Mönche und Nonnen. Gott zu finden ist überall gleich schwer und gleich leicht. Es hängt vom Einzelnen und von der Gemeinschaft ab. Auch Paulus muss das gespürt haben, denn er formuliert hier vorsichtiger als sonst. Er spielt nicht seine ganze apostolische Autorität aus, sondern gibt nur einen Rat, aus einer ganz bestimmten Erfahrung heraus.
Worum geht es Paulus eigentlich? Um Freiheit. Und zwar die Freiheit, sich auf Gott zu konzentrieren. Diese Freiheit ist unsere Antwort auf Gott. Die Antwort darauf, dass der Auferstandene gegenwärtig ist und uns Hoffnung gibt. Mitten im Alltagsleben. Jesus ist da, er wirkt im Hl. Geist und er wird wiederkommen. Christus ist zugleich gegenwärtig und der Kommende. Wir Christen leben hier und in der Zukunft.
Zu alldem kommt bei Paulus das Gefühl: Es ist nicht viel Zeit. Viele der frühen Christen waren überzeugt, die Wiederkunft Christi stünde kurz bevor. Wenn eine alte Welt zu Ende geht und eine neue beginnt, dann werden viele Dinge relativ: das, was uns hier freut, das, was uns hier schmerzt, der Besitz und sogar die Familie. Nichts davon ist absolut.
Die Wiederkunft Christi lässt jedoch auf sich warten, seit 2000 Jahren. Das ist lange, nach landläufigen Begriffen jedenfalls. Das ändert aber nichts daran, dass die Zeit begrenzt ist, dass wir sie gut nützen müssen. Christus kann jederzeit wiederkommen, und dann werden wir vor ihm stehen. Wir müssen bestehen: nicht mehr vor der Meinung der Leute, sondern vor Christus, der die Wahrheit sieht und etwas von uns erwartet. Was die Leute von uns gedacht haben, wird dann vielleicht keine Rolle mehr spielen.
Erwartung des Endes, Erwartung der neuen Welt (wir beten doch „Dein Reich komme“) und das alles hier, mitten im Alltag. Darum geht es in der Lesung.
Es geht darum, nicht im Alltag zu versinken; den Alltag immer wieder aufzusprengen. Und das eben nicht immer nur durch Kino, Fußball, Wirtshaus oder ein Wochenende lang Assassins Creed. Sondern durch neue Blicke. Zum Beispiel auf unsere Beziehungen.
Man kann verheiratet sein oder allein sein und einfach blöd dahinleben. Man kann aber auch verstehen, dass die Ehe ein Bild ist und die Jungfräulichkeit (oder Witwenschaft) auch ein Bild. Bilder einer Hoffnung im Alltag.
Die Ehe ist ein Bild der Verbindung, die Gott mit den Menschen eingegangen ist. Die Ehelosigkeit kann ein Bild sein für das Warten auf die neue Welt. Ein Warten, das sich nicht mit Kompromissen tröstet.
Gott ist keiner, der sich vorübergehend bindet, auf Probe. Gott liebt nicht von dann bis dann, sondern immer. Gott ist treu. Die Bindung, die Gott mit uns eingegangen ist, wird durch keine Verfehlung, kein nachlassendes Gefühl, keine Entfremdung aufgehoben. Und weil die Ehe das abbilden soll, weil sie vor aller Augen ein Zeichen für die Treue Gottes sein soll, deswegen ist sie für immer. Wenn die Ehe zerstört ist, bildet sie nichts mehr ab als das Scheitern der Welt. Wenn aber zwei einander treu sind, dann sind sie ein Bild der göttlichen Treue.
Trennungen können vielleicht notwendig sein, weil wir Menschen fehlbar sind, aber eine Trennung ist nie eine Bagatelle. Sie nimmt der Welt immer etwas von dem Guten, das seit Ewigkeit für sie bestimmt war.
Die Dinge auch einmal so zu sehen – dass sie nämlich etwas bedeuten, lässt uns das Leben jetzt ernst nehmen. Gleichzeitig zu wissen, dass die Dinge vergehen, lässt uns leicht werden. Es gibt eine neue Zukunft. Die Gott machen wird.
Damit wir mitmachen können bei der Zukunft Gottes, braucht es nur eines: die Freiheit, in rechter Weise dem Herrn zu dienen.
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