Dritter Sonntag im Jahreskreis (B), 25. Jänner 2015
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes
Warum lässt Jesus diese Männer nicht einfach in Ruhe? Die vier haben ja ihr Leben. Sie sind erwachsen (wir wissen, dass Petrus verheiratet war); sie haben Familie und einen Beruf, sogar Angestellte („Tagelöhner“). Das alles bringt Jesus durcheinander. „Kommt und folgt mir!“ Dieses eine Wort wird ihr Leben auf den Kopf stellen. Sie tun sofort, was Jesu sagt. Ein anderer, der berufen wird, Jona, versucht erst einmal zu fliehen; er läuft in die entgegengesetzte Richtung. Aber schließlich bekommt Gott ihn doch. Gott ruft Menschen. Und wer hier kann mit Sicherheit sagen: „Mich ruft Gott nicht!“?
Jeder, der heute noch irgendeine Form von Beziehung zum Thema „Gott“ hat, kennt den Spruch: „Gott nimmt uns an, wie wir sind.“ Den meisten gefällt das; der Satz ist populär geworden wie kaum ein anderer. Nur, in der Bibel steht er nicht. Jesus sagt nicht: „Bleib, wie du bist.“ Sondern: „Kehr um! Ändere dich! Folge mir!“
Mir scheint, dieses Ansinnen – wir sollten uns ändern – ist die eigentliche Quelle des allgemeinen Zornes auf die Kirche; die Ursache des trotzigen Widerstands. Dass Priester, Leute, die (meistens) nicht besser sind als wir selbst, sich hinstellen und sagen: Ändert euch! Wie kommen die dazu?
Sie kommen dazu, weil Gott sie berufen hat: Durchschnittsmenschen, Feiglinge, Langweiler, Menschen mit allen Fehlern, die wir kennen, mittlere Geister. Genau solche sollen der Welt sagen: „Ändert euch!“
Wir haben die Gewohnheit anzunehmen, Jesus sei auf die Zöllner oder die Dirnen zugegangen aus Mitleid. Falsch! Genau die notorische Ungerechtigkeit, Rücksichtslosigkeit, praktische Gottlosigkeit dieser Geschäftsmänner, die Haltlosigkeit der Ehebrecherinnen, die Mittelmäßigkeit der Jünger interessiert ihn. Jesus beruft mit Absicht große Sünder. Petrus – ein Feigling und Verräter; Jakobus und Johannes – zwei Fanatiker, Paulus – ein Mordkomplize, Augustinus – ein Lebemann, Magdalena – eine Hure. Viele andere Heilige, von außen gesehen klein, verklemmt, langweilig, bizarr…
Warum tut Jesus das (und tut es bis heute)? Weil nur so klar wird, dass die Wende, die Rettung, der Sieg von Gott kommt – und nicht von der Superqualität der Auserwählten. Das unterscheidet die Kirche von der Eliteuniversität, der Erfolgsfirma, von Nobelpreisträgern und Filmstars. Das ist oft schmerzlich – aber gut. Nur so wird Gott klar.
Auf Gott kommt es an. Deswegen beruft Jesus mit Autorität. Er bittet niemals. „Kommt und folgt mir!“ Deswegen ruft er aus den alten Bindungen heraus. „Da ließen sie ihren Vater zurück und folgten Jesus.“ Sein Ruf trifft mitten ins Leben – „Denn sie waren Fischer“ – und verändert das Leben: „Menschenfischer“ heißen sie jetzt. Es bleibt etwas von uns, und es ändert sich doch alles, wenn wir Gott ja sagen. Wir werden anders. Wenn wir nur der Gesellschaft ja sagen, werden wir mehr und mehr Larven. Massenware. Wenn wir Gott ja sagen, werden wir wir selbst.
Die Berufenen fangen an zu wachsen, von innen heraus. Bei Jesus müssen wir keine Fehler fürchten; er nörgelt nicht an uns herum. Er folgt auch keinem Erziehungsprogramm. Die Berufenen sollen einfach bei ihm sein, sehen, wie er lebt (Kinder: sehen wichtiger als Erklärungen. Sonntagsmesse). So werden diese Menschen verwandelt. Eigentlich wie in der Messe das Brot auf dem Altar: Äußerlich bleibt alles gleich, aber der Kern, das Innerste, das wird ganz anders, neu.
Menschen sind berufen, sie akzeptieren, früher oder später, immer wieder neu – und verändern sich. „Die Gestalt dieser Welt vergeht.“ Auch die eigene Gestalt vergeht. Sie vergeht sowieso, weil wir sterben, verschwinden. Sie vergeht aber auch, wenn wir uns in die Hände Gottes geben. Das ist das Schwerste: darin einzuwilligen. Nicht festzuhalten.
Und wozu? Zur Veränderung der Welt. Lesung und Evangelium haben dieselbe Botschaft: „Kehrt um, bekehrt euch!“ Ein Ruf also, der die Jahrtausende durchzieht. Der große Auftrag.
Umkehr bedeutet Umwertung, das wird in der Lesung aus dem Ersten Korintherbrief klar. Die, die umgekehrt sind, werden nun so leben, als wäre eine Frau nicht der größte Schatz, Weinen nicht das Bitterste, Freude nicht das Höchste. „Denn die Gestalt dieser Welt vergeht“, und es gibt etwas noch Besseres, Höheres, Schöneres. Relativierung und Überbietung.
Dahinter steckt die Erfahrung, dass die, die auf ihr gewohntes Leben verzichten, an innerer Kraft dazu gewinnen, Gnaden und Begabungen empfangen. Man kann offenbar doch nicht alles haben…
Dabei geht es nicht um eine besonders fromme Leistung, sondern darum, Gott Raum zu geben.
Das Angebot Gottes – der Ruf, von dem die Bibel spricht – steht. „Gnade über Gnade.“ Gnaden, die wir vergeuden, unser Leben lang.
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