24. Sonntag im Jahreskreis (C), 15. Sept. 2013
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes
Die berühmte Geschichte vom Tanz ums Goldene Kalb. Die Israeliten basteln sich ein Kalb und beten es an. Das ist nicht elegant; auch nicht nett, denn eben haben sie noch einen anderen Gott verehrt, aber schließlich kann ja jeder glauben, was er mag.
„Jeder soll beten, zu wem er mag.“ Das habe ich auch schon in Mailberg gehört, von engagierten Katholikinnen. Die Ägypter haben Katzen oder Krokodile verehrt, die Inder verehren die Kuh; es gibt wieder welche, die zu den germanischen Götter beten, und der Präsident Obama geht jeden Sonntag in eine andere Kirche.
Die Toleranz, die Idee, jeder könne seinen Glauben frei wählen, diese Idee hat das friedliche Zusammenleben der Gesellschaft ermöglicht. Jahrhunderte lang war der Glaube ein Grund für Krieg (und wir sind heute wieder so weit). Wenn viele verschiedene Menschen zusammen leben, muss die Wahrheitsfrage ausgeklammert bleiben. Sobald jemand behauptet: Es gibt die Wahrheit und nur eine Wahrheit und sie muss sich durchsetzen auf allen Ebenen, sobald das geschieht, kommt es zum Krieg. Die Kirche hat sich schwer damit getan, das zu erkennen, aber heute steht sie auf der Seite der Religionsfreiheit. Beim Islam ist das nicht so.
In der Geschichte vom Goldenen Kalb geht es allerdings nicht um Religionsfreiheit, sondern um Treuebruch: Die Israeliten brechen Gott die Treue. – Ein Gedanke, der vielen – sogar Christen – heute ganz fremd ist: Man kann Gott die Treue brechen. Man kann Gott weh tun. Da sieht es mit dem „Jeder kann glauben, was er mag“ schon anders aus!
Am einfachsten wäre es natürlich, zu sagen: eine alte Geschichte; für uns hat sie sich erledigt. Aber was bedeutet es dann, wenn wir sagen, die Bibel sei das „Wort Gottes“? Sagt Gott uns, was er will? Auch heute? Wenn ja, dann sind wir in einem Dilemma (Fragen, die unser Leben beeinflussen, s. Beschneidung). Dieses Dilemma ist nicht zu lösen, es muss ausgehalten werden.
Lassen Sie sich einmal auf diese alte Geschichte ein; wenigstens probehalber: Die Israeliten hatten sich für Gott entschieden. Dann läuft die Beziehung nicht so, wie sie sich das dachten. Gott enttäuscht sie. Daraufhin nehmen sie sich einen anderen Gott: ein Kalb aus Gold. Damit ist der Konflikt da: Der verlassene Gott ist getroffen. Er gerät in Zorn, will das Volk vernichten; Mose muss vermitteln. Schließlich finden Gott und sein Volk wieder zusammen.
Sie verstehen, worum es geht: um eine Beziehung. Zwei haben eine Geschichte mit einander: die Israeliten mit Gott.
Jeder soll glauben, was er mag – und jeder kann lieben, wen er will? Wenn wir das Prinzip so formulieren, wird das Problem klar. Natürlich kann jeder lieben, wen er will. Zunächst schon. Zunächst ist jeder frei, sich einen Partner zu suchen. Dann aber ist er nicht mehr frei. Fragen Sie einmal ein Ehepaar. Würde sie sagen: Mein Mann kann lieben, wen er mag? Nein. Sie sagt: Mich, mich soll er lieben! Weil wir zusammengehören.
Jeder soll glauben, was er mag und soll das ändern können, wie er will. Aber wenn nur dieses Prinzip gilt, dann gibt es keine Beziehung. Also keine Sorge, keinen Ärger, keine Fürsprache und Versöhnung. Keine Liebe. Und kein Glück!
Wir Christen glauben an Beziehungen: Die Ehe, die Kirche, Gott – immer geht es um Beziehungen. Also um Wahl, Entscheidung, Versprechen, Treue, Konflikte, Versöhnung, Entwicklung. Um Liebe halt.
Ohne Wahrheit, ohne Liebe, ohne die vor Gott geschlossene Ehe, ohne den Glauben leben wir auf Nummer sicher. Es ist alles gleich gültig; man lässt sich auf nichts wirklich ein. Aber mit all dem – Wahrheit, Liebe, Ehe, Glauben – wird das Leben erst schön und intensiv. Ich behaupte: Nur was auch schief gehen kann, ist schön.
Beziehungen müssen verbindlich sein, um lebendig zu sein. So wie es Dinge im Leben gibt, die man nicht rückgängig macht (Vater sein). Wie eine Beziehung mit Gott geht, verstehen wir, wenn wir die Menschen anschauen. Zum Beispiel Menschen, die einander sagen: Ich will bei dir bleiben. Ich will dich lieben. Egal, was kommt.
Wir verstehen heute, dass Gott ein lebendiges Wesen ist. Die Lesung (und das Evangelium vom verlorenen Schaf und der verlorenen Drachme) handeln davon, dass wir Gott wichtig sind. Und dass Gott hofft, er sei uns wichtig.
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