Fest des seligen Kaisers Karl von Österreich, 21. Okt. 2013
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes
Wir pflegen alle die Idee, das Christentum ließe sich manierlich in diese Welt einpassen. Hie und da ein paar kleine Korrekturen oder Alternativen, vielleicht eine Reiberei, aber im Großen und Ganzen passen die Welt und die Kirche zusammen, so hoffen wir.
Doch das Evangelium ist der radikale Gegenentwurf zu dieser Welt. Es genügt nur ein, zwei Worte Jesu zu hören, um einzusehen, dass wir Christen einen ganz anderen Weg gehen als die Welt. Die Maßstäbe Jesu und die Maßstäbe der Welt können sich nicht vertragen (Feindesliebe; Armut). Der Blick auf den Seligen, den wir heute feiern, bestätigt das alte Wissen der Kirche von der Unvereinbarkeit von Evangelium und Welt. Karl aus dem Hause Habsburg, Kaiser von Österreich, König von Böhmen, gekrönter König von Ungarn …
Es gibt ein Foto, das den Kaiser bei der Krönung zeigt. Er trägt Mantel und Krone des hl. Stephan. Nicht majestätisch steht er da. Eher unbeholfen. Fast ist das Bild peinlich. Vielleicht lässt sich das Königtum nicht fotografieren. Vielleicht ahnt der eben Gekrönte, dass die Idee des Königs – eine der schönsten, die je ersonnen wurden – , dass diese Idee ihre Kraft verloren hat. Der Augenschein – das Foto nämlich, das alle sehen konnten – spricht gegen Kaiser Karl. Gegen die Idee, die er darzustellen hat und gegen den Mann selbst.
Damals wie heute sprechen alle gegen ihn. Alle, die nur sehen, was sie sehen wollen; alle, die sich auf den Augenschein verlassen.
Den großen Herren und Damen war der Kaiser zu unelegant. Und zu fromm. Die Kunstsinnigen fanden den Kaiser nicht feinsinnig; die Intelligenten fanden ihn nicht gescheit. Die Politiker fanden ihn unbedarft. Die Tiefgründigen konnten seine Frömmigkeit abtun: konventionell, platt und sentimental. Für die Militärs im Ersten Weltkrieg war Friede gleich bedeutend mit Bankrott. Ein Militär macht keinen Frieden, er siegt. Was sollten die Generäle (die deutschen besonders) mit einem Friedenskaiser? Noch dazu mit einem, der sich mit dem Papst zusammen tut? Die Öffentlichkeit, die Medien, sehen in Kaiser Karl bis heute den Schwächling, die Marionette, den Schuldigen.
Nur der Papst, der sieht etwas anders. Er hat den Kaiser selig gesprochen. Erhoben. Zur Ehre der Altäre. Weil die Kirche – dort, wo sie wahr ist – eben nicht nach dem Augenschein geht und nicht nach der Meinung. Weil wir andere Maßstäbe haben.
Die Lesung dieses Tages stellt uns Abraham vor, den Mann des Glaubens. Das Evangelium spricht von dem Menschen, der nicht für sich Schätze sammelt, sondern vor Gott reich ist. Kaiser Karl war nicht daran gelegen, Schätze zu sammeln. Nicht nur im materiellen Sinn – er starb in Armut und seine Frau, die Kaiserin Zita, wollte ihre Kinder nicht in der Pracht des spanischen Hofes aufwachsen sehen. Kaiser Karl sammelte auch die geistigen Schätze nicht, die Menschen eben sammeln: Einfluss, Ansehen, Bewunderung, Erfolg, Zustimmung. Das sind die Schätze der Welt. Die Kaiser Karl nicht hatte.
Kaiser Karl habe, sagt die Kirche, „seinem Volk in Gerechtigkeit und Liebe gedient“. Dienst, Gerechtigkeit, Liebe: Das sind die Schätze, die einen Mann vor Gott reich machen. Kaiser Karl, heißt es weiter, „suchte den Frieden, half den Armen, führte in Entschiedenheit ein geistliches Leben. Der Glaube bestimmte sein Leben von Jugend auf…“ – Der Kaiser steht also in der Schar der Gläubigen. Wie unser Vater im Glauben, der Israelit Abraham. „Abraham zweifelte nicht im Unglauben an der Verheißung Gottes, sondern wurde stark im Glauben, und er erwies Gott die Ehre.“
„Wenn man seinem Schöpfer entgegentritt, zählt diesseitige Errungenschaft nicht mehr; er gilt nur Pflichterfüllung und guter Wille.“ Diese Lehre hat Otto von Habsburg aus dem Sterben seinen Vaters empfangen. Am Ende zählt nicht das, was zu sehen ist. – Die Kirche sieht das Verborgene des Menschen. Das, was kaum in Worte zu fassen ist.
Die Kirche sieht den Menschen, der vor das Ungeheuere gestellt ist. Der Wissenschaftler muss nur Neues entdecken; was die Menschen daraus machen, braucht ihn nicht zu interessieren. Der Banker muss nur Geld vermehren; ob ein Land dabei zugrunde geht, muss ihn nicht interessieren. Der Manager muss nur Profit machen. Weitere Verantwortung hat er nicht. Der Kaiser hingegen muss sich verantworten für das Wohl aller Untertanen. Das irdische wie das überirdische Wohl. Die Kirche sieht in Kaiser Karl den Menschen, der das Ungeheuere schultert. Ihn stellt sie uns als Vorbild hin, denn das tun wir alle, wir Gläubigen: Wir schultern das Ungeheure (Mann und Frau; Elternschaft; Priestertum). Der Glaube ist Weite, Größe, Würde – aber auch ungeheure Überforderung. So erkennt der, der heilig wird, zuerst sein Elend. Und die Fülle der Gnade.
Eine Seligsprechung ist etwas anderes als die Verleihung des Nobelpreises. Die Kirche weiß, was auch der Kaiser selbst wusste, dass es nämlich Schwäche, Fehler und Schuld in seinem Leben gab. Heiligkeit bedeutet nicht Tadellosigkeit, sondern Demut, Umkehr, Annahme der Gnade. Und in diesem Sinn war Kaiser Karl „vorbildlicher Christ, Ehemann, Familienvater und Herrscher“.
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