900-Jahre Bulle Papst Paschalis’ II.
15/02/2013
Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes.Heute vor 900 Jahren, am 15. Februar 1113, hat Papst Paschalis II. der Bruderschaft des seligen Gerhard Rechte verliehen und ihr Hospital in Jerusalem unter päpstlichen Schutz gestellt: die Anfänge des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens. Das wird gefeiert! Papst und Papsttum, Orden, Kirchenrecht, Kirchenbesitz, Privilegien… solches feiern, das können nur die Malteser-Ritter. Allen anderen sind diese Dinge ein Graus. Den Protestanten, für die Papsttum und Kirchenrecht dem wahren Christentum widersprechen; für die Strukturen und Ämter allenfalls notwendige Übel sind. Den Esoterikern, für die nur das Innerliche, Unsichtbare wahr ist und das Materielle, Körperliche zu vernachlässigen – Stichwort Reinkarnation. Allen Gruppen von den gnostischen Sekten des Mittelalters bis zu den pfingstlerischen Christen, die das Prophetische über das Rechtliche stellen. Den liberalen Individualisten, die jeden Verband, jede geordnete Gruppe ablehnen. Den Relativisten, die ihre Werte monatlich neu erfinden. All diesen muss eine solche Feier ganz fremd sein; die verdächtigste Seite am Katholischen. Ein römisch-katholischer Orden aber weiß, dass Gott Mensch geworden ist – also eben eingetreten ist in das Körperliche, in die Strukturen und Formen, in das Recht. Er weiß, dass Jesus seiner Kirche die Sakramente und die Ämter und die Hierarchie gegeben hat und dass damit Recht und Form einhergehen: Jedes Sakrament ist innerlich und körperlich und rechtlich. Nichts ist nur geistig. Ein wahrhaft katholischer Orden weiß auch, dass nicht jede päpstliche Bulle vom Heiligen Geist inspiriert sein muss und alle im Glauben bindet; dass nicht jeder Papst heilig ist. Und dass kein Orden ewig ist, sondern bedroht von Verfall und Verschwinden. Dass jeder Orden, alles in der Kirche, aber auch die Chance hat, vom Heiligen Geist belebt sich immer wieder zu reformieren und neu aufzuleben. Diese Chance der Erneuerung aber kommt vom Einzelnen oder besser von der Gemeinschaft der Einzelnen. Sie, die Einzelnen müssen sich gemeinsam ergreifen lassen vom Heiligen Geist und aufbrechen. Vielleicht an solchen Jubiläen, vielleicht tagtäglich. Das Bestehende allein, die Geschichte, die 900 Jahre, die Form eben, garantiert den Aufbruch nicht. Das Wort ist Fleisch geworden, Gott hat Form angenommen – um eben diese Form mit neuem Leben zu füllen.
Der Konflikt zwischen dem Bestehenden und dem Aufbruch durchzieht schon das Evangelium. Die Pharisäer sind die Vertreter des Bestehenden. Mit Spitzfindigkeit und Schlauheit haben sie das Bestehende zu einer leeren Äußerlichkeit gemacht. Die sie als die Wahrheit ausgeben. Unveränderlich. Gottlos, obwohl ständig von Gott geredet wird. Und da kommt Jesus, der sich vorgenommen hat, nicht aufzuheben, sondern zu erfüllen. Der sich selber zur Wahrheit erklärt. Die Pharisäer vergessen, dass auch das Bestehende einmal geworden ist. Sie wollen das Gewordene, die Geschichte also, vergöttlichen. Es steht aber geschrieben: „Du sollst keinen anderen Gott neben mir haben.“ Auch das Bestehende nicht! Die Vergötzung des Bestehenden ist der fortwährende Aufstand gegen Gott. Gott will die Welt (sein Werk!) in Bewegung halten; der menschlich-irdische Sinn will Ruhe und Sicherheit. Jeder einzelne Mensch, das ganze Menschengeschlecht, jede Ordensgemeinschaft ist im Werden. Das soll uns das Jubiläum bewusst machen.
Die Pharisäer hatten eine Gesellschaft errichtet, in der galt: je frömmer, desto angesehener. Das Innerliche gibt es nicht mehr; die Äußerlichkeiten des Ritus genügen. Das bedeutet: Stillstand. Das bedeutet: vergessen, dass wahre Frömmigkeit in der Welt Böses erleidet. Dass der Christ im Wagnis steht und nicht ausruhen kann in der Aussicht auf sichere Beförderung in die Ewigkeit. Die Verweltlichung der Kirche, die Benedikt XVI. in Freiburg angeklagt hat, ist nichts anderes als die Vergötzung des Bestehenden. Sitten und Bräuche werden zu Glaubensartikeln. Nicht mehr das Innerliche. Nicht mehr Gottesfurcht, sondern Menschenfurcht. Was werden die Leute denken?, das ist die letzte Frage, die beunruhigt.
Dabei ist das Gottesverhältnis des Einzelnen, das Innerliche gerade das, wodurch alles Bestehende in der Schwebe gehalten werden soll. Damit es sich nicht zementiert. Im Leben Jesu gibt es keine Jubiläen, und der Erfolg ist sicher das Letzte, was bei ihm zählt. In den Augen der Pharisäer muss Jesus scheitern, eben weil er das Bestehende nicht anerkennen will. Aber das Leben ist auf der Seite des Auferstandenen.
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