Opfer und Bewegung – Vortrag bei den Ordensexerzitien in Stift Schlägl
Opfer und Bewegung Worum geht es beim Opfer, um welchen Vorgang? Was geschieht, wenn ein Mensch opfert? Nun, zuerst geschieht eine Bewegung. Das Opfer ist eine innere, innerliche Bewegung. Wer in die Welt des Opferns und des echten Gebens eintreten will, muss bereit sein, sich innerlich zu bewegen. Ich bin allerdings beinahe überzeugt, dass genau das, die innere Bewegung, bei den meisten nicht stattfindet. Die Teilnahme an der Eucharistiefeier, das Gebet, das gute Werk an einem Armen, alles das geht anscheinend auch, ohne dass sich der Mensch innerlich bewegt. Es bleibt äußerlich. Die gute Tat an einem Kranken wirkt ja auch ohne innere Beteiligung. Stellt sich nur die Frage: Bleibt die äußere, nur äußere gute Tat nicht hinter ihren Möglichkeiten zurück? Wären die Werke des Ordensmitglieds nicht noch viel mächtiger, noch viel heilsamer für diese Welt, wenn der äußeren Tat eine innere Beteiligung entspräche? Aber es gibt in uns Sperren gegen das innere Geschehen. Vielleicht ist es in Wahrheit so: Wir wollen Gott, ja, schon, aber nicht zu viel von Gott. Ihm nicht zu nahekommen! Die Vorstellung, Gott könne unser Inneres fluten, ist den meisten peinlich, sie erscheint ihnen outriert und sogar beängstigend. Die Bewegung, von der ich spreche, ist mehr als eine gedankliche Bewegung. Ein Gebet sprechen, über ein Gebet nachdenken, rein intellektuell, das geht, ohne dass sich der Mensch selbst engagiert. Es geht oft darum, die Gedanken auf sicheren Abstand zu halten. Es geht im Leben von Christen oft darum, Gott, den so Anderen, auf Abstand zu halten. Wir Menschen lieben Sicherheit. Wir sind träge. Also sind wir lieber bewegungslos, als uns bewegen zu lassen. Wie aber kann man von Gott Bewegungslosigkeit erhoffen? Gott ist ewig und unveränderlich, aber nicht starr und bewegungslos. Gott ist die höchste, reinste Aktivität. Die TAT. Bewegung also. In welche Richtung? Von mir weg. Das scheint es mir auf den Punkt zu bringen. Zum Von-mir-weg braucht es einen Entschluss. Mit der Einübung in das Opfer, wenn aus dem Opfern ein Habitus, eine gute Gewohnheit geworden ist, wird der klar erkennbare Entschluss an Bedeutung verlieren, aber irgendwann muss man damit anfangen. Es braucht die bewusste Tat. Die Entscheidung zur Tat. Und die braucht oft Mut. Das sagt sich leicht. Im echten Leben ist es schwer, denn wir sind, jeder mehr oder weniger, Trägheitswesen, Untertanen der Gewöhnung. Sie sind erstaunt? Betrachten Sie allein die Art, wie Sie die Messe feiern, wie Sie das Evangelium hören. Der Zustand der heutigen Kirche ist in meinen Augen nur damit zu erklären, dass Millionen von Katholiken sich angewöhnt haben, die Worte Jesu nicht mehr wirklich zu hören. Also nicht „Ich höre. Jetzt. Das Wort Jesu!“, sondern: „Ah ja, Aufstehen. Kenn ich schon. Niedersetzen.“ Das Neue aber, die Freiheit beginnt mit dem Losreißen von der Trägheit. Also zum Beispiel hören, als hörte ich zum ersten Mal. Ich garantiere Ihnen: Die Kraft, die das kostet, lässt die Beschäftigung mit den Vorzügen oder Mängeln des Zelebranten schnell in den Hintergrund treten. Es gibt Wichtigeres! Also Mut, Tätigkeit, um den – allzu lebensklugen – Fatalismus bis in seine äußersten Schlupfwinkel zu verfolgen, um ihn am Ende gänzlich auszurotten [1]. Die Heiligen sind gelassen, aber keine Fatalisten. Woher nimmt man aber die Energie dazu? Dass der Mensch sich hierbei selber helfe, allein, ist so gut wie unmöglich. Wir brauchen Vorbilder, wir brauchen Beistand (helfen die Ordensmitglieder einander zur Hingabe? Zum nötigen Mut?). Wir brauchen die Gnade. Die Gnade, die in den Sakramenten geschenkt wird, ist der wahre Grund, bei der Kirche zu bleiben. Aber wer weiß noch um die Notwendigkeit der Gnade? Die meisten Christen guten Willens strengen sich an, sie eben sich Mühe, aber sie bitten nicht um Gnade. Sie bitten Gott nicht um Hilfe. [1] Sloterdijk, Zeilen, S. 142, zitiert aus Fichte, System der Sittenlehre, § 16, Ursache des Bösen. Warum ist es so schwer, andere – Menschen oder Gott – um Hilfe zu bitten? Wir würden das Alter leichter leben, wenn wir gelernt hätten, Hilfe zu akzeptieren. Das Übel besteht also in der Trägheit. Aus ihr kommt die Feigheit. Aus der Feigheit kommt die Falschheit. Trägheit und Hingabe (Opfer) sind unvereinbar. Das muss jeder wissen; so merkt man ein bisschen eher, wie die Trägheit sich verkleidet in Coolness, in „Lebenserfahrung“, in „Nüchternheit“. Ich bin sehr für Coolness, Lebenserfahrung, Nüchternheit, meinetwegen auch für Eleganz der Haltung, aber man sollte sich selbst schon auch auf die Schliche kommen und merken, wenn sich hinter „Lebenserfahrung“ nur mehr Blasiertheit verbirgt. (In Klammer sei dazugesetzt: Mein Plädoyer gegen die Trägheit bedeutet nicht, dass ich Wut und Zorn als Lösung ansehe. Vielleicht muss man das heute dazu sagen, wo Wut und Zorn zu Tugenden geworden sind. Für Zorn muss sich heute keiner mehr schämen, im Gegenteil. Die Politik arbeitet bewusst mit dem Zorn wie sie ja auch bewusst und ganz offen mit der Lüge arbeitet. Lüge, Wut und Zorn sind aber keine Tugenden. Nicht für Christen. Zorn ist eine Todsünde. Warum? Weil er zerstört und zwar eben nicht nur das Schlechte, sondern auch das Gute. Zorn ist blind, also ungerecht. Zorn tötet die Seele. Die Herrschaft des Zornes und der Wut wird zu nichts anderem führen als zur Herrschaft der Stärkeren, Lauteren. Ich halte es für zumutbar, die Trägheit aufzugeben, ohne deswegen gleich ins Gegenteil, in die blinde Wut zu verfallen.) Zuwendung zum anderen Weiter in der Analyse der Opfer-Hingabe. Sie braucht die Zuwendung zum anderen. Dem Menschen, dem ich opfere oder dem ich mich opfere und sei es nur einen Moment, eine Geste lang, diesem Menschen muss ich mich zuwenden. Also muss ich mich von mir selber abwenden. Um zu opfern, muss ich ein wenig mindestens weggehen von mir selbst. Es geht also um Verlassen, Aufgeben, um Gelassenheit, um Zuneigung, Zu-Neigung. Es geht um Aufmerksamkeit, Hören, Gehorsam, Disponibilität. Mit all dem wird der Akt, in dem Sie „dem Nächsten in Liebe begegnen, besonders den Armen und unseren Herren Kranken“ rund, echt, erfüllend auch für Sie. Ganz gewiss geht das alles nicht ohne Vertrauen. Christus vertraut dem Vater. Deswegen gibt es sich hin. Aus Vertrauen riskiert er den Tod. Nicht aus Heroismus. Nicht aus einer perversen Lust am Leiden. Nicht aus Eitelkeit oder dem Sinn für die große Geste. Opfer geht nur als Ausdruck des Vertrauens. Und gelegentlich muss Vertrauen sogar blind sein. Vertrauen führt zu Beziehung; Liebe entsteht durch Hingabe, nicht durch Behauptung, so wie Liebe nicht zuerst einen Anspruch begründet, sondern den Wunsch, dass es dem anderen gutgehe. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören
Vortrag bei den Ordensexerzitien in Stift Schlägl, 07. bis 09. März 2025