Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Predigt in Marktheidenfeld St.-Laurentius 24. April 2024

24/04/2024 


Die Predigt zum Anhören

Predigt in Marktheidenfeld St.-Laurentius am 24. April 2024

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

So ist das Leben, genauso. Was soll ich Ihnen anderes sagen? Soll ich sagen: alles gut? Es ist ja nicht alles gut. Soll ich sagen: Es wird wieder? Oder: Gott liebt Euch? Natürlich tut Er das, aber heute werden Sie das wohl kaum glauben. Natürlich geht das Leben weiter. Sie werden wieder lachen, hoffentlich. Aber was geschehen ist, wird bleiben, irgendwo in Ihrem Herzen. Wir wissen es alle. Und sind zornig, dass wir so etwas überhaupt wissen müssen.

Sie alle hier wünschen sich, es wäre nicht so, wie es ist.

Das Leben kann wunderschön sein, auch das wissen Sie. Hoffentlich alle. Die Welt ist so prächtig schön, Sie haben es selbst gesehen in all den Ländern, in denen Ihr Mann gearbeitet und gelebt hat. Und wie schön die Welt droben im Spessart ist und hier unten am Main, das wissen wir alle. Das Leben kann toll sein: wenn es den richtigen Mann bringt, den einen richtigen; wenn es einen guten Freund bringt, einen fabelhaften Vater, einen Beruf, in dem man seine Zeit nicht mit Blödsinn vertun muss. Sport, Musik, Lachen mit Freunden, eine Familie, die zusammenhält: So ist das Leben. Und dann ist es wieder schrecklich. Und das Schlimmste: Es kann immer noch schrecklicher werden.

Die Trauernden wissen das. Die anderen können es wegdrängen, die Trauernden nicht. Das ist der Grund dafür, dass viele sie meiden, dass sogar beste Freunde kein persönliches Wort herausbringen und die Leute bald sagen: „Nun ist es wieder gut, das Leben muss doch weiter gehen.“ Die Menschen haben Angst vor dem Tod und meinen, wenn sie ihn nicht ansprechen, geht er vorüber.

Seien Sie nicht enttäuscht, wenn jemand schweigt, wo Sie ein Wort erwarten. Bleiben Sie ruhig, wenn jemand Sie drängt. Es ist Ihre Trauer, Ihre Zeit. Es gibt kein Gesetz, das sagt: „In vier Wochen musst Du wieder fröhlich sein!“

Genauso wie früher wird es nie mehr. Was geschehen ist, bleibt. Es gibt das Endgültige im Leben. Man kann ein gesagtes Wort nie mehr zurückholen. Ein Kind ist ein für alle Mal gezeugt, Vater bleibt man für immer. Es bleiben sogar die Bilder und Momente. Das Leben schlägt Wunden. Die können verheilen, aber die Narben bleiben. Erwachsen werden bedeutet, verwundet werden.

Was zeigt der Auferstandene den Aposteln? Wunden. An seinen Wunden erkennen sie ihn.

An was war NN zu erkennen? Ich weiß von ihm ja nur aus Ihren Erzählungen, aus der ganzen Art, wie Sie von ihm sprechen. Wissen Sie, was ich vor allem heraushöre? Wie hell er war. Nicht hell im Sinn von hell in der Birne – dass er blitzgescheit war, steht eh fest. Nein, hell im Sinn von wohltuend, stärkend, inspirierend, zuversichtlich, dies vor allem. Es gibt Menschen, die sofort den wunden Punkt des anderen sehen und genau dahin stoßen. Destruktive Menschen. Es gibt Menschen, die einfach alles finster machen; andere, die alles irgendwie schmutzig machen.

NN war hell. Er war eine Wohltat.

Im Evangelium von heute sagt Christus: „Ich bin das Licht, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibt.“

Warum sind Sie hier? Manche einfach weil es die Mittwoch-Messe ist, viele aus Solidarität mit Ihnen, liebe Familie NN. Aber sie sind auch hier, weil sie hoffen, der Glaube werde trösten, irgendwie; weil sie hoffen, sie würden hier etwas verstehen und so werde es leichter werden. Ich für meinen Teil bin sicher: Das Meiste verstehen wir nicht. Ich bin hier, um ernst zu nehmen: Sie, diesen Ort, das Evangelium, die Sakramente, die Gebete… Das Leben ist ernst.

„Ich bin das Licht, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibt.“ Wenn das einfach so dasteht, bleibt es den meisten verschlossen, gleichgültig, gerade heute, denn heute sind die Herzen ja nicht offen. Verwundet von dem, was passiert ist, haben sich Ihre Herzen zugemacht. Aus Angst vor noch mehr Schmerz.

Es geht aber trotzdem ein Weg zum Wort Jesu. Dieser Weg geht von NN zum Evangelium. Sie wissen, dass er ein Licht war, hell und wohltuend, eine Orientierung für andere. Von Menschen wie ihm aus können Sie ahnen, was das bedeutet: Christus das Licht. Nicht ein Licht von vielen, sondern das Licht. Christus, die Sonne, die uns wärmt und mit ihrem Licht erfüllt.

Ich weiß: Die meisten halten das jetzt für frommes Geschwafel. Aber Sie können den Gedanken mitnehmen in die Nächte ohne Schlaf, an die Schreibtische, auf die Wege durch die Natur, auf die Autobahn. Da kann er wirken.

So könnte es sein, dass NN noch einmal, schon wieder Gutes bewirkt. Ein Mann, der in dieser Welt licht und hell war, weist uns hin auf das wahre, endgültige Licht: den Auferstandenen. Anders gesagt: Je dunkler die Menschen sind, desto schwerer wird es, an Christus zu glauben. Deswegen ist ein heller Mensch so wichtig.

Ist das Geschwafel? Gibt es Beweise? Einen sehe ich: Der Tod unseres Bruders hat so viele Menschen zueinander gebracht, er hat einen Strom von liebevollen Worten und Gesten ausgelöst, Nähe, Hilfsbereitschaft.

Mehr Liebe als Tod. Das ist meine Bilanz dieser Tage.

Liebe Schwestern, liebe Brüder! Ich kann Ihnen nichts aufzwingen, nichts befehlen, ich kann keinen hier zum Glauben bringen. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich glaube, seit meiner Kindheit bis heute, durch allen Quatsch meines Lebens hindurch, an die Auferstehung. Felsenfest. An die leibliche Auferstehung Jesu vor 2000 Jahren und an die Auferstehung Ihres Mannes und Vaters, unseres Bruders. Denn das wurde er in seiner Taufe. Er bleibt es, auch jenseits der Schwelle.

FÜRBITTEN

Einleitung (Zelebrant):

Ein solcher Tod erschüttert unser Vertrauen in Gott.
Beten bedeutet aber doch: Gott vertrauen. Gott, der noch über den Worten ist. Wir beten nach jeder Bitte einen Moment in Stille.

Lektorin / Lektor

Wir beten um Gottvertrauen. „Dein Wille geschehe!“ – STILLE

Johannes schreibt: „Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde.“
So ist die Ordnung der Schöpfung: Aus dem Tod entsteht neues Leben.
Der Tod unseres Bruders hat Menschen zueinander gebracht, liebevolle Worte und Gesten bewirkt, Nähe geschenkt und Hilfsbereitschaft geweckt.
Er hat uns verstehen lassen, was wichtig ist und was nicht.
Der Tod hat die Liebe nicht zerstört, sondern gestärkt.
Heiliger Geist! Erhalte das Leben in unseren Herzen, in unserer Gemeinde, in der Kirche. – STILLE

Irgendwann, irgendwo begegnen sich Gott und Mensch.
Gott, der gerecht und barmherzig ist.
Der Mensch, der frei ist. Der Ja oder Nein zu Gott sagen kann.
Wir beten für unseren Bruder und seine Begegnung mit Gott. – STILLE
Jesus sagt im Evangelium: „Ich bin nicht gekommen, um die Welt zu richten, sondern um sie zu retten.“
Die Welt ist in Gefahr.
Wir alle sind in Gefahr.
Herr, rette uns. – STILLE

Jesus hat Lazarus auferweckt. Und den toten Jüngling in Nain. Und das tote Mädchen. Aber das freut uns nicht. Wir fragen eher: Warum die und nicht wir?
Wir beten um den Glauben. Und um Großzügigkeit. – STILLE

Heiliger Geist,
lindere die Wut über dieses Sterben. Tröste und heile.
Bewahre vor Bitterkeit.
Wir beten für alle hier, die trauern. – STILLE

„Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.“
Heiliger Geist, Tröste die Trauernden in Israel, in Gaza, in der Ukraine.
Und die trauernden Eltern und Ehefrauen in Russland.

Wir beten für alle Väter. – STILLE

„Ich bin das Licht, das in die Welt gekommen ist.“
Wir sehen das Leben unseres Bruders im Licht.
Wir verstehen, was wir ihm verdanken.
Wir erkennen, was wir von seinem Leben und Sterben lernen können.
Wir beten für einander. Für die, die jetzt neben uns stehen. – STILLE

 

Beisetzung von NN. Marktheidenfeld, 24. April 2024

Frauen und Männer sterben. Sogar Kinder.
Es sterben Alte und viel zu Junge.
Es sterben Idioten und Verbrecher. Und die Guten.
Es sterben die Überzähligen und Ungeliebten und die, die wir so gerne behalten hätten.
Es stirbt der Sohn Gottes.
Es sterben die Fabelhaften, die Freunde, die guten Chefs und unschlagbaren Kollegen. Es sterben die, die wir lieben.

 

Sehr verehrte Frau NN,

Ich hatte nicht die Ehre, Ihren Mann zu kennen. Aber Sie und Ihre Kinder haben mir große Achtung für ihn vermittelt, Sympathie – und ein wenig Neugierde. Es fiel mehrfach das Wort „Sonnenschein“. Bis dahin war ich sicher, das könne man nur über einen süßen Dreijährigen sagen: „ein Sonnenschein !“ Ich dachte: Ein erwachsener Mann, den sie „Sonnenschein“ nennen, der muss ein Christkindle sein, ein Lamberl. Beim Zuhören habe ich verstanden, dass es sehr wohl erwachsene Männer gibt, die für die anderen wie der Sonnenschein sind: hell. Stärkend. Ich hätte es längst wissen müssen, denn im Evangelium werden solche Menschen geschildert: „Ihr seid das Licht der Welt!“ Ich verrenne mich doch nicht, wenn ich sage: Er war ein Licht in dieser Welt?

Bloß weil er einen guten Charakter hatte? Das reicht nicht. Ihr Mann war nicht automatisch ein Licht für viele andere, nicht bloß ein netter Kerl. Ich denke mir: Das war seine Idee vom Leben. So wollte er sein, schöpferisch, diszipliniert, mit einem sehr klaren Geist, aufmerksam, wach. Offen für Menschen, offen für das Fremde, offen für Neues.

So war er auf dem Weg, den er gemacht hat. Von Esselbach bis Shanghai. Über Berlin, Breslau, Boston… (Sie alle wissen, dass NN immer noch Esselbacherisch konnte).

Er muss seinen Weg gegangen sein zusammen mit vielen, vielen Menschen, Begegnungen, Entscheidungen, Problemen, die zu lösen waren. Auf diesem Weg ist er offenkundig kein Arschloch geworden wie so viele, die unbedingt Erfolg haben wollen. Er wurde stattdessen ein Licht. Er hätte zerrissen, getrieben, egoistisch werden können. Aber er wurde hell und stärkend. Er wird schon seine Schatten gehabt haben, seine Fehler. Sogar Heilige haben Fehler. Ernstzunehmende Männer haben Fehler (und Männer, die überzeugt sind, sie seien ohne Fehler, kann ich nicht ernst nehmen). Wer in der modernen Berufswelt ein echter Freund bleiben kann, seiner Frau, seinen Kindern, sogar für Schwiegereltern, Schwägerin, Geschwister, Kollegen, der hat an sich gearbeitet. Und war gesegnet gleichzeitig. Klingt Ihnen das zu fromm? Mir nicht. Ich erkenne diesen Segen in Dingen, auf die die Leute kaum achten. Dass einem Mann genau an seinem dreißigsten Geburtstag der erste Sohn geboren wird, dass ein Mann so viele Jahre mit seiner Frau zusammenbleibt – also wirklich zusammen, nicht einfach bloß im selben Haus – dass die beiden noch immer zusammen lachen, solches lässt mich an den Segen glauben. Und noch etwas: Die Zuversicht, die er ausstrahlte.

Der Segen bleibt. Auch wenn da jetzt Wut auf Gott oder das Schicksal ist, wenn jetzt Bitterkeit oder Kälte Schutz gegen den Schmerz zu bieten scheinen: Der Segen bleibt. Schauen Sie darauf. Grübeln Sie nicht. Wir wissen nicht, was ihm erspart geblieben ist und wir wissen nicht, welche Möglichkeiten ihm genommen wurden. Wie wäre sein Leben hier noch geworden? Wir wissen es nicht. Lernen Sie, mit diesem Schweigen zu leben. Das geht.

Wie können Sie weiterleben, Sie, die traurig sind und denen er so sehr fehlt?

„Ewig unvergessen“, schreiben die Bestatter auf ihre Bildchen. Das ist Quatsch. Es braucht keine drei Generationen und wir alle hier sind vergessen.

Pflegen Sie einfach die Erinnerungen. Das ist besser als Sarg-Sprüche. Wie pflegt man Erinnerungen? Indem man von ihm erzählt. Einander. Eines Tages seinen Enkeln. Hüten Sie die kleinen Geschichten, die Anekdoten, die Momente, in denen Sie zusammen gelacht haben, in denen Sie zusammen etwas verstanden haben. Wenn Sie das nicht tun, ist von ihm in ein paar Jahren nur noch sein Geburtsdatum übrig. Das braucht kein Mensch.

Wie können Sie weiterleben? Seien Sie dankbar. Durch ihn wurde uns viel geschenkt. Dankbarkeit ist etwas Einfaches und Starkes. Vergebung auch. Vergeben Sie das, was Sie verwundet hat. Vergeben Sie Gott. Vergeben Sie NN, wenn er Ihnen weh getan haben sollte.

Auch dies hilft: Tun Sie Gutes. Handeln, etwas Richtiges, Gutes tun für andere, ist das beste Mittel gegen Traurigkeit und Bitterkeit. Besuchen Sie Kranke und Alte. Erzählen Sie von ihm. Man muss doch wissen, dass es in dieser wahnsinnigen Welt auch Menschen wie NN gibt.

Und denen hier, die an Gott glauben, besonders denen, die an Christus glauben sage ich noch: beten Sie. Beten Sie für seine Familie, beten Sie für Ihn. Denn irgendwann, irgendwo begegnen sich Gott und Mensch. Gott, der gerecht und barmherzig ist, der Mensch, der frei ist und Ja oder Nein zu Gott sagen kann. Beten Sie für unseren Bruder und seine Begegnung mit Gott.

Zum Schluss ein Wort, das ich neulich gefunden habe. Da heißt es: „Vielleicht habe ich gelernt, dass uns nichts helfen wird. Dass es aus einer schwierigen Situation, die sich Leben nennt, keinen Ausweg gibt. Man kann sich nur ablenken. Schau ein Baseballspiel, geh ins Theater, verbring Zeit mit deiner Familie.“ Sagt der fast 90-jährige Woody Allen.

Aus Gründen des Datenschutzes sind die Eigennamen gelöscht.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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