Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Mittwoch der 31. Woche im Jahreskreis

08/11/2023 


Die Predigt zum Anhören

Mittwoch der 31. Woche im Jahreskreis
Predigt in Marktheidenfeld St.-Laurentius am 08. November 2023

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Wollen Sie von mir geliebt werden und wenn ja, wie? Soll ich Sie lieben wie ein Liebhaber? Sicher nicht. Wie eine Barmherzige Schwester mit der Flügelhaube? Eher auch nicht. Wie ein Freund, wie ein Kumpel? Dafür sind wir uns nicht ähnlich genug. Und so lande ich bei der Frage: Wie geht das, Nächsten-Liebe? Offenkundig gibt es viele verschiedene Arten der Liebe. Ebenso offenkundig bedeutet Nächstenliebe nicht den Ewigen Sankt-Valentin-Tag. Jedenfalls dann nicht, wenn wir uns an Paulus halten und an die Worte, mit denen er sich heute an die Christen in Rom wendet. Da wird klar: Für ihn hat Liebe mit dem Gesetz zu tun, nicht mit Gefühlen, sondern mit den Geboten.

Nächstenliebe bedeutet: Du sollst deinem Nächsten nichts Böses tun. Damit sind alle einverstanden, oder? Aber was heißt das, konkret, dem Nächsten nichts Böses tun? An diesem Punkt fängt das Gestammel an. „Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses“, schreibt Paulus. Gilt das überhaupt noch?

Mir scheint beinahe, in unseren Tagen geht es nicht mehr um den Nächsten, nicht um den Menschen vor mir, sondern es geht um das große Ganze, um die Strukturen. Nicht um Menschen, sondern um Überzeugungen. Das schlichte Mitleid mit den Opfern des Massakers, mit ermordeten Menschen gibt es nicht mehr. Stattdessen rufen alle sofort: „Ja, aber…!“ „Aber die Israelis haben doch auch!“ Und manche rufen auch schon: „Aber die Juden haben doch auch…!“ Als ob kein Unterschied wäre zwischen dem Staat Israel und den Juden. Nicht alle Juden finden Israel gut.

Worauf ich hinaus will: Die erste, die menschlichste, die einfachste Reaktion auf die Schrecken, das wäre der Schmerz, das Verstummen. Nicht das Ja-aber. Dieses ist erst der zweite Schritt.

Noch einmal: Wie geht Nächstenliebe? Bedeutet Nächstenliebe vor allem: Du darfst Deinen Nächsten nicht erschrecken? Tue niemals etwas, wodurch Dein Nächster traumatisiert werden könnte! Also empfiehl kein Buch, das jemanden verunsichern könnte. Also verlass den Raum, wenn Du weiß und konservativ bist, weil Du Menschen erschrecken könntest, die nicht weiß und nicht konservativ sind. Verlass den Raum, wenn Du ein Mann bist. Wenn Du einfach nur eine Frau bist so wie früher. Wenn Du nicht queer bist. – Wissen Sie, dass man heute nicht mehr schwul sein darf, sondern queer sein muss? Wissen Sie, dass Sie heute aus dem Hörsaal fliegen, wenn sich irgendeine Person von Ihnen behelligt fühlt? Schützt die Gefühle! Das ist jetzt Nächstenliebe. Die Gefühle der Minderheit. Aller Minderheiten. Nein, nicht aller. Wenn die Katholiken eine Minderheit wären, hätten sei keinen Schutz verdient. Warum? Weil sie schuldig geworden sind. Strafe muss sein. Die Strafe – gesellschaftliche Ächtung – ist wichtiger als die Vergebung.

Können Sie sich vorstellen, was solche Ideen für unsere Hl. Messe bedeuten, wo doch Texte aus der Hl. Schrift vorgetragen werden, die verstörend sind, erschreckend, gewaltig? Was wird sein, wenn sich jemand verletzt fühlt, nicht weil Sie sich im selben Saal aufhalten, sondern in derselben Stadt? Im selben Land? Müssen Sie weg, weil Ihre bloße Existenz andere verunsichert? Viele rufen jetzt, Israel müsse aufhören zu existieren. Da habe ich nur noch eine Frage: Wo sollen die Juden hin, wenn sie zwischen Meer und Jordan nicht mehr sein dürfen? Hat Greta Thunberg darauf schon eine Antwort? Gibt es denn Gegenden auf der Erde, die bewohnbar sind, wo es keine Ureinwohner gibt, wo die Bevölkerung Israels Platz hätte? Gibt es nicht?

Fällt den schlauesten Köpfen Deutschlands keine Lösung ein? Vielleicht eine aus den Geschichtsbüchern? Wo sollen „die Ausländer“ hin, die kein Land zurücknimmt? Hat Frau Weigel schon Ideen? – Wir verlegen übermorgen hier in Marktheidenfeld weitere „Stolpersteine“, die an deportierte Jüdinnen und Juden erinnern – und zur gleichen Zeit wollen Leute, junge Leute vor allem, den Staat Israel vernichten. Sie wissen, dass im Staat Israel Menschen leben? – Ich für meinen Teil weiß eines sicher: Jesus war ein Jude. Seine Mutter, zu deren Ehren sich nachher die Rosenkranz-Beter*innen versammeln, war eine Jüdin. Damit ich für mich alles klar. Da ist kein Ja-aber.

Kolonialismus, Rassismus, Ausgrenzung, Unterdrückung sind böse: Das ist der allgemeine Konsens heute. Zu Recht. Aber jemanden belügen? Das dient der Karriere, siehe Lebenslauf. Jemanden beklauen? Ist lustig. Siehe Kaufhaus. Jemanden begehren? Ist ein vitales Grundrecht. Also ist es nicht böse, einer Frau den Ehemann auszuspannen. Was die Zehn Gebote verbieten, ist harmlos geworden.

Es braucht eine neue Klarheit. Ich finde sie bei Paulus: „Nur die Liebe schuldet ihr einander immer.“ Liebe ist geschuldet. Liebe ist nicht das Bonbon, das man geben kann oder auch nicht. Liebe ist geschuldet. Das ist einfach. Das kann jeder leben. Auch wer nie ein Buch liest, auch wer von Kolonialismus keine Ahnung hat, LBGTQ-Menschen und alte weiße Männer, Kinder und Helikopter-Mütter, alle können das, wenn sie wollen: dem anderen die Liebe geben, die ihm geschuldet ist. Das geht, wenn sie bereit sind, ihre Liebe zu reinigen vom bloßen Trieb allein, von der egoistischen Eitelkeit, von Kumpanei und Komplizenschaft. Liebe braucht Läuterung.

Was braucht Liebe nicht? Das Argument „Die haben auch…“ Was braucht es stattdessen? Helfen. Nicht belügen. Nicht neiden. Nicht bestehlen. Nicht töten.

Es braucht für die Liebe keine großen Gefühle, es braucht einfach „die Erfüllung des Gesetzes“.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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