Donnerstag der 22. Woche im Jahreskreis
Donnerstag der 22. Woche im Jahreskreis (Kol 1,9-14) Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Markus Söder ist wirklich ein Prachtstück. Er hat dieser Tage den Minister Aiwanger aufgefordert, „Reue und Demut“ zu zeigen. Da haben wir zwei Spezialisten beisammen. Lustig, dass jetzt Politiker von Reue und Demut reden. Früher war das eher Sache der Priester. – Kennen Sie Priester, die noch von Reue sprechen? Dann müssten sie auch von Schuld sprechen. Reue gehört ja mit Schuld zusammen. Schuld ist aber abgeschafft. Oder ausgelagert hin zu den anderen. Die anderen sind schuld, immer. Die Frau, die einer anderen Frau den Ehemann ausspannt, ist nicht schuldig. Christus ist nicht wegen unserer Schuld gestorben, sondern aus irgendwelchen anderen Gründen. Damit sind wir schon ziemlich weit weg vom Christentum. Liebe Schwester und Brüder, meine Predigten bieten viel Anlass zu Widerspruch. Seltsamerweise kommt der aber nie. Eine Ausnahme gibt es. Ich sage gelegentlich, letzten Sonntag z. B.: Keiner von uns kann so in den Himmel kommen, wie er jetzt ist. Gott liebt uns, wie wir sind, stimmt. Aber die Sünden, die wir begehen, die sind Gott zuwider. Denn die Sünde ist das krasse Gegenteil von Gott. Gott wird uns also nicht so lassen, wie wir jetzt sind. Gott wird uns verändern, bevor wir zu ihm kommen können. Gott erträgt nur Heilige. Also wird er uns heilig machen. Hier auf Erden oder später im Fegfeuer. Erlösung, Gnade, Buße, Reue, alles das gehört hierher. Und alles das ist aus der Verkündigung verschwunden. Es ist bezeichnend, dass der sogenannte Bußakt am Anfang der Messe, so wie er im Messbuch steht und so wie ich ihn mit Ihnen bete – „Ich bekenne Gott dem Allmächtigen…“ –, dass der woanders kaum noch gebetet wird. Warum? Das Ergebnis dieser Entwicklung sind auch die politischen Debatten, die wir gerade erleben. Da ist das Übliche zu beobachten: Ich war ’s nicht. – Ich war es nicht allein. – Der andere war ’s. – Die haben aber auch. – Es ist doch lange her. – Es war nicht so gemeint. – Es ist eine Kampagne. Ich bin das Opfer. Die Eltern hier merken es als Erste: So reden Kinder. Oder Politiker. (Sehr männlich ist das nicht.) Zur heutigen Lesung. Da heißt es: „Er hat uns aufgenommen in das Reich seines geliebten Sohnes. Durch ihn haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden.“ Mit anderen Worten: Alles ist gut. Damit sind aber die meisten nicht zufrieden. Sie fragen: wozu Vergebung? Warum Erlösung? Das ist doch Religionsquatsch. Wieso nicht einfach so in den Himmel, ohne diese „Erlösung“? Den meisten Menschen ist es schwer erträglich, dass ein anderer ihnen vergibt. – Ist Ihnen nicht auch schon aufgefallen, dass Leute, denen Sie etwas Gutes getan haben, plötzlich ganz rabiat werden? Dankbar sein zu müssen, ist für viele offenbar eine echte Qual. Ich sehne mich nach Erlösung und ich freue mich, wenn ich dankbar sein kann. Deswegen kann ich mit vielen Menschen nicht viel anfangen. Sie sind mir fremd. Wer von Vergebung und Erlösung nichts hören will, der will eigentlich mit Gott nichts zu tun haben. Die Menschen hätten am liebsten einen Himmel ohne Gott. Der Ehebrecher, die Kinderschänderin, der windige Kaufhausdieb, alle würden am liebsten hören: kein Problem, alles gut. Ohne den Schmerz der Reue, ohne Aussprache, ohne Bekenntnis, ohne Gegenüber, ohne Vergebung. Alles gut, einfach so. Was für eine Geringschätzung des anderen! Was für eine Feigheit! Warum nicht mal ein TV-Krimi, wo der Mörder bitter bereut (und, übrigens, die Kommissarin einfach höflich ist). Oder mal Politiker*innen, denen etwas wirklich leidtut; die sich also nicht bloß über einen Fehler ärgern. Die wirklich dankbar sind für eine neue Chance. Es wird immer gerätselt, was der Beitrag der Christen zur modernen Gesellschaft sein könnte. Die letzten Tage haben es klar gezeigt: Wir könnten zeigen, wie das geht: um Verzeihung bitten. Wir könnte es vormachen, wie das geht: dem anderen vergeben, – ohne ihn zu demütigen. Wie das geht, die eigene Sehnsucht nach Heilung der Seele wahrzunehmen. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören
Predigt in Oberndorf am 07. September 2023