Fest des Heiligen Justin
Fest des Heiligen Justin Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Einen Mann, der vor mehr als 1.500 Jahren zu Tode kam, hält die Kirche für so wichtig, dass sie allen Katholiken aufträgt, ihn Jahr für Jahr zu feiern. 1. Juni, Fest des hl. Justin (wie Justin Bieber). Überall auf der ganzen Welt, wo heute die Hl. Messe gefeiert wird, soll es um diesen Mann gehen. Damit wir etwas verstehen. Damit wir verstehen, wie wichtig es ist zu denken, wenn man glaubt. Der hl. Justin wurde um das Jahr 100 in Palästina geboren, in einer Familie, in der keiner an Christus glaubte. „Was ist die Wahrheit?“ Das trieb den jungen Mann um. Er suchte in allen möglichen Büchern, Diskussionen, Lehren und Schulen. Nichts. Exakt wie es in der Lesung heißt: „Ich lasse die Weisheit der Weisen vergehen.“ Genau diese Erfahrung machte Justin. Und dann? Dann fand er die Wahrheit im Glauben an Jesus Christus. „Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit.“ Justin war überzeugt davon, dass Glaube und Vernunft miteinander gehen können; dass der Glaube das Fühlen und Denken betrifft. Dass der Glaube nicht nur für Weihnachten oder die Familien-Taufe ist, sondern für das ganze Leben. Also auch für das Sterben. Um 165 wurde er unter dem allgemein für seine Toleranz bewunderten Kaiser Marc Aurel enthauptet. Weil er Christ war. An seinem Fest verstehen wir, dass der Glaube nicht in Gefühlsseligkeit, Kitsch und Verkinderung führen muss. „Ihr seid das Salz der Erde!“ Glauben und Denken also. Ist das etwas für Sie? „Ja, aber ich habe doch nicht studiert!“ – „Ich lese echt nicht gern.“ – „Ich habe so viel Arbeit und bin am Abend todmüde.“ – „Das ist mir zu hoch.“ Alles richtig. Aber es ist ja nicht so, dass Sie nie nachdenken. Sie denken sehr wohl nach. Über Ihre Nachbarn, über die Politiker, die Ausländer und Impfungen. Sie geben sich Mühe, die Post von der AOK zu verstehen und die Anleitung der neuen Microwelle. Sie denken. Und das ist nicht nur für die „Studierten“! Sehen Sie, die hl. Johanna von Orléans war ein ganz einfaches Bauernmädchen und machte alle sprachlos mit den einfachen, klaren, blitzgescheiten Antworten, die sie den Gelehrten gab. Warum denken so wenige über den Glauben nach? Warum haben so viele sofort eine Meinung zu Glaubensdingen, ohne je eine Frage gestellt zu haben? Warum werde ich so gut wie nie gefragt: Herr Pfarrer, wie ist das mit der Allmacht Gottes? Wie kann im Himmel Platz sein für alle Menschen, die es je gab? Was bedeutet die Krankensalbung? Usw. Es wird so wenig gedacht in der Kirche. Warum? Erste Antwort: Faulheit. – Die Leute sind fleißig, sie scheuen die Arbeit wirklich nicht, nicht im Beruf und nicht im Ehrenamt. Aber dass Glaube Lernen bedeutet, das leuchtet keinem ein. Zweite Antwort: Angst vor den Entdeckungen. Wer denkt, kommt auf etwas. Oft etwas Unerwartetes, das Folgen haben wird. Davor schrecken viele zurück. Lieber nicht denken. Nur fühlen und meinen. Wenn ich nicht weiter nachdenke, bin ich auch dafür, den netten Muslim aus der Firma zur Erstkommunion einzuladen. Und warum soll er dann nicht auch die Hostie empfangen? Liebt Christus nicht alle Menschen gleich? Wenn ich aber nachdenke, dann frage ich mich: Was bedeutet die Kommunion eigentlich? Ist die nicht ein Bekenntnis zu Christus, das ein Muslim gar nicht geben kann, weil er nun einmal nicht an Christus glaubt? Und warum hatte Jesus nur die zwölf Apostel um sich, als er die Eucharistie stiftete, keine Fremden, noch nicht einmal seine Freunde Martha, Maria und Lazarus? Wieso haben Sie Scheu, den Glauben mit dem Denken zu verbinden? Liebe hat doch auch mit Verstehen-wollen zu tun. Und hat Gott Ihnen nicht auch einen Verstand gegeben? Soll der nur dazu dienen, eine Amazon-Bestellung hinzukriegen? Versuchen Sie doch mal Folgendes. Fragen Sie sich: Was bedeutet das, was ich gerade tue? Oder fragen Sie Ihre Tochter: Wohin bringt dich das, wenn du drei Minuten vor der Messe in der Sakristei über eine in der Schule schimpfst? Tut das deiner Seele gut? Wird die Welt dadurch besser? Entdecken Sie, dass Nachdenken über den Glauben eine Art Gebet ist. Dass es Freude macht, etwas zu verstehen. Und etwas weitergeben zu können (warum erzählen Sie Ihren Enkeln nicht die Geschichte ihrer Namenspatrone?). Danken Sie Gott, dass er Ihnen einen Kopf gegeben hat. Schmeißen Sie das Kreuzworträtsel mal in die Ecke, hören Sie mal auf im Netz zu surfen. Denken Sie. Wenn es gut geht, macht Sie das Denken klug. Und tapfer. Und sogar freundlich. „Zwider“ sind in der Regel die Leute, die nicht denken. So nämlich muss der hl. Justin gewesen sein: kein kalter Intellektueller, sondern ein heller Kopf, der Gott je mehr liebte, je mehr er über ihn nachdachte. Dazu ein Mann, der Menschen zusammenhalten konnte. Und tapfer war. Amen. PS: Sie wissen, was Sie jetzt gute fünf Minuten lang gemacht haben? Sie haben über den Glauben nachgedacht. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören
Predigt am 01. Juni 2023 in Esselbach