Pfingsten 2023 – Predigt in Homburg am Main
Pfingsten 2023 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Zu hoch, zu intim, nicht wirklich wichtig: So ist das mit dem Heiligen Geist. Natürlich wird in allen Pfarreien Pfingsten begangen. Aber ist der Tag wirklich ein Fest? Glüht irgendwo ein Herz? Mir scheint, es wird halt erledigt. Was noch schlimmer ist: Wenn ich gläubigen (!) Menschen vom Heiligen Geist spreche, werden die Mienen in der Regel höflich. Es widerspricht keiner, aber da ist keine Sehnsucht. Keine Sehnsucht nach dem Heiligen Geist. Dementsprechend sieht die Kirche aus: geistlos. Landläufige Meinung: Der Heilige Geist ist etwas für Theologen. Also für Leute, die über unnütze Dinge nachdenken. Wo es um den Heiligen Geist geht, wird es den meisten auch zu intim. Zu Recht irgendwie, denn wo sonst soll der Heilige Geist wirken als im Allerinnersten des Menschen, in einer Tiefe, von der die Esoterischen keine Ahnung haben. Also lieber nicht an das Innere rühren. So ist Pfingsten das unnütze Fest. Diese Situation ist verheerend. Wo es so ist, wird die Kirche absterben. Ich kann es Ihnen noch deutlicher machen. Sie erinnern sich: Weinwandertag. 7000 Menschen. Die wissen, was sie haben: Freunde, super Wetter, Wandern und Wein. Perfekt. Am gleichen Tag, Christi Himmelfahrt, in der gleichen Gegend in den Messen vielleicht 200 Leute. 1:0 für den Wandertag, die Kirche kann einpacken. Wie geht es den Haupt- und Ehrenamtlichen damit? Sie sind traurig? Bestürzt? Oder stecken sie im beinahe gelangweilten „Ist-halt-so“? Was hatten die in den Kirchen an jenem Tag? Ich weiß immerhin, dass die in Zimmern eine sehr schöne Flurprozession hatten, bei der wirklich gebetet wurde. Aber sonst, was hatten die Kirchgänger? Die hatten Sicherheit. Und Langeweile. Ist der Heilige Geist so: sicher und langweilig? Verstört oder bewegt oder erhoben wird keiner nach Hause gegangen sein. Ist so der Glaube: langweilig und sicher? Was ist das Mittel gegen langweilige Gottesdienste? Gängige Antwort: Gestaltete Gottesdienste. Ein Ausschuss. Das wird nichts. Unsere Gottesdienste sind längst gestaltet. Hier liegt das Buch, in dem steht, wie es geht. Seit über 1500 Jahren hat die Messe alles: Poesie, Symbole, Musik (alte und neue). Sie hat das Heilige, die Stille, das Geheimnis, Schönheit, Fragen, die jeden Menschen bewegen, Worte, die einen umhauen. Man muss halt Vertrauen haben in das, was uns da geschenkt ist. Hat aber keiner. Also basteln alle herum; wollen es besser machen. Dabei bräuchte es nur: Ernst, Glauben, ein Herz, Vertrauen. Offenheit. Für was? Für den Geist. Den man nicht produzieren kann wie einen Ringbuchhefter. Ein Kindergottesdienst braucht nicht unbedingt einen modernen Kirchenbau, wie es jetzt in der Zeitung hieß. Kinder haben nichts gegen Hochaltäre. Wir Erwachsenen haben etwas dagegen. Es genügt, die Kinder ernst zu nehmen und ihnen unvergessliche Eindrücke zu bescheren, Bilder und Melodien, die sie bis an ihr Ende nicht vergessen. Das beginnt leicht damit, dass man sich die Namen der Kinder merkt, spürt, ob ein Bub stolz ist auf die neuen Sneakers oder ein Mädchen Stress mit der Freundin hat. Oder damit, dass man den Menschen anschaut, dem man ein Sakrament spendet. Das ist nicht schwer. Die langweilige Sicherheit in vielen Kirchen hat Gründe. Ein Grund: Die meisten Menschen werden mit den Jahren zu Bescheidwissern. Irgendwann wissen Männer ja einfach alles. Sie können Nationaltrainer, Auto-Konstrukteur und Politiker in einem. Das ist todlangweilig. Ich will Männer treffen, in deren Kopf etwas abgeht, deren Herz schlägt, die Fragen stellen, die über sich und das Leben lachen können. Wenn mehr solche in der Kirche wären, sähe es schon anders aus. Noch ein Grund: Die Berufschristen. Die setzen gerne fest. Was konservativ ist und was fortschrittlich. Ein Priester in Soutane ist konservativ. Heilige Einfalt! Sie setzen fest, wie es zu sein hat. Zum Beispiel so: viele Worte – guter Gottesdienst. Aber Stille? Panik! Wieso kann man in der Kirche eigentlich nicht schweigen? Oder wieso steht fest: Loretto-Musik geht, Choral geht gar nicht? Sicherheit also. Maulen, aber nicht streiten. Langweile. Ich verstehe das sogar. Weil mich der Wandel der Welt auch verunsichert. Aber so ist der Glaube nicht. Und der Glaube muss sich nicht mir anpassen, sondern ich muss mich dem Glauben anpassen. Maßstab ist nicht meine Schiss vor Veränderungen, sondern die Hl. Schrift. Jesus muss nicht einer von uns werden, sondern wir müssen welche von Jesus werden. Jesus hinterlässt eine Lücke. Er wird nie mehr bei den Jüngern sitzen und mit ihnen essen. Stattdessen gibt er etwas, das wir nicht sehen können: den Geist. Geist kann man nicht fassen und nicht halten. Deswegen mögen die Leute den Heiligen Geist nicht. Die Leute suchen immer Dinge, die sie halten können: Häuser oder Überzeugungen. Pfingsten gelingt aber nur, wenn Sie Unsicherheit aushalten. Gerade in einer Zeit, in der keiner Fragen stellt, aber alle behaupten. – Sehen Sie, ich frage mich: Liebe ich wirklich? Geht es um Liebe oder um Angst vor dem Alleinsein oder um den Unterleib? Ich frage mich auch: Glaube ich wirklich? Oder sind das nur meine Ideen von Gott? „So muss die Kirche sein!“ Wer sagt das? Sind die Konservativen sicher? Sind die Reformer*innen sicher? Der Heilige Geist treibt uns weiter. Aber viele in der Kirche verweigern sich. Es steht alles so schrecklich fest! Bleiben Sie nicht fest. Bewegen Sie sich! Es muss nicht werden, wie ich es gerne hätte, es kann sein, dass ich falsch liege, ich kann Positionen räumen: Alle diese Entscheidungen halten uns im Übergang. Wir haben Halt im Beweglichen. Im Heiligen Geist. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören
Predigt in Homburg am Main am 28. Mai 2023