23. Mai – Dienstag der siebten Woche nach Ostern
Dienstag der siebten Woche nach Ostern Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Zwischenzeit, diese Tage von Christi Himmelfahrt bis Pfingsten. Übergang. Etwas hört auf, etwas anderes kommt. Etwas, das keiner kennt: der Heilige Geist. So etwas macht die meisten nervös. Dann gehen sie statt in die Messe lieber den Weinwanderweg, da weiß man, was man hat. Wissen, was man hat, sich auskennen, Bescheid wissen: Passt das zum Fest des Heiligen Geistes? Im Evangelium heute sagt Jesus: „Ich bin nicht mehr in der Welt… Ich gehe zu dir“. Zum Vater. Woanders im Johannesevangelium heißt es noch klarer: „Es ist gut für euch, dass ich fortgehe. Wenn ich nicht gehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen“ (Joh 16,7). Jesus ist im Gehen. Jesus geht weg von uns. Fällt Ihnen auf, wieviel Bewegung in der Heiligen Schrift ist? Abraham verlässt seine Heimat, ein Volk zieht durch die Wüste, Maria eilt in das Bergland von Judäa, Jesus zieht durch Galiläa hinauf nach Jerusalem. Und schließlich schickt er seine Jünger „zu allen Menschen“. Sie müssen also aufbrechen. Die Kirche ist immer im Gehen. Wer aber geht, der geht immer ins Ungewisse. Auf dem Weg kann alles sein, von der großen Liebe bis zum Tod, alles. Manchmal wird mir das schwer. Ich würde gerne ausruhen. Ich würde gerne bleiben, wo es schön ist, wo alles vertraut ist. Ich würde gerne weiter so denken, wie ich immer gedacht habe. Doch das wird Christus nicht erlauben. Mir nicht und Ihnen nicht. Der Heilige Geist treibt uns weiter. Viele sagen dazu: nein! Jesus selbst kommt vom Himmel und geht zum Himmel hinauf. Er geht fort. Und hinterlässt eine Lücke. Er wird nie mehr bei den Jüngern sitzen und mit ihnen essen. Wir können Jesus nicht sehen. Wir sehen nur die Hostie und die Kirche und die Welt. In den Tagen zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten ändert sich etwas radikal. Kein Kind in der Krippe mehr, kein Körper am Kreuz mehr, stattdessen: Geist. Für die Augen, unsere Sinne, unseren Verstand wie eine Lücke; der Verdacht oder die Angst, der Geist sei nichts; nichts als eine entsetzliche Lücke. Kann man die aushalten oder muss man sie füllen? Jesus geht weg. Statt seiner gibt er gibt uns etwas, das wir nicht sehen können und nicht greifen können: den Geist. Geist kann man nicht halten. Deswegen mögen ihn die Leute nicht. Sie suchen sich immer Dinge, die sie halten können: Gebäude oder Geld oder Ideen oder Prinzipien, die feststehen. Pfingsten gelingt nur, wenn Sie sich der Unsicherheit stellen und sie nicht gleich wieder durch Sicherheiten ersetzen. Sie müssen Unsicherheit aushalten. Ich z. B. frage mich: Liebe ich wirklich? Habe ich je wirklich geliebt? Oder hat es nur weh getan? Oder war es nur geil? Geht es um Liebe oder um Angst vor dem Alleinsein oder um den Unterleib? Ich frage mich auch: Glaube ich wirklich? Ist das Gott oder sind das meine Ideen von Gott? Bin ich der, für den ich mich halte oder der, für den die anderen mich halten? Oder: Wie zuverlässig sind meine Erinnerungen, die tausenden? Ich werde nicht sicherer mit den Jahren. Das sind Tage gegen die Verfestigung der Kirche. Gegen die Zementierung der Wünsche: So muss die Kirche sein! – Wirklich, muss sie das? Wer sagt das? Sind die Reformer*innen sicher? Sind die Bewahrer sicher? Die 50 Tage zwischen Ostern und Pfingsten sind eine Schule. Die Jünger lernen loszulassen, zu hören, zu schweigen. Wo lernen Sie das in der Kirche: schweigen und hören? In den gängigen Messen mit der zwanghaften Kommunikation? Glauben Sie ernstlich, der Heilige Geist kommt, weil wir reden? Wollen Sie überhaupt, dass der Heilige Geist kommt? Schweigen, das kann eines der geistlichen Opfer sein, die der Apostel den Christen aufträgt. „Bringt geistliche Opfer dar, die Gott angenehm sind“ (1 Petr 2,5). So ein geistiges Opfer können auch die Sicherheiten sein. Es muss nicht werden, wie ich es gerne hätte. Es muss nicht werden, wie es richtig ist. Es kann sein, dass ich falsch liege. Ich muss nicht immer besser werden. Ich kann Positionen räumen. Alle diese Entscheidungen halten uns im Übergang. Wir haben Halt im Beweglichen. Im Heiligen Geist. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören
Predigt in Trennfeld am 23. Mai 2023