Zweiter Fastensonntag – Predigt in Oberndorf und Esselbach
Zweiter Fastensonntag (Lesejahr A) Predigt am 4. März 2023 in Oberndorf Predigt am 5. März 2023 in Esselbach Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Warum kommen Sie in die Kirche? Warum hören Sie irgendwann auf, in die Kirche zu kommen? Sie kommen aus Gewohnheit. Gut! Ohne Gewohnheiten kein Glaubensleben. Wer nur dann in die Kirche geht, wenn er Lust hat, zweimal im Jahr, wird nie ein echter Christ. Christsein muss man lernen. Zum Lernen gehört Üben. Üben hat zu tun mit Gewohnheiten. Schlimm wird das ernst, wenn es eine stumpfe Gewohnheit ist; wenn es stecken bleibt. Viele kommen in die Kirche, weil sie hier Geborgenheit spüren, eine Gemeinschaft. Die „bunte Gemeinschaft der Welt-Kirche“? Ich fürchte, der Gedanke an die Christen in Amerika bedeutet hier den wenigsten etwas. Schade, ist aber so. Viel wichtiger ist ihnen wohl die Gemeinschaft mit denen, die vor uns hier waren. Wer in die Kirche kommt, spürt die Gemeinschaft mit denen, die vor ihm hier gebetet haben, den Eltern, Großeltern, Urgroßeltern… Es gibt noch einen Grund, weshalb die Menschen in die Kirche kommen. Weil sie hier den Großen Fragen begegnen, den Fragen, die jeden Menschen umtreiben. Manche denken oft darüber nach, andere nur, wenn sie sich zugetrunken haben, still am Küchentisch sitzen und sich fragen: „Was soll ich eigentlich hier?“ Oder: Wie ist das jetzt mit Mann und Frau? Oder: Was kommt nach dem Tod? Was ist wirklich wichtig? Solche Fragen. Die Menschen kommen in die Kirche, weil sie da Geschichten hören, die von diesen Fragen handeln. Schöne, traurige, fremdartige, spannende, tröstliche Geschichten. Und manchmal findet man eine Antwort. Geschichten. Warum schauen sich die Leute alte Schlösser an, aber keine Sparkassen? Weil Sparkassen keine Geschichten erzählen. Manche Leben erzählen etwas, manche machen nur Worte. Jeder Soldat erzählt eine Geschichte. Die beginnt im Morgengrauen am Tag der Schlacht, die der Krieger vielleicht nicht überleben wird. Aber welche Geschichte erzählt eine Influencerin? „Ich habe nice Schuhe gekauft!“ Welche Geschichte erzählt ein „Coach“, weiß das jemand? Es gibt tausend Geschichten von einem König und einer Königin, aber keine einzige von einem Ministerpräsidenten. Jedes gute Bild, jeder Pop-Song, jedes Fußballmatch erzählt eine große Geschichte. Wo sind die Geschichten und die Großen Fragen in der Kirche? Mir scheint manchmal, die Priester haben sie vergessen. Erzählen die Priester noch von Geburt und Tod? Von Erlösung? Von Mann und Frau? Vom Heiligen? Früher gingen die Priester in die Messe wie in einen Kampf. Jetzt gehen sie und überlegen: „Was könnten wir denn diesmal anders machen?“ Millionen von jungen Männern hören die Geschichte, die ihnen der Rapper mit seinen goldenen Ketten, der Rolex und den Busen-Frauen erzählt. In der Kirche würde ihnen die (unbedingt ungeschminkte) Referentin vom Regenbogen erzählen. Die Jungs kommen aber nicht. Ein Flüchtling erzählt die Geschichte der Heiligen Familie neu, aber welche Geschichte erzählt ein Papst, der schon wieder „ermahnt“, „fordert“ oder irgendeinen „Tag“ ausruft. Tag des Kompliments oder Tag der Medien, was weiß ich. Die Leute zappen weiter, die Menschen hören auf, in die Kirche zu gehen. – Wir hungern nach Geschichten, die uns trösten und stärken und uns die Angst vor den Großen Fragen nehmen. Aber die Kirche lässt uns damit allein. Das Kino nicht. Eine dieser Großen Fragen ist die nach Gott. Auf allen Erdteilen, seit tausenden von Jahren stellen sich die Menschen diese Frage: Was ist das, Gott? Die drei Texte dieses Sonntags erzählen von Gott. Aber von welchem? Zuerst von einem Gott, der etwas will. Der verrücktes Zeug will. Abram war bestimmt ein anständiger Mann, gläubig, hatte es zu was gebracht, betete, hatte Familie, alles gut. Eines Tages will Gott etwas von ihm. „Zieh fort aus deinem Land!“ Und warum? „Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen.“ Ein stilles privates Männer-Leben wird aufgesprengt und in die Weltgeschichte gestellt. Gott kann das. – Es kann der Tag kommen, an dem uns etwas Schweres zugemutet wird. Kaum auszuhalten, aber richtig. Gut, nicht falsch. Die Freundinnen sagen: „Spür einfach, ob ‘s dir guttut“ und meinen: Wenn dir etwas keinen Spaß macht, lass es. Übersetzt: Mein Glück ist der Maßstab. Stimmt das? Wo ist die Mitte? Bin ich die Mitte oder ist es Gott? In der zweiten Lesung heißt es: „Er hat uns gerettet nicht auf Grund unserer Werke, sondern aus Gnade.“ Grob gesagt: Was wir leisten, zählt vor Gott nicht. Gefällt Ihnen das? Seien Sie ehrlich: Sie hätten lieber einen Gott, dem man sagen kann: „Ich mache eine Wallfahrt nach Lourdes, wenn du mir ein heiles Knie gibst.“ Hier aber treffen wir einen Gott, der keine Geschäfte macht. Der einfach schenkt. Der so anders ist als es unsere Welt von Leistung und Gegenleistung. Halten Sie es aus, vor Gott keine einzige Leistung anbringen zu können? Können Sie sich beschenken lassen? Kinder können das. Das Evangelium zeigt uns einen Gott, der verschwindet. Im Licht. So viel Licht plötzlich, dass die Apostel Jesus nicht mehr erkennen. So viel Helligkeit und Glanz, dass diese Männer nichts mehr kapieren. In diesem Moment lernen sie, dass wir Gott nicht verstehen können, wie man ein Ding versteht. Etwas verstehen heißt, es zu durchschauen. Wie soll das mit Gott gehen? Was sollen wir mit so einem Gott? Mit einem Gott, der nicht jedes Gebet erhört? Den man nicht immer spüren und fühlen kann? Was sollen wir mit einem Gott, der das, was wir von Ihm und vom Leben wissen, eines Tages zertrümmert? Als ich ein Bub war, da war das mit Gott wie auf einem Acker stehen, die Erde fest unter den Füßen. Übersichtlich. Heute tanze ich auf einer Nadelspitze. Ich weiß nur noch eines: Gott ist immer da und er will uns gut. Das genügt. FÜRBITTEN Wir bitten Sie um Ihr Gebet: Für die Toten des Krieges und des großen Erdbebens. – Wir beten in Stille. Für alle dort, die einen geliebten Menschen verloren haben. Für die körperlich Verwundeten und für die Traumatisierten. Für diejenigen, die nicht mehr ein noch aus wissen. Und auch für die Helferinnen und Helfer, die Risiken eingehen, um anderen zu helfen. Wir beten für unsere Kommunionkinder und ihre Eltern. Wir beten für die Toten unserer Pfarrei (Namen…) DANKSAGUNG nach der Kommunion „Man kann den höchsten Gott mit allen Namen nennen / man kann ihm wiederum nicht einen zuerkennen. Gott ist ein Geist, ein Feu’r, ein Wesen und ein Licht, / und ist doch wiederum auch dieses alles nicht. Was Gott ist, weiß man nicht. Gott ist nur eigentlich, er liebt und lebet nicht, wie man von mir und dir und andern Dingen spricht. Gott ist so über alls, dass man nichts sprechen kann, / drum betest du ihn auch mit Schweigen besser an.“ (Angelus Silesius, + 1677 in Breslau) Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören
(Die Predigt geht diesmal über alle drei Lesungen dieses Sonntags: Gen 12,1-4a; 2 Tim 1,8b-10; Mt 17,1-9)