Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Seelenmesse für NN, 21. Januar 2023

21/01/2023 


Die Predigt zum Anhören

Seelenmesse für NN, 21. Januar 2023
Predigt in Rossbrunn

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Ich habe Ihre liebe Verstorbene nicht gekannt. Ich weiß nicht, wie sie aussah; nicht, wie sie ging, wie ihre Stimme klang, wie sie roch; ich weiß nicht, wie sie lachte, laut oder leise. Ich kenne ihren Garten nicht. Hatte sie einen eigenen Garten? Wenn nicht, dann hatte sie ganz gewiss Blumen im Haus.

Wer es wie Ihre Frau Mutter selig liebt, mit den Pflanzen der Erde umzugehen, der weiß um das Aussäen, um das Warten, um die Zeit, um das Kommen und das Gehen. So ein Mensch wird weise. Auch wer, wie es unsere Schwester getan hat, oft an den Gräbern steht, nach dem Gießen im Sommer und dem Schmücken zu Allerheiligen, wird weise und still.

Kann der Tod so einen Menschen wirklich überraschen? Kann er uns Christen wirklich schrecken, wenn wir doch jeden Tag beten: „bitte für uns, jetzt und in der Stunde unseres Todes“? Die meisten Leute verdrängen heute den Tod; wir tun das nicht. Vielleicht haben wir es leichter, weil für uns Christen der Tod nur eine Verwandlung ist, ein Durchgang.

Eine Frau, die das Scheitern einer Beziehung erlebt, die zwei Kinder alleine großzieht, den geliebten Menschen durch ein Unglück verliert, Verwandte und Freunde zu Grab trägt, in einem Krankenhaus arbeitet, eine solche Frau weiß etwas vom Leben. Und steht wie alle, denen es ähnlich ergeht, vor der Grundfrage: Bitter werden oder aufrecht weiterleben? Die Liebe abschreiben als Illusion oder weiter lieben, immer weiter? Das ist die große Frage über jedem Leben. Sie wissen besser als ich, welche Antwort die Verstorbene gegeben hat. Verbittert und lieblos war sie doch ganz offenbar nicht…

Sie war, so scheint mir, eine Frau, die das Leben gelebt hat, so wie es nun einmal war. Sie wusste, dass man vieles im Leben nicht wählen kann. Es kommt, ob wir wollen oder nicht. Vielleicht verstehen wir eines Tages warum. Unsere Schwester ist nicht davongelaufen. Ich war schon beeindruckt, als ich hörte, dass sie es geklärt haben wollte, was da mit dem Herzen war. Also machte sie einen Termin aus. Die Dinge müssen getan werden. Keine Angst!

Frau NN wurde 1948 in Würzburg geboren, d. h. in einer zerstörten, hungernden Stadt. Für die Menschen damals war es bestimmt noch wichtiger als heute, in einer Familie geborgen zu sein. Die beiden Mädchen NN und NN haben zusammengehalten. Der Weg zur erwachsenen Frau ging durch die Schulen in Rossbrunn und Würzburg, dann in Wuppertal. Ihnen ist klar, was das bedeutet? Raus aus dem Dorf, wo jeder jeden kennt, weg von der Heimat, in eine fremde Stadt. Dieser Schritt in die Fremde ist wichtig, weil er falsche Sicherheiten nimmt. Das macht erwachsen. Dieser Schritt braucht Mut, Krankenschwester zu werden, braucht noch einmal Mut. Sicher war die junge Rossbrünnerin froh, dass es in Wuppertal ihre Cousine NN gab: Geborgenheit. Geborgenheit fand sie auch in der ersten Ehe, beim Mann und den zwei Kindern. Aber nicht lange. Die Ehe zerbrach. Kinder allein großzuziehen war damals eine schwere Herausforderung, noch mehr als heute. Unsere Schwester hat sich dem gestellt – und dabei noch die Kraft gefunden, anderen zu helfen. Den Pflegekindern NN und NN im Haus der Mutter war sie wie eine große Schwester. Sie half bei den Festen der Gemeinde. Sie half bei Theater-Aufführungen. Sie half im Obst- und Gartenbauverein. Sie half in der Kirche. Nicht, um im Rampenlicht zu stehen. Vielleicht wusste sie einfach, dass Menschen Hilfe brauchen.

In den 90er-Jahren hatte sie den Mann gefunden, der zu ihr passte. 2001 heirateten die beiden. Ganz im Stillen. Ein schönes Bild.

Ich bin sicher, Frau NN wusste, dass es ein Geschenk ist, den Richtigen zu finden. Das ist nicht die Regel, das passiert nicht zwanzigmal im Leben, darauf gibt es kein Recht, das man einklagen könnte. Der richtige Mensch ist ein Geschenk. Ein guter Mensch wird dabei dankbar. 2004 verunglückte NN tödlich. Vielleicht der schwerste Moment in einem sowieso nicht leichten Leben. Dazu traten noch andere Verluste, Mutter, Schwester, Schwager… Es braucht Zeit, bis klar ist, dass man weitermachen will und wie das gehen soll. Sie werden das jetzt selbst erfahren… Hören Sie nicht auf die, die Ihnen sagen: Nun ist aber genug mit der Trauer. Jeder hat seine eigene Zeit.

Ich bin hier bloß ein fremder Pfarrer auf Aushilfe. Aber es macht mich wirklich glücklich, wenn ich höre, dass Ihre Frau Mutter viele Jahre lang auf viele Weise in der Kirche mitgeholfen hat. Es ist so wichtig, dass die Kirchen offene Türen haben und schön sind. Da geht es nicht um Deko, es geht um Trost. Zu wissen: Die Kirche ist offen und wird liebevoll umsorgt, das ist für viele Menschen ein echter Trost in oft trostlosen Zeiten. Vergelt’s Gott!

Sie haben die Verstorbene gerne gemocht oder sogar geliebt; Sie haben sie gut gekannt. Nicht nur Ihre Gene kommen von der Mutter. Auch Ihre Sprache. Ihre Art, das Leben anzugehen. Hüten Sie Ihr Wissen. Hüten Sie die Erinnerungen, die kleinen Geschichten, die Worte. Erzählen Sie sie einander, immer wieder. So entsteht Erinnerung. Dass heute so viele Menschen ohne Erinnerungen leben müssen, wandern müssen ohne Heimat, ist ein Elend. Sie können das stoppen. Geben Sie diesen Kindern gute Erinnerungen.

Und, wenn es geht, geben Sie den Glauben Ihrer Mutter, Verwandten und Freundin weiter. Es soll nicht mit ihr enden, dieses Wissen, dass wir durch die heilige Taufe Geschwister werden und Tag um Tag auf dem Weg sind zum Vater. Zu Dem im Himmel.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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