Fest des hl. Johannes Nepomuk, 16. Mai 2022
Fest des hl. Johannes Nepomuk, 16. Mai 2022 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes „Halt!“ Der Hl. Ambrosius verweigert dem Kaiser den Zugang zur Kirche. Zuerst muss der Herrscher Buße tun. „Halt!“, sagt Papst Leo der Große dem Heer der Hunnen. Atilla zieht nicht nach Rom, die Stadt ist gerettet. „Halt!“, sagt Johannes Nepomuk dem König von Böhmen. Der Generalvikar des Erzbischofs von Prag leistet Widerstand. Der Tyrann foltert ihn eigenhändig mit brennenden Fackeln, lässt ihn durch die Straßen der Stadt schleifen und schließlich in der Moldau ertränken. „Sein Leben hielten wir für Wahnsinn und sein Ende für ehrlos“, heißt es in der Lesung. Ja, es ist Wahnsinn, auf dem Recht zu bestehen und noch einmal Wahnsinn, gegen den Stärkeren zu kämpfen. Darin sind sich doch alle einig. 22. Mai, Fest des hl. Johannes Nepomuk. Die bekannte Geschichte von Eifersucht, Geheimnis und Gewalt, von der Beichte der Königin und der Wut ihres Mannes und der Verschwiegenheit des Priesters ist wahrscheinlich eine Legende. Im echten Leben ging es um Bischofsernennungen, Besitzungen (also Geld), um Rechte und Recht. Staat gegen Kirche. Früher oder später wird das zum Kampf Mann gegen Mann. So ist es immer. Es gibt immer – und immer wieder – beide Lösungen. Es gibt den Kardinal, der im Hotel Imperial stundenlang im Vorzimmer wartet, um sich dann von einem Führer zusammenschreien zu lassen. Und es gibt den Lordkanzler, der dem kirchenspalterischen König den Eid verweigert. Halt! Thomas Morus bezahlt mit seinem Leben. Es gibt Benedikt XVI., der zum Frieden aufruft und dafür vom deutschen Kaiser und seinen Militärs ausgelacht wird, und es gibt Pius XII. der schweigt und im Hintergrund rettet und dafür verachtet wird. Es gibt den Patriarchen von Russland, der dem Tyrannen sagt: Gut so! Weiter! Und es gibt den Papst in Rom. Es gibt die Ukraine, die sich ergibt und die Ukraine, die weiterkämpft. Es gibt Fragen und keine Antwort. Die Geschichte ist wässrig und neblig, immer. Ich freue mich immer, wenn ich in Mailberg zum Schloss hinauffahre und da den Hl. Johannes Nepomuk stehen sehe, der den Weg, das Schloss, die Kirche, das Dorf, alle schützen soll. Meine Freude und mein Zutrauen sind rein, obgleich ich doch weiß, dass es die Jesuiten waren, die den Prager Priester im 18. Jahrhundert erst so richtig nach oben hypten. 1732 erhoben sie ihn zum ihrem zweiten Ordenspatron; die Jesuiten schrecken vor nichts zurück. Johannes Nepomuk sollte helfen, der Verehrung für den Ketzer Jan Hus endgültig den Garaus zu machen. Der böhmische Adel half den Jesuiten, dann der Kaiser, schließlich der Papst und so wurde Johannes Nepomuk in der Barockzeit eine Art Staatsheiliger des ganzen Habsburgerreiches. Heute steht er auf vielen kleinen Brücken der Heimat, sanft über den tödlichen Wassern. Mir gefällt vieles an der Geschichte nicht. Ich mag das allzu Schlaue nicht, den Plan und ich mag es nicht, wenn die Kirche Menschen verzweckt, sie einspinnt in eine Absicht, die im Büro ersonnen wurde. Jesus tut das nicht. Christus beruft Menschen, das ist etwas anderes. „Die triumphierende Kirche.“ Früher durfte man das noch sagen. Weil man jeder wusste, dass es auch die pilgernde Kirche gibt und die leidende Kirche. Heute ist der Triumph in Verruf geraten. Heute vermittelt die Kirche, sie bittet, sie versteht, sie moderiert und versteht noch einmal, sie bleibt mit allen im Gespräch und achtet jeden. Sogar den Blödsinn und den Verrat. Aber wann ruft sie ihr heiliges „Halt!“? Es gibt das Schweigen der Feigheit und es gibt das Schweigen der Stärke. Die Kirche weiß: „Der Gerechte wird voll Zuversicht dastehen. Er wird dastehen vor denen, die ihn bedrängt und seine Mühen verachtet haben.“ Der Gerechte, das ist Christus selbst. Das sind die Päpste und das sind die Getauften. Die Heiligen wissen: Der Tag wird kommen…! Der Tag Gottes. Der Gerechte „trinkt aus dem Bach am Weg“, er muss sich beugen. Aber dann kann er von Neuem das Haupt erheben. Das ist die Geschichte der Kirche. Der Ausgang der Geschichte ist nicht offen. Der Tyrann wird vergessen, Johannes Nepomuk steht schützend dort, auf den Brücken, an den Bächen und Schlossgräben. Er blickt – Sie erinnern sich – nicht auf die Menschen, sondern auf das Kreuz, das er in seinen Armen hält. „Wenn sie ihn sehen, packt sie entsetzliche Furcht und sie geraten außer sich über seine unerwartete Rettung… Sein Leben hielten sie für Wahnsinn und sein Ende für ehrlos“, als sein nasser Leichnam da vor ihnen lag, im Dreck der Moldau. „Jetzt zählt er zu den Söhnen Gottes, bei den Heiligen hat er sein Erbteil.“ Das ist die Geschichte der Kirche. Epilog. „Lass dir nichts gefallen! Setz‘ dich durch! Sag, was du denkst! Hab keine Furcht!“ So lehrt man die Kinder. Doch, wir sollen Furcht haben! Eine einzige. Stattdessen haben wir 1000 falsche Ängste. „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet euch vor dem, der Seele und Leib ins Verderben der Hölle stürzen kann.“ Wer ist der? Lange Zeit dachte ich: der Teufel. Falsch! Die Seele und den Leib ins Verderben der Hölle stürzen, das kann nur der Mensch allein. Diese Macht hat der Teufel nicht. Er ist nicht der Richter. Gott aber rettet keinen gegen dessen eigene Wahl und Freiheit. Gott wird lassen, was wir gewollt haben. Das „Halt!“ gilt also zuerst uns selbst. Ich fürchte mich selbst. Und hoffe auf Gott. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören