Dritter Sonntag der Osterzeit, 1. Mai 2022
Dritter Sonntag der Osterzeit, 1. Mai 2022 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Ach! Wenn doch nur nie einer auf Entscheidungen drängen würde! Wenn doch nicht ständig einer etwas wollen würde! Wenn doch nie die Rede wäre von Gut oder Böse und Widersagen und Wollen! Dann wären wir… glückliche… Meerschweinchen. Aber sind Meerschweinchen überhaupt glücklich? Dass sie so aussehen in unseren Augen, sollte uns nicht zu sicher machen. Vielleicht können nur Menschen wirklich glücklich sein. Und die Engel. Und Gott. „Gott ist in sich unendlich vollkommen und glücklich.“ Der erste Satz des Katechismus. Der erste Satz der gesamten katholischen Lehre. „Gott ist in sich unendlich vollkommen und unendlich glücklich.“ Gott entscheidet sich nicht. Nicht im Sinn eines Vorher-Nachher, eines Entweder-oder oder Besser-und-schlechter. Gott wird nicht. Gott ist. Wir hingegen entscheiden uns. Am besten für das Gute und gegen das Böse. Dass wir uns entscheiden können, frei, verantwortlich, über den Instinkt hinaus, ist ein Beweis unserer Herrlichkeit. Vorsichtiger ausgedrückt: ein Zeichen, dass wir erwachsen sind. Ich weiß, Sie würden Ihre Kinder gerne nur als Kinder sehen, so lange wie möglich. Es gibt Eltern, die nie akzeptieren, dass ihre Kinder erwachsen sind und ein eigenes Leben haben. Die Kirche hingegen – und das macht sie vielen unsympathisch – die Kirche sieht in den Kindern, die zur Kommunion gehen, schon heute die Erwachsenen, die sie sein werden. Mündige Menschen. Nur mündige Menschen kann man fragen: Widersagt ihr? Glaubt ihr? Die Apostel rufen: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Wie wollten Sie dieses Wort widerlegen? Deswegen kann die Kirche es wagen, den Kindern die Fragen zu stellen, die sie sich in Zukunft selbst stellen sollen: Wem widersprichst du? Für wen entscheidest du dich? Die Feier einer „Tauferneuerung“ ist nicht so rührend und harmlos, wie es aussieht. Sie ist in Wahrheit stolz, anspruchsvoll, überfordernd, wahr. Nicht gerade das, was man an einem Frühlingstag braucht… Wenn Sie jetzt irritiert sind, halte ich Ihnen entgegen: Was wollen Sie, Sie Christinnen und Christen? Diese Gedanken kommen vom Evangelium her. Da heißt es: „Er offenbarte sich noch einmal.“ Und dann fragt Jesus Petrus zum dritten Mal. Warum diese Wiederholungen, dieses Insistieren und Drängen? Weil das Leben größer ist als eine einzige Entscheidung. Ihre Ehe, das ist nicht nur der Hochzeitstag, sondern auch sagen wir 20 volle Jahre. D. h. 7.300 Tage. Viele Momente. Viele Entscheidungen. Ihr Glaube, das ist doch nicht nur ein einziger Moment, ein Gemütsziehen in der Mitternachtsmette, eine Träne an irgendeinem Grab oder der Elan einer guten Tat. Sie müssen ihren Glauben oft erfahren. Sie müssen ihn spüren, realisieren, ihn wählen, immer wieder. Weil der Glaube schwach ist. Der Glaube kann verschwinden. Deswegen die wöchentliche Messe! Jesus fragt Petrus drei Mal, Petrus antwortet drei Mal. Seine Entscheidung ist fest. Aber wie lange? „Ich werde Sie immer lieben!“ sagte die Dame dem Herrn neben ihr. „Ich werde Sie für immer lieben. Heute Abend!“ Dem Vergessen setzt die Kirche die Entscheidung entgegen. Weil der Alltag der Leute ein einziges Manöver des Vergessens ist. „Es gibt doch auch noch anderes zu tun.“ – „Man muss doch auch mal nach vorne schauen.“ Einen solchen Krieg kann man nur führen, wenn man vergessen will, wer alle diese Menschen sind, die man ausbombt. Ein KZ kann man nur organisieren, wenn man entschlossen ist, sich kein Gesicht zu merken. Und so ist der Priester hier das sprechende Denkmal. Wie der steinerne Mann in der Oper. Gut so. Damals bei der Taufe, als andere für uns sprachen, dann in jeder Osternacht, bei jeder Taufe und in den Wochen vor der Ersten Heiligen Kommunion, wenn die Gemeinden die „Tauferneuerung“ feiern und die Patinnen und Paten ihren Kinder die Hand auf die Schulter legen, wenn die Taufkerzen leuchten: Immer dann geht es um eine Entscheidung. Sie ist öffentlich. Rufbar. Hörbar. Ich widersage! Ich glaube! Ich liebe! Ich wähle den Weg zu Gott. Zu Gott, der in sich unendlich vollkommen und unendlich glücklich ist. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören