Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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4. Fastensonntag, 27. März 2022

27/03/2022 


Die Predigt zum Anhören

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Früher hieß das: „Das Gleichnis vom verlorenen Sohn.“ Heute sagen Kirchen-Insider lieber „Das Gleichnis vom barmherzigen Vater“. Vielleicht weil sie den Gedanken nicht mögen, ein Mensch könne verloren gehen. Wer das wirklich denkt, hat noch keine Bilder aus dem Kreml gesehen. Putin ist lost. Deswegen gefährlich.

„Gleichnis vom verlorenen Sohn“, „Gleichnis vom barmherzigen Vater“, vielleicht könnte man auch sagen „Gleichnis vom vernünftigen Bruder“. Denn das ist er ja, der ältere Sohn: vernünftig, fleißig, treu, gehorsam und er hat einen Sinn für Gerechtigkeit. Jesus scheint ihn trotzdem nicht richtig zu mögen. Warum?

Der ältere Sohn ist wie wir. Hier fängt die Sicherheit an zu bröckeln: Wo genau stehen wir vor diesem Gleichnis? Keiner möchte sein wie der Jüngere. Es möchte auch keiner sein wie der Vater, der sich ja ein bisschen lächerlich macht mit seiner Sehnsucht, seinem Warten, seiner Sentimentalität. Und so driften wir von Jesus weg. Wieder einmal. – Oder habe ich nicht Recht? Welche Eltern würden ihrem Buben sagen: Mach’s wie der jüngere Sohn in der Geschichte! Welche Nachbarn würden einen Mann loben, der es hält wie der Vater im Gleichnis? Der jüngere Sohn ist ein charmanter Hallodri, der ein Loser wird und dann ein jammernder Bittsteller. Der Vater ist ein unvorsichtiger alter Mann, der nachgibt, ein Kind verwöhnt und das andere nicht. Der ältere Sohn arbeitet sein Leben lang, er ist realistisch und gerecht, wenn auch ein bisschen kleinlich. Mit welchem der drei säßen Sie am liebsten zusammen?

Viel wichtiger aber: Wie wird es ausgehen? Fällt Ihnen auf, dass die Geschichte kein Ende hat? Ist das nur ein Trick des hl. Lukas, der ein guter Schriftsteller war? Will Lukas es einfach spannender machen? Das denke ich nicht.

Ein Paar, das hier heiratet, denkt nicht: Ende offen, toll! Es denkt: Nun ist alles gut; nun steht alles fest. Eine Kranke, die betet, denkt nicht: Naja, mal sehen… Sie denkt: Wenn ich nur geheilt werden würde, jetzt gleich, für immer! Menschen, die die Bilder aus dem Krieg ansehen, wünschen sich: Es soll zu Ende sein, noch heute, für immer! Ein Pfarrer, der in Rente geht, denkt sich: Wenn erst der Umzug geschafft ist, wird alles schön… Wir Menschen mögen das offene Ende nicht. Das aber bedeutet im Tiefsten: Wir mögen dieses Leben nicht; wir hätten gerne ein anderes Leben. Doch es gibt kein anderes, in dieser Welt nicht. Hier ist das Ende offen. Erst recht heute. Vor hundert Jahren war in Mailberg nicht viel offen; das meiste stand fest. Arm blieb arm, Frauen machten das, Männer jenes, die Kinder folgten… Jetzt merken wir, dass kaum noch etwas feststeht. Sie müssen lernen, damit umzugehen. Der Glaube hilft Ihnen dabei.

Ich glaube daran, dass Gott immer da ist, immer handelt. Aber erstens merken wir es nicht immer, und zweitens bleiben wir frei. Wir sind keine Marionetten Gottes. Wo aber Freiheit ist, da ist das Ende offen.

Manchmal erkennen wir: Hier handelt Gott. Der Vater nimmt den Hallodri wieder auf. Oder wir merken, Gott will etwas von uns: „Nun müssen wir doch feiern und fröhlich sein!“ Und dann ist es wieder, wie wenn Gott nicht da wäre… Gott schweigt, und das Leben geht weiter.

Was wird der jüngere Sohn nun tun? Im Haus seines Vaters, das einmal das Haus seines älteren Bruders sein wird? Was wird dieser Ältere tun? Sich versöhnen? Wird der Vater zwischen seinen beiden Kindern vermitteln können? Was erst, wenn eine Frau ins Spiel kommt?

Für viele bedeutet Glaube ja genau dies: kein offenes Ende. Glaube bedeutet für die Leute: keine Fragen mehr, alles sicher, Klarheit, irgendwie ein Abschluss. Mit diesem Evangelium geht Ihnen auf, dass das so nicht ganz stimmen kann. Gott handelt, aber geheimnisvoll, manchmal ganz klar, dann wieder ganz verborgen. Gott hockt nicht in einer Schachtel, die wir vermessen können. Und wir Menschen sind frei. Und außerdem unzuverlässig, unstet, uns selbst überraschend. Es mag Leute geben, die sich ihr ganzes Leben lang nicht ändern, immer das Gleiche denken. Ich halte solche wirklich für Dummköpfe – und bin begeistert, wenn ich entdecke, dass Frauen und Männer noch im Alter anfangen, auf neue Weise denken. Vor allem von Gott.

Man kann in diesem Evangelium bleiben. Man kann dieses Evangelium in eine Schachtel geben. 1000 Mal gehört, immer wieder schön, seid barmherzig, fertig. Man kann dieses Evangelium aber auch freilassen; man kann aus der Geschichte aussteigen und sie weiter beobachten. Dann merkt man: Das ist ja eine Geschichte, die weitergeht! Und wir wissen nicht wie. Ist das schlimm?

Die Pfarre ist auch eine Geschichte, die weitergeht, und wir wissen nicht wie. Jesus lehrt uns etwas sehr Wichtiges, Barmherzigkeit. Aber damit ist ja nicht alles getan. Nun müssen wir mit diesem Evangelium leben und mit dieser Welt und mit uns selbst. Wir haben ein paar Anhaltspunkte, wir haben ein Ziel, aber ansonsten: offenes Ende.

Wir könnten ja zusammen gehen.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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