Christmette 2021– Trost und Sinn
Christmette 2021– Trost und Sinn Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes „Stille Nacht“ sollte man verbieten. Kein „Stille Nacht“ an Weihnachten! Was hat der Pfarrer jetzt wieder? Nun, zuerst einmal will er Sie tratzen. Zu ernst soll Weihnachten auch nicht werden, oder? Aber ein wenig ernst ist es schon: „Stille Nacht, heilige Nacht“, okay. „Alles schläft, einsam wacht nur das traute, hochheilige Paar.“ Einsam? Traut? Still? Der Evangelist Lukas geht es ganz anders an als der Koadjutor Josef Mohr, der jenes Lied gedichtet hat, das Ihnen so am Herzen liegt. Bei Lukas: der Kaiser, Augustus, der ganze Erdkreis, der Statthalter, Syrien, Nazareth, Galiläa, Bethlehem… nichts von einsam und traut. Da haben Sie die Welt. Die Welt, in der die einen befehlen und die anderen gehorchen, sogar ein trautes, hochheiliges Paar. Josef muss einen weiten Weg machen mit seiner schwangeren Frau, um sich eintragen zu lassen. Lukas stellt die Geburt Jesu mittenhinein in Macht, Bürokratie, Staat, Politik. Damit Ihnen klar wird, welche Bedeutung dieses Kind hat. An diesem Kind ist nichts Trautes. Warum hängt Ihr Herz mehr an einem sentimentalen Lied als an der Weihnachtsgeschichte aus der Bibel? Heuer vielleicht noch mehr als letztes Jahr und die Jahre davor? Ich sag‘s Ihnen: weil Sie Trost brauchen. Das Lied verspricht schnelleren Trost als das karge Evangelium. „Was wird aus unseren Kindern werden?“ – „Wird meine Beziehung diesmal glücken?“ – „Werde ich meinen Job behalten?“ – „Wird Friede sein?“ – „Wird die Pandemie vorbeigehen und wird die Erde bewahrt bleiben?“ – „Werden die irren Machthaber dieser Welt stillhalten?“ – „Was wird der Arzt sagen?“ Natürlich brauchen Sie Trost. Denn es wird nicht mehr werden wie vorher. Wir erleben einen Epochenwechsel. Wir alle zusammen. Klimakrise, Migration, demographischer Wandel, Digitalisierung. Und eine neue Suche nach Sinn und Orientierung. Ich kann mir also beim besten Willen nicht vorstellen, dass Sie wirklich entspannt und fröhlich hier sitzen nach diesem Jahr. Es war ein anstrengendes Jahr. Für uns alle. Das verbindet uns. Was kann ich für Sie tun? Ich kann Ihnen ein paar wirklich schöne Momente bieten (das kann ich, weil viele hier dazu helfen). Ich kann Ihnen ein wenig Geborgenheit bieten. Die schöne, alte Religion. Aber was ist der wahre Trost? D. h. welcher Trost funktioniert wirklich? Ich will die Lieder nicht abtun, sie können sehr helfen (s. Krankenbesuche), aber wenn Sie nächste Woche beim Skifahren sind und dann wieder im Job, was tröstet Sie da? „Stille Nacht?“ Das Lied reicht keine drei Tage lang. Wenn ich so überlege, frage ich zuerst einmal: Was tröstet mich? Ich frage so, weil ich hoffe, dass wir uns irgendwo ähnlich sind. Mich tröstet eine ganze Menge. Das „Hodie“, das Elena uns singen wird, diese schöne Kirche, diese Kinder, die so viel verstehen und so viel erwarten. Mich tröstet ein Glas Whisky oder Kerzenlicht oder ein Film. „Tatsächlich Liebe“, der Film geht immer, „Leoparden küsst man nicht“ auch. Aber am meisten, am stärksten, am stillsten tröstet mich dies: dass ER immer da ist. Nicht Hugh Grant. Christus ist da, mein ganzes Leben lang schon. Das Kind in der Krippe ist immer da. Dieses seltsame, mächtige, zarte Kind. Alle anderen sind gegangen oder werden gehen. Dieses Kind, nicht die Kinder. Sie wissen, ich mag die Kinder sehr, aber ich würde nicht sagen, dass die Kinder es sind, die mich trösten. Ich weiß: Aus Kindern werden irgendwann doch alte Idioten. Ich seh’s an mir selbst: In so vielem bin ich ein grantiger, alter Depp geworden. Nein, es sind nicht die Kinder, es ist dieses Kind! Das Evangelium sagt uns, wer Jesus ist: eine Freude. – Der Christus. Der Messias. Der Heiland. – Der Retter. – Der Herr. – Beides, König und Kind. Wenn Sie das nicht glauben können, machen Sie es wenigstens wie die Hirten: Gehen Sie hin und schauen. Bleiben Sie nicht sitzen am Lagerfeuer Ihrer Gewohnheiten und, Pardon, blöden Vorurteile. Sie können auch einen Schritt weiter gehen, innerlich und es machen wie Maria, die alles in ihren Herzen bewegt. M. a. W. sie denkt nach. Sie könnten es sogar machen wie die Engel. Was machen die Engel? Sie jubeln! Was spricht gegen das Jubeln, ihr Männer? Fragen Sie die kleinen Kinder! Ich wünsche Ihnen einen Jubel ins Herz, der Sie knackt! Ich rede Ihnen so zu, weil ich weiß, dass es sonst nur ganz wenige Menschen sein werden, die sich wirklich freuen, dass Christus geboren ist. Man kann sich freuen wollen. Wenn Sie Ihrem Herzen an diesem Weihnachtsfest keinen Stoß geben, dann werden wieder nur Langeweile und Müdigkeit bleiben. Nichts wird sich geändert haben. Und wir brauchen doch so dringend eine Veränderung! Sie brauchen wirklich etwas anderes als die stille Traurigkeit des Lebens oder die Langeweile, die neben der stummen Angst hockt. Seit Bethlehem mischt sich dieses Kind armer Leute unter die reichen Leute. Mit einer Botschaft, die einem keine Ruhe lässt. Mit seinem Zorn über Ungerechtigkeit und Dummheit. Dieses Kind gibt allem einen Sinn. Der Sinn ist es, der Sie tröstet. Menschen brauchen das Gefühl, dazuzugehören. Sie wollen einen Platz auf dieser Welt haben. Das Leben hat einen Sinn, wenn man eine Richtung hat. Eine Aufgabe. Das Gegenteil: nicht wissen, was man will. Menschen wollen spüren, dass ihre Weltanschauung stimmig ist. Und schließlich erkennen Menschen einen Sinn in ihrem Leben, wenn sie sehen, dass sie etwas bewirken. Da haben Sie die Beschreibung Ihrer Kirche: eine Gemeinschaft, eine Richtung, eine Aufgabe, Klugheit statt Quatsch, die Möglichkeit, etwas zu tun. Schön und nüchtern zugleich wie jene Heilige Nacht, in der das Kind geboren wurde, das immer da ist. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. 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