Fest der hl. Cäcilia, 22. November 2021
Fest der hl. Cäcilia, 22. November 2021 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Die schöne Cäcilia bekehrt Valerian, ihren Mann, zum Glauben an Christus. Er darf den Engel sehen, der der Heiligen Lilien und Rosen bringt. Das Zimmer ist erfüllt mit himmlischem Duft, so schön, dass sich auch Tiburtius, der Bruder Valerians, zu Christus bekehrt. Männer, die durch Rosenduft zu Gott bekehrt werden! – Das ist doch mal eine andere Kirche als die der Pastoralassistentinnen in Allwetterjacken! Überhaupt scheint Cäcilia alle um sich für Gott zu gewinnen, wie wenn ein Zauber ausginge von ihr. Gibt es das, heiligen Charme? Es ist Musik um die junge Frau. Zu ihrer eigenen Hochzeit soll sie die Orgel gespielt haben. Oder vielleicht die Geige. Rettet uns die Musik? Wenn es so einfach wäre! War da nicht der KZ-Kommandant, der am Abend, „nach getaner Arbeit“, gerne Mozart hörte? Bei einem Glas Cognac natürlich. War Mozarts Musik nicht schon in der Welt, als in Paris Menschen scharenweise, 16-jährige Burschen und alte Damen aufs Schafott geschickt wurden? Und heute singen Berufsmusiker gregorianische Choräle. Dazu tragen sie alberne Kutten. Nachher zählen sie das Eintrittsgeld. Wer einmal die Mönche in Solesmes oder Fontgombault singen hörte, der weiß den Unterschied. Denn es ist ein Unterschied, ob eine ungläubige Primadonna das Stabat Mater vorsingt oder 70 Männer, die tagaus, tagein arm, gehorsam und keusch leben, das Sanctus der Messe singen. Menschen können wirklich alles dreckig machen. Oder es zumindest versuchen. Aber kann man Töne beschmutzen? Oder ganze Melodien? Mir scheint, den Tönen kann die Zeit nichts anhaben. Jeder singt dieselbe Note, aber der Ton ist jedes Mal anders. Die Töne sind ohne Alter, ohne Ort, ohne Geschichte. Wir sind es, die sich verändern, nicht das Lied. Die hl. Cäcilia ist, Sie wissen es längst, die Schutzpatronin der Musik. In der Lesung zu ihrem Fest heißt es: „Ich will meine Braut in die Wüste hinausführen und sie umwerben. Sie wird mir dorthin bereitwillig folgen, wie in den Tagen ihrer Jugend, wie damals, als sie aus Ägypten heraufzog.“ Es ist verwirrend, was da steht. Wie alt ist diese Braut? Sie scheint schon viel erlebt zu haben. Wird sie zum zweiten Mal umworben? Und ist doch immer noch Braut? Also (damals war das so) die, die wartet? – „Wie in den Tagen ihrer Jugend, wie damals…“ Die Verse bewirken ganz Ähnliches wie die Töne: Sie heben die Zeit auf. Ein Kind, das betet, mag kindliche Worte gebrauchen, aber ist es vor Gott, der es hört, „das Kind“? Bloß ein Kind? Und wenn wir beten, wir die wir schon älter sind oder alt, sind dann unsere Gebete alt? Sind Gebete jung oder alt? Nein, sie sind einfach. Ist die Eucharistie auf dem Altar alt? Nein, sie ist immer gleich, immer dieselbe. Gott macht uns jung. Nicht im Sinn von jugendlich oder „fit“, nein. Aber im Sinn von zeitlos, gegenwärtig, neu. Vor Gott sind Sie nicht alt und nicht jung. Wir stehen in der Zeit. Die Blicke, die uns die anderen geben, die, die uns lange nicht gesehen haben oder die, die durch uns hindurchblicken, alle diese Blicke lehren es uns unerbittlich. Wir wurden, keiner weiß wie, in eine grauenvolle Welt hineingeworfen, mit der einzigen Garantie, dass das alles nicht zu lange dauern wird und dass wir alles, was wir geliebt haben, wieder verlieren werden. So ist die Zeit. Die Musik ist anders. Cäcilia wie Maderno sie dargestellt hat in ihrer Kirche in Rom: eine schöne junge Frau, ganz hell, voller Charme noch im Tod. Aber weg gewandt vom Betrachter, woandershin gebeugt. Gerade so soll der Bildhauer sie gesehen haben, als man ihr Grab öffnete. Heilig, jung, woandershin sehend… Das sind wir auch. Wenn wir vor Gott stehen. Das Leben der römischen Märtyrin Cäcilia: ganz still und doch klingend. Heilig und liebevoll und dennoch Unruhe stiftend und Gewalt leidend. Mitten in den Leidenschaften des Lebens – und doch zum Himmel hinauf wie ein Duft oder eine Melodie. Da, in dieser Welt, umgeben von Schönheit und doch schon woandershin gewandt. Die Heilige der Anmut. Aber es ist die Anmut der Stärke. Ihr Fest sagt uns: Die Zeit ist nicht alles. Auch das Leiden nicht. Wir leiden, ja; manche leiden schwer; das gibt es. Aber es ist nicht der Sinn des Lebens. Es ist nur eine Aufgabe, mehr nicht. Jeder, der uns etwas anderes erzählen will, wird fortgewiesen von der hl. Cäcilia und von der Musik, der Malerei, von den Dichtern. Cäcilia und die Ihren in jenem dufterfüllten Zimmer: Aus dieser Wolke von Liebe und Glück, Kampf und Blut, von Musik und Rosen und Lilien tönt das Wort der hl. Kirche: „Du hast uns geschaffen, damit wir dich loben und preisen.“ So, im Tagesgebet, gibt die Kirche wider, wie sie das Leben dieser Heiligen erkannt hat: Ein Mensch, der dazu da war, Gott zu loben und zu preisen, mit jeder Geste, jedem Wort, jedem Lied. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören