Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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31. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B), 31. Oktober 2021

31/10/2021 


Die Predigt zum Anhören

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Es gibt so vieles, das ich nicht verstehe. Ich meine nicht die Nebenwirkungen einer Impfung (ich staune ja, wie viele brave Leute sich jetzt mit Medizin auskennen). Ich verstehe auch eine Mond-Rakete nicht, keinen Hedge-Fonds, auch nicht, wie man guten Wein macht. Das alles könnte ich verstehen, wenn ich was Gescheites gelernt hätte. Was ich wirklich nicht verstehe, ist, wann Menschen reden und wann nicht. Heute ahne ich, warum unsere Väter oder Großväter nie vom Krieg gesprochen haben (und die Mütter und Großmütter nicht von den Russen). Sie waren eingekeilt zwischen dem, was sie erlitten hatten und dem, was sie selber getan hatten. Ein 20-Jähriger, der einerseits den Krieg erlebt hat, andererseits den Krieg aber auch mit angerichtet hat, wie soll der mit so einer Erfahrung umgehen? Er schweigt. Oder säuft. Das verstehe ich. Aber ich habe nicht die leiseste Ahnung, warum die Menschen nicht von Gott sprechen können. Warum erzählen mir Leute eher von ihrem Schließmuskel als von ihrem Leben mit Gott? Weil sie kein Leben mit Gott haben? Ist es so einfach? Warum spricht ein Ehepaar leichter miteinander über Sex-Spielzeug als über das Beten? Ist doch seltsam, oder?

Evangelium heute, am Tag vor Allerheiligen: Zwei Menschen reden über Gott. Ganz ruhig und im Guten. Und sie reden über das, was zu tun ist. So wäre mein Lieblingsgespräch. Führt aber keiner mit mir. Oh.

Geht es nur darum: Über was rede ich am liebsten? Nein, natürlich nicht. Es geht um die richtige Art zu leben. Darum geht es den vielen heiligen Frauen und Männern, die wir feiern, mal als Erstes: Wie soll ich leben? Nicht: Welches Leben gefiele mir am besten? Nicht: Wie leben die andern? Sondern ganz einfach: Was muss ich tun, damit mein Leben am Ende nicht ein Schmarren war?

Sie wissen doch: Das Leben kann schwer sein. Schwer und schwierig. Es könnte aber einfach sein. Nicht leicht, sondern einfach. Das ist ein Unterschied.

Da wird wer krank. Schwer krank. Plötzlich ist alles neu, alles steht am Kopf. Plötzlich sind da Ärzte, Spitäler, Therapien, Angst, Hoffnung, Verzweiflung, Freunde, die bleiben und Freunde, die sich verdrücken. Und die Familie ist auch noch da, aber anders: verschreckt, unbeholfen, genervt. Das kann einem über den Kopf wachsen, nicht wahr? Dann fängt man an zu rudern und zu wursteln, und es wird nicht besser.

Wäre es da nicht gut, sich hinzusetzen und zu fragen: Was ist jetzt das Wichtigste? Allein diese eine Frage, – und es würde ruhiger werden. Klar. Einfach. Es würde klar werden, dass es Sicherheit nicht gibt, dass der Besitz nicht bleibt, dass das Ansehen von anderen abhängt und keine 100 km hält. Wer hier der King ist, ist in Paris ein Depp. Es könnte klar werden, dass Liebe jetzt das Wichtigste ist. Die Liebe zu den Allernächsten und die Liebe zu Gott. Aber wenn man ein Leben lang nur auf Karriere, Geld und Ansehen gesetzt hat, hat die Liebe es schwer, sich durchzusetzen. Dann geniert man sich für die Hässlichkeiten der Krankheit, geht sich selber auf die Nerven, rennt von hier nach da. Und das war‘s.

„Welches Gebot ist das erste von allen?“, fragt der eine. Und der Andere antwortet: „Liebe Gott! Liebe den, der gerade neben dir ist, deinen Nächsten!“ So sagt er, – und es wird klar. Einfach. Nicht leicht, aber einfach.

Wenn Liebe ein Gefühl wäre, Hochstimmung, das wäre leicht. Leicht wie billig. Gefühl da, alles gut; Gefühl nicht da, auch okay. Wenn aber die Liebe ein Gebot ist, dann ist sie eine Aufgabe. Gefühle sind keine Aufgabe. Gefühle hat jeder Depp. Aufgaben haben nur ernstzunehmende Frauen und Männer.

„Was ist das Wichtigste?“ Das ist die Frage, die Ordnung schafft, die Luft zum Atmen gibt, die der blinden Willkür widersteht. Das ist die Frage, die die Leute am Land nicht stellen, weil sie nur dem Hackeln und dem Geld vertrauen. „Was ist das Wichtigste?“, das ist die Frage, die die jungen Intellektuellen in der Stadt nicht stellen. Die fragen: Was ist der richtige Sneaker? Wie geht meine Karriere? Was tun die coolen Leute? Sie liebäugeln jetzt mit der Gewalt, finden das Plündern von Geschäften irgendwie okay, empören sich über nichts oder nur über das Finanzamt, das sie nicht schont (finden es aber okay, für ihre Airbnb-Wohnungen keine Steuern zu zahlen). Sie wissen nicht, wozu sie wirklich leben. Sie sind orientierungslos oder moralisch verkommen. Moralisch verkommen ist nicht der, der Fehler macht oder schwach ist, sondern der, der nicht weiß, was gut und was böse ist.

Die beiden, die in diesem Evangelium mit einander reden, sind nicht moralisch verkommen. Sie sind Menschen, die fragen: Was ist das Wichtigste?

Unter den Heiligen gab es Narren und Närrinnen, mühsame Charaktere und zauberhafte Wesen, Gewalttätige und Milde, blitzgescheite und einfältige, Intriganten und stille Einsiedler. Aber alle gemeinsam waren umgetrieben von der Frage: Was ist das Wichtigste? Wie geht das, Gott lieben? Wie geht das, den Nächsten lieben?

So wurde ihr Leben nicht leicht (auch die Heiligen hatten schlechte Zähne), aber ihr Leben war einfach statt kompliziert, still statt hektisch… Und sie hörten jene gute Stimme, die ihnen sagte: „Du bist nicht fern vom Reich Gottes.“

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

Souveräner Malteser-Ritter-Orden

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