Fest der hl. Rosa von Lima, 23. August 2021
Fest der hl. Rosa von Lima, 23. August 2021 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes „Und was machen Sie so?“ Das wird man gefragt. Oder „wie geht es Ihnen?“ Oder derzeit: „Sie sind doch auch gegen die Impfung?“ Aber nie fragt einer: „Was ist Ihnen lästig?“ Das würde ich gerne mal gefragt werden! Da würde ich anfangen zu reden und so schnell nicht mehr aufhören. Lästig sind dreiviertellange Sommerhosen bei Männern, laute Amerikaner, präpotente Deutsche, Machos aller Herren Länder, italienische Messkleider. Und Bügeln. Bügeln ist besonders lästig. Das Allerlästigste ist aber die eine, einzige Stubenfliege, die um deinen Kopf fliegt früh um fünf, wenn du eben erst einschlafen konntest nach Stunden des Wachliegens. Die weckt wilde Mordlust in mir. Die Hütte, in der die hl. Rosa von Lima wohnte, wurde von ganzen Schwärmen von Moskito-Mücken belagert. Schon in der Nähe der Baracke war es nicht auszuhalten. Aber die Mücken, die jeden anderen Menschen in die Flucht trieben, taten der jungen Frau nichts. „Ich habe mich mit ihnen angefreundet“, sagte sie, „wir singen gemeinsam das Lob Gottes.“ Und tatsächlich fügten sich, Zeugen berichten das, das Sirren der Insekten und Rosas Gesang zu köstlichen Harmonien. Dieses zauberhafte Wunder der hl. Rosa rührt mich an. Mich mit meiner langen Beschwerdeliste. Und ich lege es Ihnen ans Herz, denn ich weiß, dass auch Sie von Lästigen belagert werden. Von Menschen, Tieren, Tönen und Terminen. Wir haben alle zusammen die Wahl, unser restliches Leben lang unter den Lästigen zu leiden, darüber immer wütender, immer bitterer, immer grantiger zu werden – oder uns mit ihnen anzufreunden. Rosa wurde nicht bitter, nicht wütend, sondern sanfter. Versöhnlich. Obwohl sie ein harter Knochen war. Wer auf Holzbrettern und Scherben schläft und sich die Hände mit ungelöschtem Kalk verbrennt, wer seinen Lebensunterhalt mit Gartenarbeit und als Haushaltshilfe verdient, wer sieht, wie verkommen der Klerus ist und es den Priestern auch sagt, wer sieht, wie die Indios ausgebeutet werden und auch das beim Namen nennt, der ist ganz sicher kein frommes Mauserl. – Rosa büßt. Sie büßt wie es heißt „für die Bekehrung ihres Volkes“ zum Guten und zur Sühne für die Taten der spanischen Eroberer. Hier wird Buße politisch. Mit der Buße die Gesellschaft verändern! Eine Buße, die uns fremd ist bis hin zum Abstoßenden wird zur Strategie der Befreiung. Und zum Ausdruck der Liebe. Die Buße der katholischen Heiligen ist nicht quälerische Selbstbestrafung, sondern der Freiheit und der Liebe zugeordnet. – Fällt Ihnen auf, dass die Heiligen, gerade die heiligen Frauen fast immer auch etwas Verstörendes haben, etwas Maßloses? Ahnen Sie, dass dieser furor divinus, diese göttliche, maßlose Begeisterung auch ein Zeichen des Heiligen Geistes sein kann? Um so auffälliger, dass von diesen Heiligen Versöhnung ausgeht. Nicht Versöhnung mit diesem oder jenem, sondern Versöhnung mit der ganzen Schöpfung. Siehe Rosa und die Mücken. Wie geht das? Wie geht diese Versöhnung mit dem Lästigen? Nun, ich bin sicher: Disziplin hilft. Selbstdisziplin. Ich maule über fast jeden Termin. Bis zu dem Moment, wo ich mir sage: Du bist dazu da zu dienen. Dann mache ich den Rücken gerade und diene. Das ist noch lange nicht Liebe, noch lange, lange nicht heilig, aber es hilft. Also Disziplin, Manieren, Haltung, nennen Sie es, wie Sie möchten, wichtig ist, dass Sie es üben. Es wird Rückfälle geben, aber das hilft zur Demut. Wie geht Versöhnung, war die Frage. Gleich ob mit Mücken oder mit Menschen. Leiden Sie. Sie wurden durch das Leiden erlöst, die Heiligen haben gelitten, samt und sonders, also tragen auch Sie Ihren Anteil am Leiden. Ganz bewusst, ganz einfach, ganz freiwillig. Ich lese: „Schwerste körperliche und seelische Schmerzen ertrug Rosa mit Hingabe: ‚Herr, vermehre meine Leiden, aber auch meine Liebe!‘, so betete sie.“ Diese Frau wusste, dass es auf die Liebe ankommt. Es ist das immer Gleiche: Sie können beten wie ein Weltmeister, immer frömmer werden, immer katholischer, immer mehr Opfer bringen, wenn Ihnen dabei die Liebe abhandenkommt, nutzt es nichts. (Das war Paulus.) Die Versöhnung mit den Lästigen geht nicht ohne die Vergebung. Man kann sich ein Leben lang empören über alles Unrecht, die Schöpfung fürchterlich finden, den Blick für das Negative immer noch mehr schärfen. Oder aber man versöhnt sich. Mit Individuen. Mit der Schöpfung. Mit dem Gesetz der universalen Scheisse, das die Schöpfung seit dem Sündenfall unserer Stammeltern durchwaltet. Mir greift diese Aufgabe der Versöhnung an die Gurgel, aber ich weiß immerhin schon, dass es anders nicht geht. Vielleicht kommt mein Herz eines Tages meinem Kopf nach. Verschiedene Wege also zur Aussöhnung mit dem Lästigen, zur Harmonie der Mücken. Ein letzter bleibt noch zu nennen. Das Evangelium deutet ihn an: „Als er eine besonders wertvolle Perle fand…“ Der Kaufmann erkennt das Einzigartige, und in diesem Moment wird sein Leben klar und einfach. Wirr wird nur der, der zu viele Perlen sieht, und keine davon ist besonders. Der, der sich nicht auskennt, dem wird die Welt lästig. Wer aber weiß, was das Wertvollste ist und was halt nur am vierten, fünften Platz rangiert, der kann sich mit dem Blödsinn dieser Welt wenn schon nicht versöhnen, so doch mindestens arrangieren. Ihre Freundin erzählt nervigen Quatsch? Was ist das schon im Vergleich mit der himmlischen Liebe? Am 24. August 1617 ist Rosa von Lima gestorben. Mit 31 Jahren, nach einem Leben voller Streit, Krankheit, Arbeit, Krisen; allein, ohne Mann und Familie, aber hoch verehrt vom Volk. 1671 wurde sie heiliggesprochen: die erste und bedeutendste Heilige der Neuen Welt, Patronin von Lima, Peru, Südamerika und der Philippinen sowie der Gärtner und Blumenhändler. Sie wird angerufen bei Verletzungen, Entbindungen und Familienstreitigkeiten sowie gegen Ausschlag. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören