Fest der hl. Theresia Benedicta vom Kreuz (Edith Stein), 9. August 2021
Fest der hl. Theresia Benedicta vom Kreuz (Edith Stein), 9. August 2021 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes 9. August, Fest der hl. Theresia Benedicta vom Kreuz. Besser bekannt als Edith Stein. Wie Katharina von Siena und Birgitta von Schweden ist auch sie Patronin Europas. Drei heilige Frauen. Drei Versagerinnen und Schuldige. Ist das so? Wenn man den Regeln der aktuellen Diskussion folgt, dann wohl ja. Die Tübinger Theologin Johanna Rahner hat kürzlich versichert: Wer nicht für die Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche eintritt, ist „ein Rassist“. Gleichberechtigung meint hier sicher die Weihe von Frauen zu Priesterinnen. Dafür sind die drei heiligen Frauen meines Wissens nie eingetreten. Sie waren kluge, gelehrte, visionäre, kreative, mächtig schaffende, gründende, reformierende, betende Frauen. Aber sie wollten nicht die Messe zelebrieren. Haben sie damit ein Unrechtssystem, die katholische Männerkirche nämlich gestützt und gefördert? Die Professorin, die mit ihrer Äußerung viel Beifall gefunden hat, stellt die drei heiligen Frauen automatisch vor die fliegenden Gerichte, die heute übers Land ziehen und Anklage erheben gegen alles Rassistische. Was rassistisch ist, bestimmen diese Gruppen selbst und allein. Sie sind Kläger und Richter in einem (hier sollte ich sicherlich sagen Kläger*innen und Richter*innen). Ihr Urteil trifft Kant, Bismarck, Luther… aber nicht Voltaire z. B., von dem ebenfalls Schwindel erregende Aussagen über Juden und Farbige auf uns gekommen sind. Mangelndes Wissen und willkürliche Auswahl tuen sich also zusammen und arbeiten auf eine Schreckensherrschaft hin, die sich von der – katholischen wie reformatorischen – Inquisition und vom Wohlfahrtsausschuss der Französischen Revolution nur dadurch noch unterscheiden, dass kein Blut fließt. Es werden nur Leben ruiniert. Denn Strafe und Vergeltung müssen sein. Das hat dazu geführt, dass es keine Geschichte mehr gibt. Menschen aus dem 16. oder 19. Jahrhundert werden neben Menschen von heute gestellt, auf die gleiche Ebene, und alle werden nach den gleichen Prinzipien gerichtet. So müsste man wohl sagen: Die drei heiligen Frauen haben versagt. Ihre Bilder gehören gestürzt. Edith Stein wurde 1891 als Kind jüdischer Eltern in Breslau geboren. Sie studierte Philosophie und fand nach langem Suchen den Glauben an Gott. Schließlich wandte sie sich der katholischen Kirche zu und wurde am 1. Januar 1922 getauft. Eine Philosophin wird katholisch, eine Journalistin tritt aus der Kirche aus. Johanna Adorján, so heißt die Frau, schrieb dieser Tage, sie habe diesen Schritt getan, „weil ich an irrationales Glauben nicht mehr glauben mochte [sic]“. Ich hoffe, Frau Adorján ist noch nicht aus der Liebe ausgetreten. Die ist ja auch nicht rational. Glaube = irrational: Das ist so Stammtisch! Ihren Lehrberuf und ihre wissenschaftliche Arbeit verstand Edith Stein fortan als Gottesdienst. 1933 trat sie in den Kölner Karmel ein. Sie wollte ihr Leben opfern für das deutsche und das jüdische Volk. Wegen der Judenverfolgung verließ sie Deutschland und fand Aufnahme im Karmel von Echt in den Niederlanden. Am 2. August 1942 wurde sie von den Nazis verhaftet, nach Auschwitz deportiert und wahrscheinlich am 9. August durch Giftgas ermordet. Johannes Paul II. sprach sie 1998 heilig. Die junge Sophie Scholl wird landauf, landab gefeiert. Zu Recht. Mit Edith Stein scheint das nicht so recht zu klappen. Man müsste ja eine Jüdin feiern. Noch schlimmer: eine Jüdin, die katholisch wurde. Der Antisemitismus wächst wieder; der bestimmte Tonfall, die ganz bestimmte Miene, wen man über die Juden spricht, waren immer da. Jüdisch ist in vielen Kreisen kein Pluspunkt. Wollen Sie meine Antwort darauf wissen? Sie ist sehr einfach. An diesem Altar sehen Sie zwei Juden und eine Jüdin, da hinten, bei den Opferlichtern, noch einen Juden. Mehr muss ich dazu nicht sagen. Edith Stein war also Jüdin. Eine Gelehrte. Philosophin. Sie wissen, wie die meisten Männer über kluge, gelehrte Frauen denken und reden? Sie war Jungfrau und Klosterfrau. Das sind die, die auf den Besten warten und sich dem Männersystem verweigern. Die Gitter drunten am alten Ursulinenkloster waren nicht dazu da, die Nonnen einzusperren, sondern die Männerwelt auszusperren… Und Edith Stein wird als Märtyrin gefeiert. Auch das in Verruf geraten. Frauen wie sie halten mich in der Kirche, nicht Frau Professor Rahner. Und wenn das Lehramt der Kirche eines Tages entscheidet, dass die Weihe von Frauen dem apostolischen Glauben und der Tradition nicht widerspricht, werde ich der erste sein, der sich fügt und mit den Priesterinnen zusammenarbeitet. Aber bis dahin frage ich bloß: Was will Gott? Wir bekennen alle: „Gott lebt und ich kann ihm begegnen. Indem ich auf sein Wort höre.“ Aber sind wir davon wirklich überzeugt? Oder machen wir uns unseren Glauben so zurecht, wie er uns passt? Testfrage: Wenn ich sicher wüsste, dass Gott zu mir spricht, würde ich dann auf jeden Fall gehorchen? Auch wenn er etwas fordern würde, was völlig out of time ist, z. B. die Unterordnung der Frau unter den Mann? M. a. W. ist Gott der Andere oder ist Gott nur ich? Ich nehme fest an, dass Gott für Edith Stein der Andere war. Der Herr. Und so fügte sich ihr Leben von der Lektüre des ersten Buches bis zur Tür der Gaskammer. Vielleicht hielt sie dort die Hand ihrer Schwester Rosa, die wie sie in den Karmel eingetreten war und wie sie von deutschen Uniformierten abtransportiert wurde. Nur aus einem Grund: weil sie Jüdinnen waren. Dass sie den Schleier genommen hatten (Achtung: Schleier!), hielt keinen auf. Zwei Frauen, im selben Glauben verbunden. Viel mehr ist da nicht. Der Mensch, steht in der Geschichte zusammen mit anderen Menschen. Gemeinschaft bedeutet das nur selten. Manchmal findet sich eine andere Hand oder ein Blick, manchmal gibt es sie, die tiefe Übereinstimmung, aber meistens stehen wir allein. Die Königin Esther, auf die sich Edith Stein ausdrücklich bezogen hat, betet: „Hilf mir! Denn ich bin allein. Gib mir Mut!“ Wir sind allein. Gerade dann, wenn wir entscheiden müssen. Und später, wenn wir sterben müssen. Das Evangelium des Festes nimmt dieser Einsicht das Beklemmende. Da heißt es: „Gott ist Geist, und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ Geist und Wahrheit, bedeutet das nicht Weite und Höhe? Beten Sie immer mehr so: weit und hoch. Die Fähigkeit dazu haben Sie in Ihrer Taufe empfangen. Gleich wie die heiligen Patroninnen Europas. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören