19. Sonntag im Jahreskreis (B), 8. August 2021
19. Sonntag im Jahreskreis (B), 8. August 2021 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Kennen Sie auch, was ich kenne? Den Wunsch, einfach nur noch zu schlafen? Damit diese Gedanken weg sind. Manchmal verwandelt sich dieser Wunsch; er wird dunkler. Irgendwo im Schatten hört man dann eine Stimme, die wiederholt: „Schlafen, für immer. Es reicht.“ Ich kenne das, und Sie kennen das vielleicht auch. „Elija ging in die Wüste hinein. Dort setzte er sich unter einen Ginsterstrauch. Und wünschte sich den Tod. Er sprach: ‚Es ist genug.‘“ – „Es reicht.“ Darf man das sagen? Ab wann? Darf man das oft sagen oder nur ganz selten? Egal. Menschen sagen das: Es reicht. Wenn Sie selbst es nicht kennen, andere kennen es. Sie werden es vielleicht noch kennen. So ist das Leben. Doch Sie kommen nicht in die Kirche, damit Ihnen einer das Leben beschreibt (obgleich es gut ist, gelegentlich wahrzunehmen, wie die Dinge stehen). Sie kommen in die Kirche aus zwei Gründen: um getröstet zu werden und um einen Weg zu finden. Sie fragen: So ist mein Leben, was soll ich tun? Und die Kirche nimmt Sie an der Hand, vorsichtig, und weist Ihnen die Richtung. Deswegen mache ich Sie darauf aufmerksam, dass Elija sagt: „Nun ist es genug, Herr.“ Er spricht also nicht vor sich hin, er redet mit einem anderen. Die zu Tod Erschöpften tun das noch, die Selbstmörder nicht mehr. Die bleiben allein. Das ist das Grauenvolle am Selbstmord. Wie aufgeben geht, das kann jeder nur allein wissen. Denn wer aufgibt, tut es allein in der Seele. Wie aber durchhalten geht, weitermachen, das kann man nur mit anderen zusammen wissen. Elija will sterben, er ist zu Tode erschöpft, aber er ist nicht allein. Und noch spricht er. „Dann legte er sich unter einen Ginsterstrauch und schlief ein. Doch ein Engel rührte ihn an.“ Der Engel spricht. Er sagt: „Steh auf. Iss!“ Wie kann der Engel jetzt ans Essen denken? Das Leben ist manchmal so schwer und gleichzeitig so platt. Oder einfach. Oder auf der Erde. Oder körperlich. Wie Sie wollen. So ist das Leben. – „Er aß und trank und legte sich wieder hin.“ Da kommt der Engel wieder. Diesmal mit einem richtigen Auftrag: Weiter! Zum Gottesberg! Elija ist also an dem Punkt im Leben, wo es nur noch diese drei Dinge gibt: die Erschöpfung, das Wort und die Tat. Der Mann kann nicht mehr und will auch nicht mehr. Aber da ist noch ein anderer. Der eine spricht mit dem anderen. Und dann kommen der Auftrag und die Tat. Die Tat ist die Rettung, vergessen Sie das nicht! Die Bibel spekuliert nicht darüber, was in Elija vor sich geht. Wir wissen nicht, ob er ein Einsehen hat, ob sich ein fester Entschluss in ihm formt, ob er sein Elend besiegen will oder ob er gehorsam sein will. Wir wissen nur, dass er klagt. Zu Recht, denn er ist in allem gescheitert, und eine Frau will ihm ans Leben. Wir wissen, dass ein anderer ihn hört und ihm sagt: weiter! Handle! Tu etwas! Elija hat keine Perspektiven, keine Hoffnungen, auch keine Ängste mehr. Er hat nur noch den Schritt in den Auftrag hinein. Und das reicht. Achten Sie darauf, was der Engel oder Gott, egal, nicht sagt. Sie sagen genau das nicht, was heute jeder gute Pfarrer sagen würde: „Du Armer! Ich verstehe dich! Ich bin bei dir!“ Nein, der Engel sagt bloß: „Iss! Steh auf! Geh!“ So hilft Gott. – Es lohnt sich, genauer zu betrachten, wie Gott hilft, weil die meisten Menschen hier falsche Erwartungen haben. Kindische Erwartungen… Gott wirkt ein Wunder. Ein kleines Wunder: Plötzlich stehen da, mitten in der Wüste, ein frisch gebackenes Brot und ein Krug mit Wasser (wir dürfen annehmen, dass es kühles, klares Wasser war). Aber das Wunder ist nicht der Punkt. Der Auftrag ist es. Die Wunder (und es gibt so viele!) dienen nicht unserem Behagen, sondern dem Auftrag. So hilft Gott: Er erledigt nicht die Frau Isebel, die den Tod des Elias will. Das kommt später, wie von selbst. So wie immer bei den Bösen. Gott gibt nur das Brot für jetzt. Deshalb lehrt uns Jesus zu beten: „Unser tägliches Brot gib uns heute!“ Das Brot für diesen Tag, aber nicht im Voraus für das ganze Leben. Gott hilft Tag um Tag. Das reicht doch, oder? Und Gott gibt einen neuen Auftrag. Dass uns einer etwas zutraut, ist das nicht der beste Trost überhaupt? Ein Letztes, das mir auffällt in der Krise des Elijas. Wenn die Strategien der Lebensfreude versagen (…), wenn alles düster erscheint und wir richtig in der Krise stecken, kann die Familie helfen: Menschen, die zusammenstehen. Auch ein großes, hohes Ziel kann helfen. Ganz Großbritannien, vom König bis zum Bergarbeiter, war bereit, sich Hitler entgegenzustellen und mit ihm fertig zu werden. Dieses gute, große Ziel hat damals eine ganze Nation zusammengeschweißt. Aber so ein Ziel ist nicht immer zur Hand. Elija hat kein Ziel mehr. Er hat gar nichts mehr, – und das ist der Punkt. „Nimm mein Leben“, sagt er zu Gott. Elija ist bereit, alles wegzugegeben, sogar sich selbst. Das ist der Punkt. Der Gedanke taucht in der zweiten Lesung wieder auf, wo Paulus seinen Leuten schreibt: „Schafft weg! Schafft Bitterkeit, Wut, Geschrei raus aus euch!“ Es gibt Situationen im Leben, wo man nicht mehr hoffen darf, alles zu behalten, was man angesammelt hat im Lauf der Jahre und trotzdem noch die Kurve zu kriegen. Das sind Situationen, wo es nur noch eines gibt: Entfernen – damit es weitergeht. Elija hat nichts mehr, nichts mehr am Buckel, keine Hoffnung mehr, keine Angst mehr, keine Ideen mehr – und deswegen kann er loswandern, „vierzig Tage und vierzig Nächte“, zum Gottesberg. Dorthin wo Gott ist und wo sich sein Leben wenden wird. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören