Fest des hl. Irenäus, 28. Juni 2021
Fest des hl. Irenäus, 28. Juni 2021 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Zufallsfunde der letzten Tage. „Sei ganz du selbst.“ – „Tu, was immer du magst.“ Letzteres stand großbuchstabig, in Englisch natürlich, auf dem T-Shirt eines Mädchens bei der Probe zur Firmung. „Ja, sie soll sich nichts sagen lassen!“, war die Auslegung der Mutter, freundlich und leicht kriegerisch. Wie Frauen heute eben mit Priestern sprechen. „Sei wie du bist.“ Und der andere? „Tu, was immer du magst.“ Und der andere? In der Malteser-Kirche wird keiner klein gemacht und wenn doch, ist mir etwas völlig aus dem Ruder gelaufen. Ich würde also die Wahrheit dieser Sprüche sofort anerkennen. Aber ich sehe auch, dass diese Devisen eines ganz bestimmt nicht fördern: die Einheit. Sie fördern das Selbstbewusstsein, aber nicht den Zusammenhalt. Ich habe mich vom christlichen Abendland ebenso verabschiedet wie von der bürgerlichen Gesellschaft. Ob die Nazi-Gleichschaltung, die postmoderne Ironie oder aktuelle Diversitätslehre die Einheit zerstört haben, kann ich nicht klären. Ich weiß nur: Die Aufgabe der Einheit bleibt. Weil sonst alles in delirierendem Egoismus endet. Beim Recht der Stärkeren. Beim Neandertaler mit Smartphone. Das will ich nicht. Mit der Einheit ist es freilich wie mit dem Frieden oder dem Glück: Sie fehlen immer. Es gibt Einheit, Frieden und Glück; manchmal nehmen sie Platz neben uns, – aber brechen gleich wieder auf. Menschen haben Sehnsucht nach Einheit. Und gleichzeitig Lust, sie zu zerstören. Sie kennen den Verwandten, der keine Ruhe gibt, bis das Familienfest in Trümmern liegt und Tränen fließen. „Der Mensch ist gut, aber die Leut‘ sind ein G’sindel.“ Eine meiner Grundüberzeugungen. Was an unserer Zeit vielleicht neu ist: Die Einheit ist nicht einmal mehr ein Wunsch. Wie wenn die Leute von einer Lust an der Spaltung besessen wären. Das aber bringt uns alle in klaren, bösen Widerspruch zum Herrn. Er hat gesagt: „Alle sollen eins sein.“ Und sein Wort bleibt. Also, wie geht Einheit? Das ist die Frage am Fest des hl. Irenäus. Seine große Frage, vor fast 2000 Jahren. Er wurde um das Jahr 180 n. Chr. Bischof von Lyon. Er war ein Schüler des hl. Polykarp, des Bischofs von Smyrna, der noch den Apostel Johannes gekannt hatte. Von dort, vom einen Ende der Welt, ging Irenäus ans andere Ende und leitete jahrzehntelang die Mission in Gallien. In dieser Zeit schrieb er sein großes Werk „Gegen die Irrlehren“. Er schrieb es gegen die Gnostiker, die den christlichen Glauben in geistreiche Spekulation auflösen wollen. In Erkenntnis für Eliten. Glaube nur für Eingeweihte. Wir stehen also am Anfang der Kirche – und doch mitten in Problemen, die sich bis heute nicht verändert haben: Wie geht Einheit? Wie kann die moderne Kirche der Lehre der Apostel treu bleiben? „Heiliger Vater, ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben.“ Irenäus hörte dasselbe Evangelium wie wir. Die Einheit ist hier mehr als Zusammenhalt oder Übereinstimmung oder Sympathie. Zwischen den Aposteln und allen, die durch ihr Wort glauben, ist Christus die Verbindung. Die Einheit kommt also von Christus. Christus verbindet die Apostel und uns. Irenäus und uns. Die Einheit ist kein Selbstzweck. Die Einheit führt zum Erkennen. Sie ist ein Beweis. „Damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast.“ Wir würden Einheit verbinden mit Nachgeben, Verhandlungen, gutem Willen usw.; das Fest des hl. Irenäus verbindet Einheit und Erkennen. „In jener Zeit erhob Jesus seine Augen zum Himmel.“ Solches Erkennen ist gemeint. Nicht Neugier und nicht Ehrgeiz, sondern Schauen. Das Leben und die Lehre des hl. Irenäus sind eine Anleitung zur Einheit. Diese Anleitung sagt: Die Einheit der Kirche braucht das Denken. Irenäus war einer der ersten großen Theologen der Kirchengeschichte. – Die Einheit der Kirche braucht die Hl. Schrift, ihre Tiefe und ihre Einfachheit. Irenäus hat gekämpft gegen die Lust am geistreichen Spekulieren, am Komplizierten, Geheimen, Aufsehen Erregenden. Das Verhandeln ist wichtig. Zuhören, Miteinanderreden, auf ein Ziel hin agieren. Irenäus hatte Anteil an den großen Diskussionen seiner Kirche. Dabei wusste er zu trennen zwischen „törichten und unsinnigen Auseinandersetzungen“ (Lesung) und dem Ziel, treu zu bleiben und die Wahrheit zu finden. Und schließlich: Das Leben des Christen ist entscheidend. Sein Lehrer endete als Märtyrer, ebenso sein Vorgänger in Lyon und auch Irenäus selbst. Reden allein genügt nicht. „Alle sollen eins sein.“ Das bleibt das Ziel, gerade wenn sich alles multipliziert, Meinungen, Fragen, Mentalitäten, Anliegen. Das Evangelium des Festtages sagt, welcher Art die Einheit sein soll. Es soll die Einheit mit Christus sein, diese zuerst. Aus ihr folgt die Einheit untereinander. Ohne Christus hätten wir uns vielleicht nicht viel zu sagen. Die Einheit mit Christus aber ist Geschenk des Vaters, nicht unser Manöver. Einheit entsteht nicht durch zuerst durch Verhandeln und Engagement. Einheit entsteht durch Gott. Heilig wurde Irenäus, weil er sich dem Wirken Gottes geöffnet hat, immer wieder. Einheit betrifft auch Sie. Ebenso aber das Erkennen. Schieben Sie es nicht ab auf die Theolog*innen. Wie wollen Sie sonst den Glauben weitergeben? Indem Sie etwas nachreden, ohne es verstanden zu haben? Wie wollen Sie ohne Erkennen beten? Beten ist doch Sprechen mit Gott. Oder Schweigen mit Gott. Wie soll das gehen, wenn Sie Ihr Gegenüber nicht wahrnehmen? Suchen Sie also das Erkennen, – nicht die Sensation. Suchen Sie Andacht, nicht Leidenschaft. Fragen Sie (wie ein Kind): Was ist wahr? Erkennen braucht die Lust am Hören, Erklären, Übereinstimmen, nicht die Lust am Rechthaben. Um zu erkennen braucht es Gehorsam, Keuschheit, Leiden, Aushalten. Und Geben, Geben, Geben: sich selbst. Und es braucht Stille. Und wenn Sie einmal keine Lust haben nachzudenken? Zu faul sind oder zu kleinmütig? Dann sagen Sie einfach: „Rede, Herr!“ Sie müssen nur bitten und hören. So werden Sie eins mit dem Herrn. Das aber ist der Beginn der Einheit. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören