Palmsonntag 2021
Palmsonntag 2021 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Spätestens in dem Moment, wo Jesus sich auf diesen Esel setzte, da hätte es still werden müssen. Nicht mit einem Schlag, so schnell geht es das nicht. Aber sie hätten aufhören müssen zu schreien, einer um den anderen, bis da eine große, feierliche Stille ist. Weil alle verstehen. Was hatten sie eben alle gerufen? „Der König Israels!“ Und was sehen sie? Den König auf einem Eselchen. Blickwechsel. – Sie wissen doch, wer den Auftrag kriegt? Der, der in einem Audi vorfährt. Den Auftrag gibt man dem, der etwas kann. Wer einen Audi fährt, kann was, hat Erfolg, sieht doch jeder. Wer einen VW-Up fährt, ist ein loser. –Der junge Türke im fetten BMW hat coole Freunde und kriegt das Mädchen. Der Pfarrer, der einen dicken BMW fährt, kriegt üble Nachrede. Was soll das für ein Pfarrer sein? Es ist also wichtig, wie man daherkommt. Was soll das für ein König sein, der auf einem Esel sitzt? Echte Könige kommen auf einem Ross, Siegerinnen haben eine Gucci-Handtasche. Ob Jesus gelächelt hat auf seinem Eselchen? Konnte Jesus spöttisch sein? Und wurden die Leute still, einer um den anderen? Nein, sie schrien weiter: „Hosianna!“ Keiner merkte, was Jesus mit seinem Esel sagen wollte. Keiner interessierte sich dafür, wer dieser Jesus wirklich war. Wer einmal auf der Straße ist, der will auch schreien. Der will große Gefühle, Gemeinschaft, Begeisterung, Wut, egal. Wer hinterm Fenster steht und von dort oben auf die Straße blickt, hat keine großen Gefühle. Der analysiert die Situation. Es gibt sie immer: die auf der Straße und die droben hinterm Fenster. Die Wunder, die Jesus wirkt, wirbeln das ganze Land durcheinander. Zuletzt hat er einen Toten auferweckt, Lazarus. Die Leute werden hysterisch. Die Situation wird unkontrollierbar. Die Mengen halten Jesus für den Messias oder den Befreier oder beides. Ein Aufstand steht schon in den Mauern. – Die aber von den Römern besetzt sind. Die Besatzer werden den Tempel und damit die Nation zerstören: Das ist die Gefahr. Reell, wie die Zukunft zeigen wird… Die jüdischen Autoritäten, fromme Männer schätzen die Lage völlig richtig ein – und verstehen überhaupt nicht, worum es Jesus geht. Ist auch nicht wichtig. Es ist selten wichtig, worum es uns geht, wenn die Sache groß ist und der Laden laufen muss. Es geht nicht um den Sabbat oder Gotteslästerung. Es geht überhaupt nicht um eine Schuld Jesu, für die er zu sterben hätte. Es geht nur um Politik. Gut, dass es immer einen Macher gibt. Es gibt ihn immer, den Mann der Stunde. Oder die Frau der Stunde. Leute, die wissen, was zu tun ist und entschlossen sind zu handeln. Blöde nur, dass es in dieser Welt nie nur eine Handlung gibt, nie nur einen Plan. Während die Politiker handeln und die Expertinnen und die Chefs, handelt auch ein anderer, Größerer. Die Macher dieser Welt haben keine Ahnung. Wie auch? Jesus diskutiert nicht mit ihnen. Jesus ist nicht auf einer Ebene mit Hohepriestern, Hohen Räten, Römern. Auch nicht mit vatikanischen Behörden, nicht mit der Katholischen Frauenbewegung und nicht mit uns hier. Jesus verkündet das Reich Gottes. Er weckt Tote auf. Er gibt sich selbst zur Speise der Seele. Und er sitzt auf einem Eselchen. Lächelnd. Natürlich weiß Jesus, was er tut. Die ganze Zeit. Jesus ist kein Idiot und kein Getriebener. Er ist richtig schlau. „Fürchte dich nicht, Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und sitzt auf einem Esel-Fohlen.“ Jesus weiß, dass der Prophet das gesagt hat. Jesus lässt sich nicht vereinnahmen, nicht von der Menge auf der Straße und nicht von den Mächtigen hinter den Fenstern. – Tun Sie es ihm gleich. Lassen Sie sich nicht vereinnahmen. Bleiben Sie ruhig. Behalten Sie den Überblick. Dazu müssen Sie lernen hinzusehen und zu verstehen. Wie die Jünger. „Das alles verstanden seine Jünger zunächst nicht. Als Jesus aber verherrlicht war, erinnerten sie sich.“ In Jerusalem damals hat kein Mensch wirklich verstanden, was das alles sollte. Verstehen lernen: Das ist der Sinn der Messe am Sonntag. Und was wäre heute zu verstehen? Mit jeder Geste zeigt Jesus heute, dass die Worte der Propheten in Erfüllung gehen. Was Gott gesagt hat, trifft ein. Gott handelt die ganze Zeit. Das wäre zu verstehen. Am Ende kommt Gott. Und dieses noch: Ja, Ich bin ein König, aber anders. Besser. Das wäre zu verstehen von Jesus. Fragt sich nur, ob die Leute das wollen: einen sanften König, einen, der auf einem Eselchen daherkommt. Die meisten Leute wollen starke Typen, dicke Autos. Sie wollen die Welt, so wie sie ist: Macht und Furcht. Ist ja irgendwie geiler. Geiler als das, was Paulus lehrt: „Das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen.“ Friede ist dort, wo keine Furcht ist. Bei einem Eselchen. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören