Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

Aktuelles

Fünfte Woche der Fastenzeit, Montag, 22. März 2021

22/03/2021 


Die Predigt zum Anhören

(Lesungen vom Samstag derselben Woche)

Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Was muss man der Bibel geben? Einen – Sitz – im – Leben! Das ist die tiefe Überzeugung der Prediger- und Seelsorger*innen. Theaterregisseure ihrerseits holen Hamlet ins Heute. Und die Deutsch-Professorin fragt den Schüler: „Und, was hat Brecht uns heute zu sagen?“ – „Ey, was soll uns ein Typ sagen, der seit 300 Jahren tot ist?“, denkt da der Schüler. Kann man die 7. Symphonie von Beethoven ins Heute holen? Man kann sie wohl einfach nur spielen. Kann man einem Gemälde von Velasquez einen Sitz im Leben geben, also, in diesem Leben hier? Man kann es nur betrachten. Vielleicht entsteht ein Dialog zwischen der blassen kleinen Infantin und dir, vielleicht nicht. Ich finde Aktualisierungen, – denn um die geht es –, immer leicht indezent, übergriffig. Vulgär. Wie alles, was nach Zweckmäßigkeit riecht. Die Gestalt des Hohepriesters ist vulgär. Sind mächtige Menschen immer so?

„Ihr versteht überhaupt nichts“, sagt der hohe Geistliche den panischen Räten (hier kann man beim besten Willen nicht Rät*innen sagen). „Ihr bedenkt nicht, dass es besser für euch ist, wenn ein einziger Mensch für das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zugrunde geht.“

Es wurde deutlich, sagte der Erzbischof von Köln gestern, „dass die Betroffenen über Jahrzehnte hinweg völlig aus unserem Blick gewesen sind.“ Sie wissen alle, wer „die Betroffenen“ sind. Kinder. Sie waren aus dem Blick, weil Priester faul waren und / oder feige, vor allem aber, weil alle irgendwie dachten, dass es besser ist, „wenn ein einziger Mensch für das Volk stirbt“, als wenn das ganze Volk zugrunde geht. Es ist besser, wenn man ein Missbrauchsopfer wegdrängt und den Täter von A nach B verschiebt, wie wenn man eine ganze Diözese in Aufruhr versetzt. So dachte man. Und so argumentierte man: „Die Sache ist groß. – Es ist im Interesse aller (die wir gar nicht gefragt haben, weil wir es eh wissen). – Das Risiko ist unkalkulierbar. – Es geht um die Nation / das Unternehmen / die Partei / die katholische Kirche. Oder die protestantische. Also müssen ein paar über die Klinge springen. So ist die Welt nun mal.“ Keiner wird mir erzählen, dass die Welt nicht noch immer à la Hohepriester funktioniert. Die Welt, nicht nur die Kirche. Die „Realisten“ sind immer noch an der Macht.

Die Wunder, die Jesus wirkt, wirbeln das ganze Land durcheinander. Zuletzt hat er einen Toten auferweckt, Lazarus. Die Leute werden hysterisch. Die Situation wird unkontrollierbar. Die Mengen halten Jesus für den Messias oder den Befreier oder beides. Ein Aufstand steht schon in den Mauern. – Die aber von den Römern besetzt sind. Die Besatzer werden den Tempel und damit die Nation zerstören: Das ist die Gefahr. Die reelle Gefahr, wie die Zukunft zeigen wird. Die jüdischen Autoritäten schätzen die Lage völlig richtig ein. Die Räte, ernste, fromme Männer sorgen sich wirklich um ihr Land – und verstehen überhaupt nicht, worum es Jesus geht. Ist auch nicht wichtig. Es ist sehr selten wichtig, worum es uns geht, wenn die Sache groß ist und der Laden funktionieren muss.

Es geht nicht um den Sabbat oder um Gotteslästerung. Es geht überhaupt nicht um eine Schuld Jesu, für die er zu sterben hätte. Wie auch? Es gibt diese Schuld nicht; Jesus ist der ohne Schuld. Es geht nur um Politik. Die Nation. Die Staatsraison. An dieser Stelle können Sie aktualisieren, wenn Sie möchten.

Der Hohe Rat will, dass Schluss ist mit den Manövern. Er will Maßnahmen. Weiß aber nicht welche. Die Männer im Hohen Rat sind in Panik. Aber gut, dass es immer einen Macher gibt. Hier ist es Kajaphas. Er analysiert die Situation, er wägt die Risiken ab, er ist entschlossen zu handeln, er weiß, was zu tun ist. Es gibt ihn immer, den Mann der Stunde. Oder die Frau der Stunde. Es gibt sie immer: die, die handeln und ihr Ziel erreichen.

Blöde nur, dass es in dieser Welt nie nur eine Handlung gibt, nie nur ein Ziel, nie nur eine Sichtweise. Während Kajaphas handelt, handelt auch ein anderer, Größerer. Das geht so weit, dass das schlaue Argument des Hohepriesters zur Prophezeiung wird. Jesus wird wirklich für das Volk sterben. Aber in einem ganz anderen Sinn als dem, den der Priester dachte. Jesu Tod wird die Nation, das Land, den Staat nicht retten; die Römer werden den Tempel zerstören. Aber Jesu Tod wird das Volk retten. Das Volk Gottes. Rettung bedeutet hier nur eines: Frieden mit Gott. Jesus stiftet Frieden zwischen Gott und den Menschen.

Und mehr noch: „Aber er sollte nicht nur für das Volk sterben, sondern auch, um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln.“ Die versprengten Kinder Gottes, das sind alle Menschen, die das Wort Gottes, Jesus also aufnehmen. Das sind „die Völker“, von denen die Propheten des Alten Testamentes reden. Das sind „die Vielen“, von denen die Worte der Wandlung sprechen. „Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für viele vergossen wird.“ – Die für Sie neue Version der Wandlungsworte entspricht nicht nur dem Wortlaut der Schrift und der immer gültigen Version der lateinischen Messe, sondern auch genau diesem Sinn. Es geht bei den Wandlungsworten nicht um die Frage, ob viele gerettet werden oder wenige oder alle, es geht um den Blick Gottes über sein Volk hinaus auf jeden Menschen dieser Erde.

Und der Hohepriester hat keine Ahnung. Die Macher dieser Welt haben keine Ahnung. Wie auch? Jesus diskutiert nicht mit ihnen. Jesus ist nicht auf einer Ebene mit Hohepriestern, Hohen Räten, Römern. Auch nicht mit Kirchenvolksbegehren und nicht mit vatikanischen Behörden und nicht mit uns hier. Jesus verkündet das Reich. Er weckt Tote auf. Er gibt sich selbst zu Speise der Seele.

Jetzt können Sie ihm einen Platz im Leben geben.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

Souveräner Malteser-Ritter-Orden

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