Fest der Unschuldigen Kinder, 28. Dezember 2020
Fest der Unschuldigen Kinder, 28. Dezember 2020  Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Kinder. Ein ganz heikles Thema, eindeutig. – Nein, eben nicht eindeutig. Eine junge Mutter kann heute sehr empfindlich reagieren, wenn sie der Meinung ist, man sei streng mit ihren Kindern gewesen. Nicht so empfindlich reagiert sie, wenn sie hört, dass irgendwo Kinder zwölf Stunden am Tag Arbeit tun müssen. Harte Arbeit. Es geht also nicht um jedes Kind. Es geht nur um manche Kinder. Darf ich Sie etwas fragen? Was ekelt Sie an? Ein Trainer im Sportverein, der sich an Kindern vergreift? Oder ein Priester, der sich an Kindern vergreift? Beides natürlich. Darf ich weiter fragen? Was ekelt Sie mehr an? Der Trainer oder der Priester? Es geht also nicht nur um die Kinder. Mit Kindern ist eben nicht alles gleich. Man kann die eigenen Kinder fotografieren und das Bild ins Netz stellen, damit alle sehen, wie gut sie geraten sind und was für ein toller Familienvater man ist und zur gleichen Zeit kann man es richtig finden (schweren Herzens natürlich), dass andere Kinder in einem Flüchtlingslager bleiben, ohne Heizung, ohne Bad, ohne Aussicht. Das ist halt Politik. Macht also. Mit Kindern ist nicht alles gleich. Deswegen überlegen Sie sich gut, wie Sie reagieren wollen auf das Fest der Unschuldigen Kinder. Der hl. Augustinus und andere Kirchenväter haben diese Kinder als Märtyrer angesehen, „denen es“, so der Schott, „vergönnt war, nicht nur als Zeugen für Jesus, sondern stellvertretend für ihn zu sterben.“ Unschuldige, ahnungslose, kleine Kinder sterben stellvertretend für diesen Christus-Gott. Gott gebraucht Kinder für seine Zwecke: So kann man es sehen. Aber wie finden Mütter das? Vor allem die Mütter dieser Kinder? A propos: Warum sind eigentlich auf Gemälden mit dem Titel „Der bethlehemtische Kindermord“ meines Wissens nie Väter zu sehen? Mitten in die schöne Weihnachtszeit, mitten in unsere Müdigkeit und unsere Sorgen hinein knallt die katholische Kirche dieses Fest, das an keinem Ende aufgeht. An einem Ende aber vielleicht doch. Worum geht es am Fest des Unschuldigen Kinder? Um Macht. Wer schon innerlich revoltiert, wenn er das Wort „Macht“ auch nur hört, der soll die Diskussion besser gleich verlassen. Macht ist wie Stärke ist und Schwäche, Ordnung und Unordnung. Macht ist eine Realität, zunächst weder gut noch schlecht. Dann erst geht es um die Frage: Was ist die gute Macht und was die böse? Die Macht, die die Menschen sehen, ist die Macht des Herodes. Ein Mann, der geschichtlich erwiesen vor keinem Mord zurückschreckte, um seine Macht zu erhalten. Es geht aber auch um die Macht Gottes. Gegen den Plan Gottes vermag der politische Terror nichts: Das göttliche Kind ist längst in Sicherheit. Als Flüchtling übrigens. Nur: Sind die Kinder in Bethlehem der Kollateralschaden des göttlichen Planes? Hier wird einem schwindlig… Es gibt in dem Komplex aber noch eine dritte Macht. Die Macht der Ahnungslosen, Ohnmächtigen, Unmündigen, Unschuldigen. Die Macht der Kinder. Zählt nur der Dienst, nur die gute Tat, die wir bewusst, frei, verantwortlich tun? Ist das Lächeln, das ich einem Traurigen schenke, nur dann etwas wert, wenn ich um dieses Lächeln weiß? War der Tod dieser Kinder nichts wert, weil sie nichts wussten und nicht einwilligen oder ablehnen konnten? Wer hat am Ende gesiegt? Herodes oder diese Kinder – zusammen mit jenem Kind, das aus Ägypten zurückkommen wird? Wer hat am Ende gesiegt? Pilatus oder Jesus? Hitler oder Sophie Scholl? Christus gibt uns Menschen und wir Menschen geben ihm. Auch unwissentlich. Alles, was wir tun, hat Platz und Relevanz im Plan Gottes. Auch der Beitrag der Unbeachteten. Die Mächtigen rechnen mit Mächtigen. Aber nicht mit Gott, den sie nicht sehen können. Und nicht mit kleinen Kindern. Die Kirche ehrt mit einem Fest das Ungeachtete, das scheinbar Irrelevante, das ganz Sinnlose; sie ehrt die Opfer der Geschichte. Und sie ehrt den Herrn der Geschichte: Christus. – Diese Kinder sind nicht Opfer Gottes, sondern Opfer der hiesigen Machthaber. Gott gibt ihrem ganz sinnlosen Leiden einen Sinn. Dieses Fest stellt die Grundfrage: Was ist die wahre Macht dieser Welt? Wohin geht es mit dieser Welt? Die anderen, dunklen Fragen, die dieses Fest auch stellt, bleiben ohne Antwort. Ich kann Ihnen heute nur sagen: Meditieren Sie das Ende der Mächtigen in der Geschichte… Und fragen Sie dann sich selbst: Wer ist in meinem Leben der Mächtigste? Die Frage des hl. Christophorus, der keinem dienen wollte, nur dem größten König. Am Ende seines Weges hatte er nichts zu tragen als das göttliche Kind. * Klage um die Kinder, die in Kriegen sterben, auf der Flucht verdursten, denen Schulbildung verwehrt wird, weil sie arbeiten müssen; die ohne Familie aufwachsen, die verwahrlost sind, die missbraucht werden, Kinder, die getötet werden, noch bevor sie geboren werden. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören