Fest des hl. Johannes vom Kreuz, 2020
Fest des hl. Johannes vom Kreuz, 2020 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes “Nichts zu wissen“ – „Schwäche“ – „Furcht“ – ohne „kluge und gewandte Worte“ – „verborgene Weisheit“ – „was kein Auge gesehen hat“ und dann im Evangelium noch die Gestalt dessen, „der auf seinen ganzen Besitz verzichtet“ (Sie wissen: Ihr Besitz, das sind nicht nur Ihre Möbel, das sind auch Ihre Überzeugungen, Ihre Hoffnungen, Vorlieben). Wenn Sie auf das einsteigen, was Sie heute in den Lesungen hören, dann bleibt nicht mehr viel. Die Liturgie dieses Tages rührt an eine tiefe Angst: die Angst, alles zu verlieren. Und das kurz vor Weihnachten, in einer Situation, wo uns in der Tat sehr viel genommen wird von dem, was uns gehört. Das Weihnachten, das wir kennen, wird es nicht geben. Das Jahr 2021, das wir geplant haben, wird es nicht geben. Schrecklich, oder? – Wollen Sie das wirklich hören? Rechnen Sie wirklich damit, dass Ihre Kirche Ihnen sagt: Das alles ist schrecklich? Ist das Ihre Botschaft als Christen an Ihre Welt? 14. Dezember, Fest des hl. Johannes vom Kreuz. Spanier. Mystiker. Dichter. Reformer seines Ordens, Mitbegründer der „Unbeschuhten Karmeliten“, Karmeliten also, die zur ursprünglichen Strenge und Reinheit ihres Ordens zurückkehren wollten und dafür das Vertraute, Sichere aufgaben. Johannes vom Kreuz: 1926 zum Kirchenlehrer erhoben. Was doch wohl heißt: Seine Lehre ist relevant, verlässlich. Er war Freund und Berater der hl. Teresia von Avila, Zeitgenosse jenes Königs Philipp II., dessen Ruf bei den Leuten von Schiller für immer vernichtet wurde. Der edle Don Carlos, der finstere König… Johannes vom Kreuz: von Mitbrüdern, von seinen Oberen, also von Christen, von Katholiken, von Priestern entführt, eingekerkert, erniedrigt, geschlagen. Johannes vom Kreuz, einer der ganz Großen. – Wie soll man ihm gerecht werden in zehn Minuten, als einfacher Pfarrer und vor allem als Mensch, der von Heiligkeit und Gottesliebe nichts als angelernte Dinge zu sagen weiß? Immerhin bin ich fähig zu sehen, dass es zwischen dem Fest des Heiligen und der Situation, in der wir es feiern, eine seltsame Beziehung gibt. Kurz: Das Fest passt zur Krise. Die Lesung aus dem ersten Korintherbrief wurde von der Kirche natürlich mit Bedacht gewählt. Wer den Text entlanggeht, spürt eine Stimmung des Abschieds. Nicht vom Leben, nicht vom Glauben, aber von den gewohnten Sicherheiten. Immer wieder taucht ein beunruhigendes Wort auf: nichts. Abschied, Begegnung mit dem, was wir nicht verstehen, nicht kennen: Das passt doch, oder? Wir lernen das durch die Krise, Johannes vom Kreuz hat es spätestens im Gefängnis gelernt. Als er leidet – an der Kirche! – und ihm alles genommen wird, im Dunkel, da lernt er Gott wirklich kennen. Die dunkle Nacht. Der Geistliche Gesang. Aufstieg auf den Berg Karmel. Die lebendige Liebesflamme: so die Namen seiner berühmtesten Werke. Seine Gedichte gehören zum Besten, was in kastilischer Sprache geschrieben wurde. Ein Mensch also, bei dem die äußere Bedrängnis nicht zu Lähmung, Niedergeschlagenheit oder Wut führt, sondern Schöpferkraft freisetzt und in höchste Höhen erhebt. Das ist auch ein Weg, den Menschen in einer Not gehen können. Johannes entdeckt eine Wahrheit, die gleichberechtigt neben den Wahrheiten steht, die man heute landläufig predigt. Wer heute von Gott spricht – Sonntagszeitungen, Pressesprecher, Weihbischöfe –, scheint Gott so gut zu kennen, zu wissen, in welchen Grenzen sich Gott aufhält, was er ist und was er nicht ist. Johannes hingegen entdeckt die Unfähigkeit des Menschen, von sich aus (!) irgendetwas von Gott zu erkennen. Der Unterschied zwischen Gott und allem Geschaffenen ist zu groß. Unsere Sinne oder unser Verstand haben keinen Zugriff auf Gott. Wenn das so ist, was bleibt uns da? Gutes tun, Gottesdienste planen, die gewohnten Gebete murmeln? Johannes vom Kreuz zeigt der Kirche einen anderen Weg: leer werden. Immer leerer. Verzicht auf alles menschenmögliche Erkennen, auf alle Wünsche. Passivität. Mit anderen Worten: Nacht. Nacht der Sinne, Nacht des Verstandes, Nacht der Gefühle, Nacht des Glaubens. Und dann? Dann zeigt sich Gott. Wenn wir Gott aufgegeben haben, unseren Lieblingsgott, dann kommt der wahre Gott. „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist“, das wird geschehen. Das Unvorstellbare. Nichts für Sie? Weil Sie nicht wollen! Nicht weil Sie nicht können. Wir alle, jeder hier, hat Wünsche und Vorstellungen, die er lassen kann. Die Frage ist nicht das Können, sondern das Wann. Wann beginnt einer diesen Weg? Wenn das Vertraute nicht mehr funktioniert, also jetzt z. B., in dieser Krise. Oder wenn einen das Vertraute nur noch langweilt. Wenn einen die Sehnsucht packt nach mehr Reinheit, echterer Liebe, echterem Gebet. Wenn es Ihnen so geht, dann sind Sie bereit aufzubrechen und zuzugehen auf „das Große, das Gott denen bereitet hat, sie ihn lieben“. * „Große Weisheit ist es, schweigen und leiden zu können und auf die Worte und Taten und das Leben anderer gar nicht zu achten.“ (Johannes vom Kreuz) Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören