Dritter Adventsonntag, 13. Dezember 2020
Dritter Adventsonntag, 13. Dezember 2020 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Hl. Geistes Es geschah in Taka-Tuka-Land. Oder „auf der Insel mit zwei Bergen und dem tiefen weiten Meer“, Lummerland. „Dies geschah in Betanien östlich des Jordan, wo Johannes taufte.“ Ins Taka-Tuka-Land kann keiner reisen, kein Mensch lebt auf Lummerland. Das sind Kinder-Märchen-Länder. Aber Betanien gibt es, wie es den Jordan gibt. Man kann sich aufmachen, eine Reise tun und früher oder später sagen: Hier. Hier ist Betanien. Hier bin ich. So wie man sagen kann: „Hier ist Mailberg, und ich bin hier; hier ist Wien, Erster Bezirk, und ich mittendrin.“ Hier – Jetzt – Ich. Das ist entscheidend. Weil Ihnen so aufgeht: Das ist kein Märchen, kein Film, kein Computerspiel. Das ist echt. Das ist die allererste Erfahrung, die einer im Glauben machen muss: Es ist echt. Evangelium, Kirche, Glaube: Das ist echt, so wie ich echt bin. So müssen Sie denken, wenn Sie wirklich Christen sein wollen. Ich mit meiner Geschichte, meinen Plänen, meinem Körper. Ich. Das ist der, den es gibt. 1950 gab es mich noch nicht. Und irgendwann wird es mich nicht mehr geben. Sie sind, aber Sie sind endlich. Hier in dieser Welt, in Betanien, Mailberg oder Wien, habe ich einen Anfang und ein Ende. Und genauso gilt: Ich glaube. Oder: Ich glaube nicht. Aber immer bin ich es. Bevor Sie also gemeinsam murmeln können: „Wir glauben an den einen Gott“, müssen Sie sagen können: „Ich glaube.“ Wenn erst extreme Situationen uns beibringen, dass wir da sind, dass wir es sind, dass es wirklich geschieht, dann bedeutet das, dass wir bis dahin neben der Spur gelaufen sind. Braucht es erst einen Beinahe-Unfall oder ein Bungee-Jumping, damit wir uns selber wahrnehmen? Muss ich mich zusaufen oder Pillen nehmen, nur damit ich mich nicht wahrnehme? Warum sind die meisten Menschen Schlafwandler, Schauspieler im eigenen Stück ohne Zuschauer? „Dies geschah in Betanien.“ Warum steht das da? Die Evangelien machen nie viele Worte, kaum Details oder Ausschmückungen. Sie sind sichtlich nicht geschrieben, weil da jemand Lust am Erzählen hat (anders übrigens als die so genannten Pseudo-Evangelien). Im Evangelium steht nichts einfach so. Warum also erwähnt der Evangelist Johannes das? „Dies geschah in Betanien.“ Das bedeutet das Ende der Unverbindlichkeit. Nicht irgendwo, nicht in einem Märchenland, nicht auf einem Bildschirm, den man abdrehen kann. Sondern echt. Ein echter Ort auf dieser Erde. Hier, jetzt, ich. Betanien bedeutet Konkretheit. Und es wird noch konkreter. Die Leute stellen Johannes Fragen. „Wer bist du? Warum taufst du?“ Wenn ich Ihnen Fragen stelle und Sie antworten mir, dann werden Sie für mich lebendig. Sie bekommen „Haut und Haar“, in Ihren Adern fließt echtes Blut, ich muss mich mit Ihnen auseinandersetzen und Sie sich mit mir. Das ist genau das, was viele vermeiden. Sie beobachten nur; mal genießen sie, mal ärgern sie sich, aber sie bleiben außen. Es wird nie konkret. Was aber sollen wir mit Glaubensspielern oder Glaubensbeobachtern? Was soll ich mit einer Beziehung, die nur gespielt wird oder in der nur beobachtet wird, anstatt dass der eine das Leben des anderen teilt? Wenn Glaube nicht konkret wird, bleibt er eine Art Kreuzworträtsel, ein Computergame. Was aber, wenn der Glaube zu konkret wird? Das gibt es auch. Dann wird er unser Eigentum. Dann machen wir mit dem Glauben, was wir wollen. In Wahrheit soll aber der Glaube etwas mit uns machen. „Mitten unter euch steht einer, den ihr nicht kennt.“ Der Glaube muss konkret sein: mein Glaube. Er muss mich aber auch mit dem Rätsel konfrontieren, mit der Frage, mit dem Geheimnis. Die Juden kennen Jesus nicht. „Mitten unter euch steht einer, den ihr nicht kennt.“ Auch Johannes selbst ist im Unklaren. Seine Gewissheit ist ganz innerlich, eine Gewissheit in der Nacht. Johannes ordnet sich und die Menschen auf den Erlöser hin, ohne ihn zu kennen. Es braucht eine göttliche Offenbarung, um Christus zu erkennen. Für jeden. „Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es an äußeren Zeichen erkennen könnte. Das Reich Gottes ist schon mitten unter euch“, sagt Jesus selbst einmal (Lk 17,20). „Denn er kleidet mich in Gewänder des Heils“, heißt es beim Propheten. Denken Sie nicht gleich: „Komisch“, denken Sie lieber: toll! Sie hören das und fühlen Zuversicht in einer tristen und gebrochen Welt. Eine geglückte, von Gott selbst begleitete Zukunft. Hoffnung. Das können Sie hier entdecken. Ich. Hoffe. Und diese Hoffnung führt zum Tun. Worauf kommt es in einer Gemeinde an? Paulus sagt es. „Freut euch zu jeder Zeit!“ Auch jetzt. – „Betet ohne Unterlass!“ Jemand betet unablässig, wenn seine Sehnsucht unablässig ist. – „Dankt für alles!“ Sogar für diese Krise. – „Löscht den Geist nicht aus! Verachtet prophetisches Reden nicht! Prüft und behaltet das Gute!“ Rechnen Sie damit, dass einer Ihnen göttliche Weisung verkündet. Vielleicht ein Kind. Unterscheiden Sie, was dem Aufbau der Pfarre dient und was nicht. Und seien Sie sich klar: Das wirklich Entscheidende für das Leben der Gemeinde muss Gott tun – und er tut es auch. Und Sie? Lassen Sie sich Zeit. Aber nicht ewig. Halten Sie sich nicht ewig heraus. Laufen Sie nicht weg. Und wenn, dann kommen Sie zurück. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören