Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom heiligen Johannes zu Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Hochfest der Immaculata 2020

08/12/2020 


Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes

Sie werden verstehen, was ich Ihnen jetzt erzähle. Es war an einem Winterabend meines ersten Jahres in Wien, ich stand an der großen Kreuzung beim Kunsthistorischen Museum, um mich herum der Verkehr der großen Stadt und die berühmten Bauwerke und stolzen Häuser. In diesem Moment ging mir auf: In dieser Stadt ist so viel Geschichte, große Geschichte, da sind so viele Menschen, Lebende und längst Verstorbene, Bekannte und Vergessene, – es spielt keine Rolle, ob Du nun hier stehst oder nicht. Du spielst keine Rolle für diese Stadt. Die allermeisten Menschen haben keine Bedeutung; vielleicht spielt in Wahrheit keiner eine Rolle: Haben Sie noch nie so gedacht?

Noch ein Gedanke. Alles verdorben: Kennen Sie dieses Gefühl? Kennen Sie diese Tage, an denen man denkt: Ich habe alles falsch gemacht; ich habe es in den Sand gesetzt. Kennen Sie die Tage, in denen die Welt und die Menschen einen nur noch grausen? Und die Tage, an denen Sie nur mit angehaltenem Atem leben, weil Sie sich fragen: Was geschieht als Nächstes, welche Katastrophe kommt jetzt?

Bedeutungslosigkeit und Ausweglosigkeit: Das ist die Erfahrung unseres Lebens.

Das Fest heute widerspricht dem. Als Erstes sagt dieses Fest: Es gibt eine Chance. Es gibt eine Rettung. Und dann sagt es noch: Der Mensch ist so wichtig! Auch wenn es keiner weiß, keiner ahnt.

Vielleicht gab es damals nur zwei Menschen, die wenigstens ahnten, was es mit Maria auf sich hatte. Vielleicht fühlten nur Joseph und Elisabeth: Maria ist entscheidend. Diese Frau, die alle für eine kleine Jüdin halten und für nichts sonst, diese Frau wird die Geschichte der Menschheit wenden. Sie ist die Chance.

Dazu braucht es nicht den großen Willensakt wie den irgendeines Herrschers, der eine ganze Stadt aus dem Sumpf heraustreibt oder einen ganzen Kontinent mit Krieg überzieht. Es braucht nur ein Ja.

Es braucht kein Spektakel, kein Aufsehen, keine Berühmtheit. Alles ist innerlich, inwendig, still.

Da ist kein Erziehungsprogramm, kein Lager, kein Drill, keine Ideologie, keine Aufseher, keine Experten. Da ist nur Gnade. Das stille Wirken Gottes von Anfang an. So wird, ganz innerlich, der neue Mensch. – Auch Mao wollte den neuen Menschen, auch Lenin, auch die Nazis und wer weiß alles. Sie wollten den neuen Menschen unbedingt, mit Theorien, Programmen und mit Gewalt. Jeder weiß, wo das endete. Schnell sogar: In ein paar wenigen Jahren war klar, jedes Mal, so geht es nicht. Sie sind alle gescheitert. Alle diese Männer und ihre Hintergrundfrauen (denn die gibt es ja auch immer).

Gott stellt eine Frage, durch den Engel, und Maria sagt ja. Mehr geschieht nicht. Gehen Sie weiter, da ist nichts zu sehen. Im Allerinnersten der Kirche ist es arm. Nichts zu sehen. Denn die Seele sieht man nicht, die Gnade ist unsichtbar.

Weil Gott-Vater um das Ja dieser Frau wusste, und weil der Sohn bereit war, diese Welt zu erlösen – durch Hingabe –, deswegen wirkte der Heilige Geist ein völlig reines Herz in Maria und dann jenes Kind, Jesus von Nazareth. Der dreifaltige Gott bewirkte, dass Maria vom ersten Augenblick ihrer Existenz an ohne jede Sünde war. Das bedeutet: neu.

Wir sind anders als Maria. Wir sind kein Neuanfang. Wir beginnen alt, mit der Erbsünde, – um dann neu zu werden durch den Heiligen Geist.

Es gibt einen Ausweg, der Mensch ist wichtig, Gott ist der Herr der Geschichte: Das bedeutet dieses Fest. Wenn man das aber anderen sagt, dann klingt das billig. So ähnlich wie: „Wer glaubt, ist nie allein.“ Oder: „Vertrau auf Gott, er macht alles gut.“ Oder: „Maria hilft allezeit.“

Wir sagen das, und in uns höhnt eine Stimme: Du machst doch bloß fromme Sprüche. Die erwachsenen, vernünftigen Leute hören uns und können nur lächeln. Wenn wir Glück haben, ist in ihrem Lächeln ein wenig Wehmut. Es ist einfach, dieses Fest zu feiern, aber schwer, über dieses Fest zu reden. Dieses Fest lässt sich nicht wirklich sagen, denn es geht nicht um äußere Ereignisse, sondern um einen verborgenen inneren Vorgang. Maria ist auserwählt. Für Christus. Diese Mutter lebt wirklich nur für ihr Kind. Denn ihr Kind ist auch ihr Gott. Maria ist durch und durch hingeordnet auf Christus. Christus aber ist die neue Welt. In jener Welt ist der Mensch Heiligkeit und Hingabe, Gegenstück zum Bösen und nicht der Komplize des Bösen. In der Welt Christi ist der Mensch ein makelloses Abbild Gottes. So wie er gedacht war, als Gott die Welt erschuf. So waren Jesus und Maria: ganz auf Gott hingeordnet. Sie waren das, was in dieser alten Welt hier keiner sein kann: Menschen in völliger, unbeirrter, aktiver, schöpferischer Hingabe an Gott. Hingabe hat keine schlaffen Glieder und keinen krummen Rücken! Maria und Jesus: zwei Menschen, die nicht angesteckt waren von der Lüge, von Grund auf lauter, Menschen, die nicht alles auf sich beziehen. Sie waren wirklich so. Ohne sie wäre die Heiligkeit nur ein Ideal. So aber ist die Heiligkeit eine Realität.

Wir ahnen, wie es sein muss, so zu sein. Wir ahnen heute: Der Mensch ist wichtig. Ich zähle. Vielleicht nicht für die Welt, aber für Gott. Wir spüren an diesem Fest, nein, immer, wenn wir auf Marias Bild schauen: Es gibt einen Ausweg. Was die Gnade in Maria bewirkt hat, das will der Heilige Geist auch in uns bewirken, zuerst innerlich, unsichtbar, dann nach außen wirksam. „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.“ Das ist nicht das Werk der Politik und nicht das Werk einer Partei, das ist das Werk der Gnade.

Maria ist die Frau, der Mensch der neuen Welt.

Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

Die Predigt zum Download finden Sie hier!

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