22. Sonntag i. J., 30. August 2020
22. Sonntag im Jahreskreis, 30. August 2020 Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Es war vor langer Zeit. Vor Tiktok und Fortnite und Verschwörungen. Da gab es ein Spiel, mit dem man in Gesellschaft für Gespräche sorgte, einen Fragebogen. „Was ist deine Lieblingsblume?“ – „Deine Lieblingsheldin in der Geschichte?“ – Und: „Wie willst du einmal sterben?“ Antwort: „Lächelnd, nach vielen Leiden.“ Die diese Antwort gab (ich habe sie gekannt), war ein junges Mädchen im Frankreich der 1920er-Jahre. So will ich sterben: Lächelnd, nach vielen Leiden. Ich bin ein Feigling. Ich laufe vor dem Leiden davon. Ich hab’s gerne sicher und in feiner Ordnung. – „Weg von mir!“ Ich will nicht, dass die leiden, die ich liebe. Eigentlich will ich gar nicht, dass wer leidet. – „Hinter mich, Satan! Jeder, der halbwegs klar ist, weiß, dass das Wort nicht nur Petrus gilt; so bequem kommen wir nicht davon. Was er Petrus sagt, sagt Jesus auch mir oder Ihnen. Nicht nur dem Papst, nicht nur „der Kirche“, uns. Weil wir das im Sinn haben, was die Menschen wollen. Nicht das, was Gott will. – Dabei beten wir doch lebenslang: „Dein Wille geschehe!“ Wie schief wir sind! Wahr werden. Was man redet, auch meinen. Wollen, was Gott will: Das ist das große Projekt der Bekehrung. Projekt jeder und jedes Getauften, der es ernst nimmt. Und meinen Sie nicht, Sie könnten sich dadurch retten, dass sie mich „streng“ nennen und so abtun. Ich bin nicht streng. Ich lese nur, was da steht und denke geradeaus. Und fürchte mich. Weil ich weiß, wo das hinführt. Ins Leiden. „Hinter mich, Satan!“ – Was ein Evangelium! Und richtig klar wird das erst, wenn man das Vorher mit bedenkt und das Nachher. Dem heutigen Evangelium geht jene Szene voraus, in der Jesus zu Petrus sagt: „Du bist der Fels…“ Zum selben Petrus, den er heute „Satan“ nennt! Und es folgt das Evangelium, welches von der Verklärung Jesu erzählt. Wieder ist Petrus dabei. Und dann geht es auf Jerusalem zu. Der Raum für Kompromisse wird enger. Das Letzte Abendmahl ist kein Kompromiss, was ihm folgt, schon gar nicht. Wer jung ist und gesund, der hat so viele Möglichkeiten. Wer aber ans Sterben kommt, hat keine Möglichkeiten mehr. Der Kompromiss endet. So ist das Leben. Letzten Sonntag lernten wir: Die Kirche ist Macht, Befugnis, heilige Gewalt. Heute lernen wir: Die Kirche ist Leiden. Macht und Leiden: Die Kirche ist beides. Die Macht ist ohne das Leiden nicht zu haben. Gott erhebt Sie und Gott zerschmettert Sie. Das Amt in der Kirche trägt beide Namen: „Fels“ und „Satan“. Jeder Getaufte heißt „Fels“ und „Satan“. Satan, weil sie wollen, was die Menschen wollen und nicht, was Gott will. Aber sorgt sich Petrus nicht einfach nur um Jesus? „Das darf nicht mit dir geschehen!“ Ist das nicht ein Wort aus Liebe? Ist es nicht bloß die Angst, die Petrus so reden lässt? Weil er beginnt zu ahnen, was in Jerusalem auf sie alle wartet? Es ist müßig, solche Fragen zu stellen, als könnten wir es besser wissen als Jesus. Jesus erkennt genau, warum Petrus so redet. Jesus glüht vor Zorn, weil Petrus nicht das im Sinn hat, was Gott will: die Erlösung. Die nicht ohne das Leiden sein kann. Menschen wollen nicht leiden. Das heißt, Menschen wollen eine andere Welt als diese hier. Denn zu dieser Welt hier gehört das Leiden. Sie alle wissen das. Sie wissen, dass es kein Entkommen gibt. Auf der Schaukel kann nur einer sitzen. Das andere Kind leidet. Der Apfel fällt nach unten. Es leidet der unter dem Baum steht. Alles, was ist, wird alt, und es leiden die, die den Abschied kommen sehen. Eine verliert ihren Mann, und man verlangt von ihr: Vier Wochen darfst du leiden, aber doch nicht zwei Jahre! Die Leute wollen die Welt bunt schminken. Aber was soll falsch sein am Schmerz einer Witwe? Alles daran ist richtig, warum also es ablehnen? – Ich will lernen, die Welt zu nehmen wie sie ist. Und sie zu öffnen für das Reich Gottes. Dazu sind wir getauft. Will Gott das Leid? Die Welt sagt ja. Sie klagt Gott an. Das Paradies aber sagt nein, und der Himmel sagt nein. Der Anfang und das Ende sind ohne Leid. So hat es Gott gemacht. Gott will das Leid nicht. Aber er hat es gegeben – Gnade über Gnade! –, dass das Leid nicht sinnlos bleibt. Er hat das Leiden an die Erlösung gebunden. Jesus muss nach Jerusalem, er muss leiden; er will nach Jerusalem, er will es tragen. Ich verstehe nicht, warum das so ist, aber ich nehme es an. Weil ich glaube. Das Leiden gehört zu ihm: Das zu wissen, reicht mir. Die Leute hier in Mailberg leiden und sagen: „Man muss es nehmen, wie es ist.“ Sie haben schon Recht und dennoch werde ich ungeduldig, wenn ich das höre. „Man muss es nehmen, wie es ist“, das ist mir viel zu passiv. Es ist tapfer, aber unfruchtbar. Ich leide, Sie leiden, Punkt. Das ist die Wahrheit. Doch sie ist unfruchtbar. Ich leide mit… Ich leide für. Das ist Wahrheit plus Liebe. Das bringt reiche Frucht. Und so nähere ich mich dem Leiden. So vorsichtig… Schon die kleinen Leiden sind schwer zu tragen. Die Hitze, die nervigen Leuten, der Zahnarzt… Ich nähere mich der Buße. Auch die Buße ist ein Leid. Ich habe allen Grund zu büßen Und hätte ich ihn nicht, so wären da die anderen: meine Familie, meine Nation, das Menschengeschlecht. Ich nähere mich denen, die leiden. Und Jesus, der leidet. Und versuche mit zu leiden. Sie können also das Leid annehmen, wenn es richtig ist (gegen das falsche Leiden muss man sich wehren). Sie können leiden für andere. Sie können leiden mit Jesus. Das Leiden gehört zur Nachfolge. Wie könnte ich Ihnen etwas anderes sagen? Petrus formuliert das richtige Bekenntnis. „Du bist der Christus.“ Doch das hilft ihm nicht. „Hinter mich, Satan!“ Weil Petrus die Bewährung im Leiden scheut. Ein Bekenntnis, nach dem alles beim Alten bleibt, ist das Letzte, was Jesus will. Erst dann werden die Leute unser katholisches Bekenntnis hören wollen, wenn wir gezeigt haben, was uns das Bekenntnis wert ist. Im Leiden. Erst dort, wo Mut gefragt ist, wird es interessant. Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors. Die Predigt zum Download finden Sie hier!Die Predigt zum Anhören