GEBETSIMPULS – der Jesuiten Innsbruck
Wegen der Coronakrise entfallen die Gottesdienste, und die Kirchen sind leer. Zum Glück sind sie noch offen. Ich gehe über unseren Garten in die Jesuitenkirche, um zu beten. Dort meditiere ich über den Satz: „Jesus verbarg sich und verließ den Tempel“ (Joh 8,59) und denke: Damals verbarg er sich und verließ den Tempel wegen des Unglaubens der Menschen, die ihn steinigen wollten. Heute ist Jesus immer noch unterwegs. Er sucht uns und begegnet uns in jeder Lage, in der wir sind. Seine Anwesenheit ist nicht auf Kirchengebäude beschränkt. Er lebt jetzt inmitten seines Volkes, das unter der Coronakrise leidet. Als Jesus am Kreuz starb, zerriss der Vorhang des Tempels, der das Allerheiligste verhüllte. Ein Zeichen: Das Innere des Heiligtums ist offen für die Welt. Gott wohnt nicht nur in einem Gebäude, sondern in einem neuen Tempel, mitten in seinem Volk. Dieser Gedanke erinnert mich an ein Gedicht von Rabindranath Tagore aus Indien: „Lasse dieses Beten und Singen und Beten des Rosenkranzes! Wen verehrst du in dieser einsamen dunklen Ecke eines Tempels mit geschlossenen Türen? Öffne deine Augen und sieh, dass dein Gott nicht vor dir ist! Er ist dort, wo der Bauer den harten Boden bestellt und wo der Wegbereiter Steine bricht. Er ist mit ihnen in der Sonne und im Regenschauer, und sein Kleidungsstück ist mit Staub bedeckt. Zieh deinen heiligen Mantel aus und komm so wieder auf den staubigen Boden herunter!“ („Gott in der Welt“ aus Gitanjali) Kiran Kumar SJ, Jesuitenkolleg Innsbruck Den gesamten Text finden Sie auch hier als PDF!