Erster Fastensonntag (A), 1. März 2020
Erkennen In Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Die wissen, wo Sie sich aufhalten, wo Sie gestern waren, wie fit Sie sind, welche Krankheiten Ihnen drohen, auf welche Werbung Sie reagieren, wen Sie kennen, was Sie denken. Die im Netz wissen alles über Sie. Aber sie kennen Sie nicht. Die heutige Messe wird eröffnet mit einem Gebet, das einigermaßen verstörend ist. „Allmächtiger Gott, du schenkst uns die heiligen 40 Tage als eine Zeit der Umkehr und der Buße.“ Soweit okay. Aber dann: „Gib uns durch ihre Feier die Gnade, dass wir in der Erkenntnis Jesu Christi voranschreiten.“ Alle, aber wirklich alle, die von der Fastenzeit sprechen, sprechen von dem, was sie sich vorgenommen haben. Nicht von Hoffnungen, nicht von Ängsten, sondern immer nur: „Also ich werde…“ Und dann kommen körperliche Dinge, Handfestes: Weniger essen, weniger fernsehen, weniger Auto… manchmal soziale Dinge, Kranke besuchen zum Beispiel, aber nie, nie! etwas Innerliches. Und in sechs Wochen wird unfehlbar kommen: „Ich habe durchgehalten!“ Oder: „Ich hab’s nicht geschafft.“ Ich. Darum geht es: Ich. Mein Körper. Mein Alltag. Meine Beziehungen. Meine Fastenzeit. „Ich habe mir vorgenommen, in der Erkenntnis Jesu Christi voranzuschreiten.“ Was würden Sie denken von einem, der Ihnen das sagt? Der sich also genau das vornimmt, worum die Kirche am ersten Fastensonntag betet? Was würden Sie von so einem halten, ehrlich? Woran liegt es, dass die Erkenntnis Jesu Christi keinen interessiert? Dass aller Eifer investiert wird in rechts-links-progressiv-konservativ Debatten oder in Organisationsstrukturen? Das Evangelium hören oder lesen mit genau diesem Blickwinkel: Wer ist dieser Mann? so finge der Weg der Fastenzeit an. Wenn man einen Menschen kennen will, was tut man da? Man hört man ihm zu, sieht ihm zu. Wie er mit anderen Menschen umgeht, wie er reagiert, wenn es eng wird, wie er mit Gegnern verfährt. Sie treffen heute auf das Evangelium von der Versuchung Jesu. Wenn man einen kennenlernen will, schaut man auch auf das, was er nicht tut und nicht will. Jesus will keine weltliche Macht, er will keine billigen Lösungen – nicht Brot für alle –, er will keine spektakulären Gottesbeweise. Er ist der Sohn und der Gesandte; er vertraut. Das genügt ihm. Warum genügt uns das nicht? Beim Lesen oder Hören können Sie alles das sammeln; eine erste Idee von Jesus Christus formt sich. Aber Sie kennen ihn noch nicht. So wie die, die das Internet überwachen, Sie nicht kennen. Die wissen nur eine Menge Details über Sie. Es ist ein gewaltiger Unterschied zwischen Informationen und Wahrheit, zwischen Wissen und Erkennen. Unsere Kirche hat Erfahrung damit. Denn in ihr sind alle die Frauen und Männer, die in die Einsamkeit gingen, in die Stille, in die Wüste, buchstäblich, wie Jesus, in die Bibliotheken und auf die Felder, in die hohen Kirchen und die kleinen Kapellen. Wozu? Um über Gott nachzudenken. Es ging ihnen nicht darum, mehr zu wissen, sondern darum, mehr zu lieben. Gott mehr zu lieben. Sie nahmen einfach das erste aller Gebote ernst. Wie will man Gott aber lieben, ohne ihn zu erkennen? So wie Sie Ihre Frau, Ihren Mann nur dann wirklich lieben können, wenn Sie ihn kennen, so ist es auch mit Gott. Die Liebe kommt aus dem Erkennen. „Ich nenne euch nicht mehr Knechte. Denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut“, sagt Jesus. Der Freund weiß es. Jesus will, dass wir ihn kennen. Interessiert bloß keinen. Nachdenken über Gott, das nennt man „Betrachtung“ oder „Kontemplation“. Elitäre Zeitverschwendung, finden die meisten. Und vergessen, was Jesus über Maria sagt, die ihm zu Füßen sitzt und zuhört: „Sie hat den besseren Teil erwählt.“ Sie vergessen auch, was Paulus lehrt, dass wir nämlich alle – alle! – in das Bild des Herrn umgestaltet werden (2 Kor 3,18). Diese Umwandlung geschieht nicht mechanisch oder wunderbar, sondern indem wir Christus erkennen. Also anschauen. Die Erkenntnis Christi verändert uns. – Der Sündenfall im Paradies war, dass der Mensch von Gott wegblickte, hin auf die verbotene Frucht. Statt den Schöpfer zu schauen, glotzte er das Geschöpf an. Gierig. Nicht liebevoll. „Das Nachsinnen über sich selbst nahm ihn gefangen“, schreibt der hl. Athanasius. Gefangen. Es geht um den einfachen, liebevollen Blick auf Gott. Nicht ein gelegentliches Denken an Gott, sondern die Ruhe eines stillen Blicks. Es braucht kein Ereignis, keine Resultate oder Fortschritte. Nur große Einfachheit und Ruhe. Erkennen. Sie wissen genau, was ich meine, wenn Sie jemanden haben, den Sie lieben. Wir leben in Zeiten des Hasses. Der Hass ist gesellschaftsfähig geworden. Nicht verstehen, nicht schauen, nicht erkennen: Hauptsache hassen. – Wieso rätseln Kirchenleute, was heute zu tun sei? Liegt das nicht auf der Hand? Die Kirche hat genau das, was diese Zeit braucht: ruhiges Erkennen und Liebe. Das ist alles andere als ein Spiel. Das ist Arbeit. Läuterung. „Umkehr.“ Wer wirklich lieben will, wer Christus wirklich erkennen will, der muss sich freimachen von niedrigen Gedanken, von finsteren Gedanken, von seinen Illusionen; der muss einfach werden. Das braucht Zeit. Erfahrung braucht Zeit. Das wäre eine Fastenzeit, die dieser Welt wirklich helfen würde: wenn wir Zeit mit Gott verbrächten. FÜRBITTEN Herr, gib dich zu erkennen. In Momenten, in anderen Menschen, in unserer Zeit, in der Kirche. – Kyrie eleison! Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.
Der Mensch, den wir vor uns sehen, ist von Gott erschaffen. Herr, wir sehen unsere Freunde und wir sehen unsere Feinde. – Kyrie eleison!
Wir sind so leicht in Versuchung zu führen, wir vergessen dich, machen unser eigenes Ding. – Kyrie eleison!
Wir hören von Adam und Eva und erkennen: Wir haben Verantwortung für einander. – Kyrie eleison!
Aus dem Paradies ausgeschlossen, sind wir alle dem Tod ausgeliefert. Heute, am Sonntag, feiern wir die Auferstehung Christi. – Kyrie eleison!
Jesus lebte aus der Liebe zu seinem Vater im Himmel. Sein Gehorsam war reine Liebe. – Kyrie eleison!
Die Welt setzt auf Macht, auf schnelle Lösungen, auf spektakuläre Gottesbeweise. Jesus bleibt ruhig und fest. – Kyrie eleison!