Hochfest der Muttergottes, 1. Jänner 2020
Austreten Im Namen des Vaters + des Sohnes + des Heiligen Geistes Der erste Händedruck. Die ersten Sätze eines Buches. Die ersten Töne einer Melodie: Vom Anfang hängt alles ab. Sie wissen nicht, wie das zugeht, aber Sie wissen: Der erste Eindruck ist entscheidend. Maria ist der Anfang. Maria ist bei den Katholiken am Anfang des Jahres. Sie ist der Anfang Jesu: seine Mutter. Sie ist der Anfang der Kirche. „Mutter der Kirche“ wird sie genannt. Das geht zurück auf den Moment, wo Jesus vom Kreuz herunterblickt auf Johannes und ihm sagt: „Siehe, deine Mutter.“ Johannes und Maria sind die erste Gemeinschaft der Kirche. Die Kirche ist die Gemeinschaft, die aus diesen beiden Menschen entstand. Deswegen gehört Maria der Neujahrstag, deswegen heißt Maria „Mutter der Kirche“. – Wenn sich einer von der Kirche trennt, vom wem trennt sich dann also? Wurden Sie schon einmal verlassen? Einfach so, ohne dass man Ihnen gesagt hätte, warum? Oder nach einer langen Krise? Waren Sie vielleicht erleichtert? Wurden Sie verlassen in dem Moment, wo einer starb? Die Toten sind ja die, die uns verlassen. Wenn die Eltern sterben, sind wir allein und müssen endgültig erwachsen sein. Wurden Sie verlassen von Ihren Kindern, die aus dem Haus gingen, heirateten, eine Familie gründeten mit eigenen Regeln? Wurden Sie schon einmal verlassen? Wer nicht? Nicht jeder Austritt ist eine Trennung von der Kirche. Manchmal geht es wirklich nur ums Geld. Man kann allerdings auch weiterhin zahlen und die Kirche dennoch verlassen haben, innerlich. Aber jeder Austritt ist ein Verlassen und ganz sicher ein Verlassen-werden. Ich habe oft daran gedacht, das Priestertum aufzugeben, aber niemals, keine Sekunde daran, aus der Kirche auszutreten (und ich bin ja nicht der einzige, der so denkt). Warum? Weil ich gar nicht weiß, wie das gehen soll. Wie könnte ich einerseits bei Maria bleiben, andererseits aber die Kirche verlassen? Maria ohne die Kirche? Etwas total Künstliches. Wie könnte ich bei Christus bleiben – und ihm sagen: Deine Jünger, deine Heiligen, deine Gläubigen interessieren mich nicht. Wie könnte ich den Christen, die sich mühen um den Glauben, sagen: Seht jetzt alleine zu, wie ihr gute Menschen werdet? In einer großen Zeitung konnte jetzt zu Weihnachten eine Frau über etliche Seiten hin erzählen, wie sie aus der Kirche ausgetreten ist. Sie redete, wie die Leute eben reden: „Ich bin von der Kirche enttäuscht.“ Kirche ist dabei aber nur das, was sie erlebt. Dabei ist die Kirche doch unendlich viel mehr als das, was ich persönlich erlebe. – Schuld hat für sie nur die Kirche. Sie selbst hat keine Schuld. Die Kirche hätte dieser Frau etwas geben müssen und hat versagt. – Warum ist die Frage nie: Was kann ich meiner Kirche geben? Ist der Kirchenbeitrag alles? Was ist mit meinen Gebeten? Was mit der einen Sonntagsstunde von 168 Stunden der Woche? Kann ich der Kirche meine Hilfe bei einem der großen Feste geben? Mein Können? Meine Fragen? – Dass sie der Kirche etwas zu geben hätte, fällt der Frau gar nicht ein. Sie erzählt ihr ganzes katholisches Leben: Liebe zur Kirche war da nie. – Und Sie, können Sie sagen: Ich liebe die Kirche? Ich spüre, fühle, denke mit meiner Kirche? Sind Sie manchmal stolz auf Ihre Kirche? – Christus kommt in dem Bericht gar nicht vor. Wie geht das: Kirche ohne Christus? – Auch die Sorge um sich selbst, um die eigene Seele, um das ewige Leben: Fehlanzeige. Es geht nur darum: Was hat die Kirche mir geboten und was hat die Kirche verbrochen? Der Artikel ist ein Monument der Selbstgerechtigkeit. Wurden Sie schon einmal verlassen einfach mit dummen Gründen? „Ich habe mich verliebt.“ – „Ja, und?“, würde ich sagen. „Das kommt vor. Ich halte es aus. Kein Grund, sich zu trennen.“ Eine junge Frau geht für ein Praktikum für ein halbes Jahr nach Amerika. Deswegen trennt sie sich von ihrem Freund, vorsorglich. – „Sechs Monate? Ich warte!“ Das wäre gegangen, oder? Und wie geht es aus? Die Journalistin ist allein in ihrer Wohnung und schmückt sich einen Weihnachtsbaum. Eine hübsche, intelligente Frau behängt eine welkende Pflanze mit Flitterkram und ist allein. Ist das Glück? Ist das Freiheit? Vielleicht gibt es keine großen Austritte, sondern nur erbärmliche. Verletzend sind sie immer. Jeder Kirchenaustritt ist eine Ohrfeige – auch für Sie! Jeder Austritt ist eine Bankrott-Erklärung: Mein Glaube hat dem Alltag nicht standgehalten. – Wir konnte diesen Menschen keine Heimat geben. Und was gewinnt der, der austritt? Er spart Geld. Er wird „frei“. Er hat ‘s ihnen gezeigt. Er hat mit der Geschichte seiner Familie und seiner Heimat gebrochen. Und der, der bei der Kirche bleibt? Er ist nicht allein, er lebt in einer Gemeinschaft (die immer viel größer ist als nur die Pfarre); er steht in einer großen Geschichte (die ja viel mehr ist als Inquisition und Aberglaube). Er hat Glaube, Liebe, Treue, Stolz, Schönheit… alles, was einem Mann und einer Frau zur Ehre gereicht. Was für mich aber das Wichtigste ist: Wer bei der Kirche bleibt, hat die Gnade: „Hilfe, die uns zum ewigen Leben führt“ (Schlussgebet der Messe). Ohne die Gnade keine Erlösung und ohne die Sakramente keine Gnade und ohne die Kirche keine Sakramente. Ich kann auf alles verzichten, aber nicht auf die Taufe, die Beichte, die Eucharistie. Mich halten die Sakramente in der Kirche, – weil nur sie mir die Hilfe Gottes vermitteln. Christus hat sich an seine Kirche gebunden: „Ich bleibe bei euch alle Tage…“ Und die Gnade habe ich nicht nur für mich. Wir Christen haben die Sakramente, damit wir stellvertretend für die anderen, für die, die Christus nicht kennen, für die, die sich irren, die ihren Glauben verloren haben, damit wir stellvertretend für sie alle beten, leiden, wirken, Gott loben können. FÜRBITTEN Maria, Mutter Christi, halte uns alle bei deinem Sohn und seiner Kirche. Maria, du tapfere, Maria, du zarte: Lehre uns, Kampf und Herz zu vereinen. Maria, du Schöne: Hilf uns, diese Welt nicht nur gut, sondern auch schön zu machen. Maria, du Beschenkte: Wir kämpfen um so Vieles, auch im neuen Jahr. Lass uns sehen, wie sehr wir beschenkt werden, ganz ohne Kampf. Maria, du hast alles, was geschah, alle Worte in deinem Herzen bewahrt. Hilf uns im neuen Jahr immer wieder zu Momenten der Stille. Wir beten im zweiten Monat der Großen Novene für unser Vikariat. – Siehe Heft Wir beten zusammen mit dem Papst, dass Christen, Angehörige anderer Religionen und alle Menschen guten Willens sich für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt einsetzen. KINDERSEGNUNG „Mein Vater und meine Mutter… haben mich glauben gelehrt, beten, hoffen, danken und bitten – immer ganz bewusst als Teil und inmitten der Kirche. Sie haben mich mit Christus an einen Tisch gebracht. Sie haben mich an die Krippe geführt, unter das Kreuz und in die Kirche. Das hält allem stand… dank ihnen ist Weihnachten mir bis heute ein Wunder geblieben und die Kirche mein natürlicher Lebensraum.“ (Der Sonntag, Dezember 2019, S. 3) Zum mündlichen Vortrag bestimmt, verzichtet dieser Text auf Quellenangaben. Jede Vervielfältigung und Veröffentlichung bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.